Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dipl.Ing. Otto Beer und Johann Friesenbichler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ferdinand K***, Angestellter, Wien 16., Yppenplatz 5/8, vertreten durch Dr. Heinrich Keller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T*** AN DER WIEN Betriebsgesellschaft mbH, Wien 6., Lehargasse 5, vertreten durch Dr. Herbert Schachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 89.418,50 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 9. September 1985, GZ 44 Cg 122/85-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 22. Februar 1985, GZ 9 Cr 828/84-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.843,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 600,-- Barauslagen und S 385,80 Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt von der beklagten Partei, seiner ehemaligen Arbeitgeberin, die Zahlung eines Betrages von S 89.418,50 sA an Kündigungsentschädigung und Abfertigung mit der Begründung, er sei am 14.12.1983 ungerechtfertigt entlassen worden. Im übrigen sei die Entlassung verspätet ausgesprochen worden, weil die beklagte Partei spätestens am 10.12.1983 von dem Entlassungsgrund Kenntnis erlangt habe. Der Kläger sei von der auf Grund einer Anzeige der beklagten Partei gegen ihn erhobenen Anklage des Diebstahls gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen worden.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Die Entlassung sei ungeachtet des vom Kläger erwähnten Freispruchs infolge seines grob pflichtwidrigen Verhaltens gerechtfertigt. Sie sei rechtzeitig ausgesprochen worden, weil der Geschäftsführer der beklagten Partei erst nach dem 10.12.1983 von den zur Entlassung Anlaß gebenden Vorfällen informiert worden sei und die Entlassung erst in einer Sitzung der beiden Geschäftsführer habe beschlossen werden müssen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Einige Wochen vor dem 10.12.1983 häuften sich Diebstähle während der Nachtzeit, wenn der Kläger Dienst hatte. In der Nacht vom 9. auf den 10.12.1983 wurde eine Diebsfalle ausgelegt; an einer bestimmten Stelle wurde ein Lederbeutel mit einem Inhalt von S 130,-- deponiert. Der Kläger hatte in dieser Nacht Sicherheitsdienst und mußte zweimal eine Runde durch das Haus machen. Gegenstände, die von ihm aufgefunden wurden, mußte er mitnehmen, in ein Fundbuch eintragen und an die Direktion weitergeben. Der Kläger fand den vorerwähnten Lederbeutel mit Inhalt, nahm ihn in die Portierloge und hatte die Absicht, eine Fundmeldung zu erstatten. Er fühlte sich in den letzten Tagen müde und zerschlagen, begab sich in die Portierloge und schlief dort ein. Er erwachte "sehr spät für den zweiten Rundgang", nahm den Geldbeutel an sich und deponierte ihn im Zuschauerraum in den hinteren Sitzreihen. Er war der Ansicht, man würde ihn bei Tag finden und er könne sich das Schreiben einer Fundmeldung ersparen. Der Kläger hätte erst am 14.12.1983 abends den Dienst wieder antreten müssen. Er übernahm jedoch am Montag, dem 12.12.1983, für einen Kollegen den Nachtdienst. Am 13.12.1983 abends fand er eine Ladung zur Polizei für den 14.12.1983 vor. Dort erklärte er, das Geld nicht an sich genommen zu haben. Nachdem der Geldbeutel nicht mehr gefunden worden war, wurde der Direktor der beklagten Partei, Franz H***, am 13.12.1983 darüber informiert. Der Kläger wurde in dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren von der Anklage des Diebstahls gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Nach der dem Kläger übergebenen Dienstanweisung der beklagten Partei ist der Nachtdienst von zwei Personen zu versehen.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, der Kläger hätte den Geldbeutel wahrscheinlich nicht infolge Zeitknappheit weggeworfen, wenn die beklagte Partei zwei Angestellte für den Sicherheitsdienst eingesetzt hätte. Die Unterlassung der Eintragung des Fundes in das Fundbuch sei nicht so schwerwiegend, daß der beklagten Partei die Weiterbeschäftigung des Klägers nicht zugemutet werden könnte.