TE OGH 1986/2/18 2Ob671/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.02.1986
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** W*** V***, Herrengasse 18-20, 8011 Graz,

vertreten durch Dr. Clemens Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1.) Andreas A***, geboren am 26. Juni 1970, Schüler, Forststraße 51, 6890 Lustenau, vertreten durch Dr. Heinz Klocker, Rechtsanwalt in Dornbirn, 2.) Herbert V***, geboren am 20. April 1970, Schüler, Forststraße 47, 6890 Lustenau, vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 188.442,- und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 8. Oktober 1985, GZ 1 R 208/85-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 3. Mai 1985, GZ 4 Cg 880/85-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat den beklagten Parteien binnen 14 Tagen je S 15.874,65 (darin enthalten je S 1.443,15 Umsatzsteuer) an Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 2. März 1982 drangen die beiden Beklagten sowie der am 28. September 1969 geborene Wolfgang C*** in eine am Betriebsgelände des Hubert S*** in Lustenau errichtete Halle ein, in der Altmaterialien, insbesondere Stoffballen, gelagert waren. Der Zweitbeklagte hatte zwei Kerzen und eine Fackel bei sich, Wolfgang C*** Zigaretten und ein Feuerzeug. Die Kerzen hatte der Zweitbeklagte mitgenommen, weil man es im Inneren der Halle etwas heller haben wollte. In der Halle richteten sich die drei Minderjährigen zwischen den durchschnittlich 500 kg schweren gepreßten Stoffballen eine Art Hütte ein. Der Zweitbeklagte befestigte eine Kerze auf einem Pappkarton und stellte sie auf einen Stoffballen. Mit einer entflammten Fackel strich er einen Holzbalken entlang, sodaß dieser schwarz wurde. Einem der Beteiligten kam dann die Idee, Stoffetzen, die leicht aus den Stoffballen herauszuziehen waren, anzuzünden. Man wollte die Stoffetzen jeweils nur ein Stück anbrennen lassen und dann wieder auslöschen. Die beiden Beklagten zündeten Stoffreste an und hielten sie in der Hand; es gelang ihnen, das Feuer zum Erlöschen zu bringen. Auch Wolfgang C*** zündete einen Stoffetzen an und hielt ihn in der Hand, doch gelang es ihm nicht, das Feuer zum Erlöschen zu bringen. Schließlich warf er den brennenden Stoffetzen durch eine ca 1 1/2 m entfernte Fensteröffnung. Dabei fiel ein Teil des brennenden Lappens auf einen Stoffballen, der Feuer fing. Wolfgang C*** forderte die beiden Beklagten auf, schnell herzukommen und ihm zu helfen, das Feuer zu löschen, doch rannte der Erstbeklagte nach dem Ausbruch des Feuers sofort davon; als es Wolfgang C*** und dem Zweitbeklagten nicht gelang, das Feuer zum Erlöschen zu bringen, ergriffen sie gleichfalls die Flucht. Das Feuer vernichtete die Lagerhalle samt den darin gelagerten Textilien und Altpapier; weitere Schäden entstanden an Nachbargebäuden sowie an öffentlichen Fernmeldeanlagen der Post- und Telegraphenverwaltung. Den drei Minderjährigen war bewußt, daß das Hantieren mit Feuer in einer Lagerhalle, in der sich Stoffreste befanden, besonders gefährlich ist, weil diese Materialien leicht Feuer fangen können.

Zugunsten des Wolfgang C*** besteht bei der klagenden Partei für fahrlässig herbeigeführte Schäden Versicherungsdeckung bis zum Höchstbetrag von S 2 Mill.

Hubert S*** begehrte von Wolfgang C*** den Ersatz des durch Versicherungsleistungen nicht gedeckten Schadens in der Höhe von S 1,099.742. Das Landesgericht Feldkirch gab mit Urteil vom 13. Februar 1985, 7 a Cg 4647/83-29, dem Klagebegehren statt; Berufung und Revision blieben erfolglos.

Die klagende Partei bringt vor, sie habe auf Grund der zugunsten des Wolfgang C*** bestehenden Versicherungsdeckung dem Geschädigten Hubert S*** bisher insgesamt S 282.663 bezahlt und werde noch weitere Forderungen zu befriedigen haben. Da auch die beiden Beklagten an dem "Spiel" teilgenommen hätten, haften sie ebenso wie Wolfgang C*** für den entstandenen Schaden. Sie seien daher verpflichtet, der klagenden Partei je ein Drittel der von dieser für Wolfgang C*** erbrachten Leistungen zu bezahlen. Die klagende Partei begehrt daher von beiden Beklagten die Bezahlung von je S 94.221 samt 4 % Zinsen sowie die Feststellung, daß die beklagten Parteien zu je einem Drittel der klagenden Partei für deren Ersatzleistung zu haften und diese zu vergüten haben, welche die Klägerin als Haftpflichtversicherer des minderjährigen Wolfgang C*** im Zusammenhang mit dem Brand einer Lagerhalle der Firma Hubert S*** in Lustenau am 2. März 1982 bis zur Höhe der Versicherungssumme von S 2 Mill. noch zu erbringen habe. Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, das Schadensereignis vom 2. März 1982 sei allein von Wolfgang C*** verursacht und verschuldet worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Brand sei ausschließlich auf das Verhalten des Wolfgang C*** zurückzuführen. Die Beklagten hätten zwar gleichfalls Stoffetzen angezündet und in der Hand gehalten, doch sei es ihnen, im Gegensatz zu Wolfgang C*** gelungen, die dadurch herbeigeführte Gefahr zu beherrschen und die Stoffetzen jeweils so rechtzeitig zum Erlöschen zu bringen, daß die in der Umgebung befindlichen Stoffballen nicht Feuer fangen konnten. Damit habe aber Wolfgang C*** den herbeigeführten Schadenserfolg allein zu vertreten, die Beklagten könnten daher nicht zur Mithaftung herangezogen werden. Diese hätten kein Verhalten gesetzt, das für den Schadenseintritt ursächlich gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Das Berufungsgericht billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin führt im wesentlichen aus, die Vorinstanzen gingen von einem zu engen Begriff der Verursachung aus, wenn sie jeden einzelnen Beitrag der drei Buben isoliert betrachteten. Die Aufzählung des gemeinschaftlichen Handelns in § 1301 ABGB, das zum Schadenersatz verpflichtet, sei demonstrativ. Ein Beitrag könne im Verleiten, Befehlen, ja auch in der Unterlassung der besonderen Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern, bestehen. Das Berufungsgericht habe bloß auf die physische Kausalität abgestellt, ohne die Frage der "psychischen Kausalität" näher zu prüfen. Nur durch das gemeinsame Handeln seien alle Bedingungen für den Schadenserfolg zustandegekommen. Es könne nicht entscheidend sein, wer einen ganz bestimmten Stoffetzen angezündet und das Feuer dann zum Erlöschen bzw nicht mehr zum Erlöschen habe bringen können. Schon der gemeinsame Entschluß zu zündeln begründe die Haftung aller; keiner habe sich vom gemeinsamen Spiel distanziert; die Idee zu zündeln sei vom gemeinsamen Entschluß getragen gewesen. Der weitere Geschehensablauf, daß es gerade der Stoffetzen des Wolfgang C*** gewesen sei, der zum Brand geführt habe, sei vom Zufall abhängig gewesen und könne nicht dem Verursachungsbereich eines einzelnen zugerechnet werden. Darüberhinaus hätte die Beklagten auch die Verpflichtung getroffen, das Übel zu verhindern; sie hätten dem Hantieren mit Feuer entgegentreten müssen. Wenn sie dies nicht getan haben, begründe dies ihren Tatbeitrag, für den sie einzutreten haben.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 1301 ABGB können für einen widerrechtlich zugefügten Schaden mehrere Personen verantwortlich werden, indem sie gemeinschaftlich, unmittelbar oder mittelbar durch Verleiten, Drohen, Helfen, Befehlen und dergleichen oder durch Unterlassen der besonderen Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern, dazu beigetragen haben. In einem solchen Fall verantwortet gemäß § 1302 ABGB, wenn die Beschädigung in einem Versehen begründet ist und die Anteile sich bestimmen lassen, jeder nur den durch sein Versehen verursachten Schaden. Wenn der Schaden vorsätzlich zugefügt wurde oder wenn die Anteile der einzelnen an der Beschädigung sich nicht bestimmen lassen, so haften alle für einen und einer für alle, doch bleibt dem, der den Schaden ersetzt hat, der Rückersatz gegen die übrigen vorbehalten. In diesem Sinne begehrt die klagende Partei Rückersatz von den beiden Beklagten. Der Erfolg dieses Begehrens hängt davon ab, ob die Beklagten als Mitschuldner für den eingetretenen Schaden solidarisch haften (JBl 1957, 241; SZ 15/232; Gamerith in Rummel ABGB, Rdz 1 zu § 896; Koziol, Österr. Haftpflichtrecht 2 I 299). § 1301 ABGB knüpft die Schadenersatzpflicht mehrerer Personen an gemeinschaftliches Handeln. Dieses kann darin bestehen, daß mehrere an der schädigenden Handlung als Mittäter oder aber als Teilnehmer (vgl Marginale vor § 1301 ABGB), das heißt als Anstifter oder Gehilfen, mitwirkten. Solidarhaftung der Mitwirkenden tritt nach herrschender Ansicht bei vorsätzlichem gemeinschaftlichem Handeln unabhängig von der Bestimmbarkeit der wirklich verursachten Schadensteile ein (EvBl 1971/19; EvBl 1958/41; SZ 27/103; Koziol aaO I 65, 298). Die solidarische Haftung mehrerer Mitwirkender wird auf Grund der Gemeinschaftlichkeit des Willens ohne Prüfung, ob und welcher Anteil dem einzelnen zuzumessen ist, bejaht.