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht mit Ausnahme der Feststellung, der Kläger habe sich während der letzten Tage vor dem gegenständlichen Vorfall müde und zerschlagen gefühlt. Ergänzend stellte es fest, der Kläger sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6.3.1979 wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch verurteilt worden; eine von der beklagten Partei aus diesem Grund ausgesprochene Entlassung des Klägers wurde von ihr wieder zurückgenommen. Er sei insgesamt 12 mal gerichtlich vorbestraft, davon 9 mal wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen. Die zweite Instanz vertrat die Rechtsauffassung, der Kläger habe das Abhandenkommen des von ihm aufgefundenen Lederbeutels zumindest fahrlässig verschuldet. Auf Grund der festgestellten Vorstrafen weise er geradezu einen Hang zur Begehung von Eigentumsdelikten auf, sodaß Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG gegeben sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Revision des Klägers mit einem auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils zielenden Abänderungsantrag.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). In der Rechtsrüge geht der Kläger nicht von den vom Berufungsgericht getroffenen und für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen aus. Daß er sich der Fundsache nur deshalb entledigt habe, weil er infolge des Einschlafens "in Panik und Verwirrung geraten sei", und daß er sich schon vorher nicht gesund gefühlt habe, wurde vom Berufungsgericht nicht festgestellt, sodaß diese Annahmen der rechtlichen Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden können.
Nach dem festgestellten Sachverhalt hat es der Kläger pflichtwidrig unterlassen, den von ihm aufgefundenen Lederbeutel mit einem Inhalt von S 130,-- in Verwahrung zu nehmen und als Fund zu melden. Er hat ihn vielmehr nach seinen eigenen Angaben an einer anderen Stelle deponiert, wo er dann nicht mehr gefunden wurde. Das pflichtwidrige Verhalten des Klägers besteht darin, daß er eine Fundmeldung unterlassen und den gefundenen Geldbeutel nicht sichergestellt und verwahrt hat. Daß der Kläger zu einem solchen Verhalten verpflichtet gewesen wäre, ergibt sich nicht nur aus den Dienstanweisungen, sondern schon auf Grund seiner Tätigkeit als Sicherheitsbeauftragter der beklagten Partei und daher aus dem Arbeitsvertrag. Die Unterlassung der Meldung und Verwahrung des Fundes erfüllt, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, die Voraussetzungen des dritten Entlassungstatbestandes des § 27 Z 1 AngG, weil sie den Kläger des Vertrauens seines Arbeitsgebers, der beklagten Partei, unwürdig erscheinen ließ. Dieser mußte auf Grund des pflichtwidrigen Verhaltens befürchten, daß der Kläger seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, wodurch die dienstlichen Interessen der beklagten Partei gefährdet wurden (Kuderna, Das Entlassungsrecht, 88 ff). Ob der Kläger den Geldbeutel samt Inhalt gestohlen hat und ob sein Verhalten einen solchen Verdacht dringend rechtfertigte, ist für die Annahme einer aus dem Grunde des § 27 Z 1 dritter Tatbestand AngG gerechtfertigten Entlassung ohne Bedeutung, zumal bei der Würdigung des Gesamtverhaltens des Klägers und seiner Vertrauenswürdigkeit jedenfalls auch die Vorstrafe des Klägers aus dem Jahr 1979 zu berücksichtigen ist, wie die vom Berufungsgericht festgestellten Vorstrafen des Klägers. Daß nach der Dienstanweisung grundsätzlich zwei Angestellte den Sicherheitsdienst zu versehen haben, war für die Verpflichtung des Klägers, einen Fundgegenstand zu melden und aufzubewahren, auch wenn er diesen Dienst allein versieht, ebenfalls ohne Belang.
Die am 14.12.1983 vorgenommene Entlassung ist aber auch rechtzeitig ausgesprochen worden, weil der Direktor der beklagten Partei erst am 13.12.1983 von dem Vorfall verständigt wurde. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E07636European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00004.86.0218.000Dokumentnummer
JJT_19860218_OGH0002_0140OB00004_8600000_000