Ein Fall vorsätzlicher gemeinschaftlicher Schadenszufügung liegt nicht vor. Ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken der drei Minderjährigen, um Hubert S*** in seinem Vermögen zu schädigen, erfolgte nicht. Solidarische Haftung tritt dann nur ein, wenn jeder einzelne zum Schaden in irgendeiner Form beigetragen hat, ohne daß bestimmte Schadenskomponenten einzelnen Schädigern anzulasten wären (SZ 55/68; SZ 53/82; EvBl 1980/112; SZ 48/107; SZ 45/5; JBl 1972, 210; SZ 20/253, Wolff in Klang 2 VI 55). So wurde etwa die solidarische Haftung eines Täters, der Heu herbeiholte und aufeinander schichtete, zusammen mit jenem, der das Feuer entfachte, für den dann eingetretenen, nicht gewollten Brandschaden bejaht (JBl 1982, 149). Auch in Fällen fahrlässiger Schädigung greift aber die gesamtschuldnerische Haftung nur dann Platz, wenn der Schaden nicht eindeutig nur einem der Täter zurechenbar ist (Koziol aaO 298; Wolf aaO 55). Die gesamtschuldnerische Haftung für den eingetretenen Schaden ist nur dann zu rechtfertigen, wenn jeder Beteiligte einen Beitrag zum Eintritt des Schadens geleistet hat, wenn seine Beteiligung für den Schaden daher ursächlich war (vgl Bydlinski, AcP 158, 430).

Im vorliegenden Fall haben die drei Minderjährigen, nachdem einem von ihnen dieser Gedanke gekommen war, Stoffreste angezündet, die schadenszufügende Handlung setzte aber Wolfgang C*** allein. Ein physischer Tatbeitrag der Beklagten steht nicht fest. Aber auch ein Tatbeitrag der Beklagten in der Weise, daß sie etwa Wolfgang C*** in seinem Entschluß zu zündeln bestärkt hätten oder eine Beihilfehandlung anderer Art ist nicht erwiesen. Es steht nicht fest, daß die Beklagten Wolfgang C*** zum gefährlichen Tun verleitet hätten, weil möglicherweise nur ein Beteiligter mit dem Zündeln begann und die anderen es bloß ohne Aufforderung nachahmten. In einem solchen Fall "psychischer Kausalität" (vgl Koziol aaO 60) entscheidet jeder selbst, welche Gefahr er auf sich nimmt; es verantwortet in der Regel derjenige, dessen Verhalten nur Ursache für das Handeln des anderen war, nicht den daraus entstandenen Schaden. Anderes gilt nur dann, wenn ein gezieltes Einwirken vorliegt oder wenn zwar dem Einwirkenden, nicht aber auch dem Handelnden die besondere Gefährlichkeit des Verhaltens einsichtig war. Im vorliegenden Fall war allen Beteiligten in gleicher Weise bewußt, daß das Anzünden der Stoffetzen eine Gefahr heraufbeschwor; den Beklagten oblag daher keine besondere Schutzpflicht in Ansehung des (etwas älteren) Wolfgang C*** (vgl Koziol aaO 97 f). Das Verhalten der Beklagten stellt daher insgesamt kein gemeinschaftliches Handeln dar, wie es die §§ 1301, 1302 ABGB für eine Solidarhaftung sämtlicher Beteiligter voraussetzen. Das gleichgerichtete Handeln sämtlicher Beteiligter wird dadurch, daß es durch das Handeln eines Beteiligten ausgelöst wurde, nicht zum gemeinschaftlichen Handeln. Aus diesem Grund ist auch aus der in der Revision angeführten Entscheidung SZ 13/193 für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen, weil dort alle drei Beklagten vorsätzlich zusammenwirkten, es lag ein gemeinschaftliches Handeln vor, das zu einer Verletzung des Klägers führte, sodaß man noch sagen konnte, der mit der Handlung von allen Beteiligten gemeinsam verfolgte Zweck habe das Handeln aller zu einer Einheit zusammengefaßt. Daran fehlt es hier. Die Tatsache, daß ein Minderjähriger fahrlässig handelt und ein anderer ihm in diesem Handeln folgt, begründet noch nicht die Haftung des ersten für den allein vom anderen verursachten Schadenserfolg.

Der Ansicht, die Beklagten würden auch deshalb haften, weil sie gehalten gewesen wären, den Schadenseintritt zu verhindern, ist entgegenzuhalten, daß die Haftung für Unterlassen eine Pflicht zum Handeln voraussetzt (Koziol aaO 100; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 1301), weil ohne besonderes Gebot prinzipiell keine Verpflichtung zum Tun besteht (RZ 1982/2; SZ 50/100; SZ 39/170, SZ 27/311 ua). Handlungspflichten können sich unmittelbar aus dem Gesetz, aus einem Vertrag oder auf Grund umfassender Interessenabwägung ergeben (Koziol aaO 100), insbesondere daraus, daß jemand eine Gefahrenquelle geschaffen hat (SZ 52/5; SZ 37/97 ua). War aber die Handlungsweise eines Beteiligten für den Schadenserfolg so bedeutungslos, daß deshalb seine Ersatzpflicht verneint wird, so trifft ihn keine andere Handlungspflicht als jeden anderen außenstehenden Dritten (Bydlinski, AcP 158, 422). Aus diesen Gründen haben die Vorinstanzen das Klagebegehren mit Recht abgewiesen (vgl die dasselbe Schadensereignis betreffende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 15. Jänner 1986, 1 Ob 713/85), weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen war. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E07995

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00671.85.0218.000

Dokumentnummer

JJT_19860218_OGH0002_0020OB00671_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten