Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sibylle B***, Hausfrau, CH-7206 Igis, Rebhaldenweg 2, vertreten durch Dr. Norbert Margreiter, Rechtsanwalt in Bezau, wider die beklagte Partei R*** L***, registrierte
Genossenschaft mbH, 6911 Lochau, vertreten durch Dr. Franz Bernhard und Dr. Melchior Bechter, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Widerspruchs nach § 37 EO (Wert des Streitgegenstandes: 1,490.000,-) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 1. Oktober 1985, GZ 1 a R 374/85-21, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 3. Juni 1985, GZ 3 C 646/84-16, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit erstgerichtlichem Beschluß vom 27. August 1984, 3 a E 5213/84-1, wurde der Beklagten auf Grund des erstgerichtlichen Versäumungsurteils vom 13. Juni 1984, 5 C 317/84, zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von S 1,500.000,- s.A. gegen Gert B***, den Ehemann der Klägerin, die Exekution durch Pfändung, Verwahrung und Verkauf der in der Gewahrsame der Jachtwerft Ernst K***, Fussach, Hafen, befindlichen Motorjacht V 7222 und V 7242, zugelassen bei der BH Bregenz samt allem Zubehör bewilligt. Am 3. September 1984 wurde die "Motorjacht V 7222" Sibilla III (Kajütkreuzer) samt Inventar, fahrbarem Gestell und Schlauchboot gepfändet. Am 16. Oktober 1985 wurde sie von der Beklagten bei einer öffentlichen Versteigerung um S 630.000,-, den halben Schätzwert, erstanden und dieser Versteigerungserlös einem Vertreter der Beklagten ausgefolgt, wodurch diese Fahrnisexekution beendet wurde. In der am 17. Oktober 1984 eingebrachten, zunächst mit S 1,500.000,- bewerteten Exszindierungsklage behauptete die Klägerin, die gepfändeten, auf sie zugelassenen Motorboote V 7222 und V 7242 seien ihr von ihrem Ehemann Gert B*** mit notariellem Vertrag vom 2. März 1983 sicherungsübereignet, mit Antrag vom 5. Mai 1983 bei der BH Bregenz auf sie umgemeldet und von ihr übernommen worden und befänden sich in ihrem Besitz. Die Klägerin begehrte daher, die von der Beklagten auf diese Motorboote geführte Exekution für unzulässig zu erklären. In der Tagsatzung vom 15. Jänner 1985 modifizierte die Klägerin ihr Vorbringen dahin, daß sie der Beklagten am 26. April 1983 an fälligen Zinsen eines ihrem Ehemann gewährten Darlehens DM 130.000,- gezahlt habe. Deshalb habe ihr ihr Ehemann zur Sicherstellung die beiden Motorboote übereignet und übergeben. In der Tagsatzung vom 11. April 1985 schränkte die Klägerin ihr Begehren hinsichtlich des Motorbootes V 7242 ein, weil es sich dabei um nicht gesondert gepfändetes Zubehör des Motorbootes V 7222 handle. Sie bewertete das eingeschränkte Begehren mit S 1,490.000,-.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt das von der Klägerin behauptete Sicherungseigentum, weil eine Übergabe "der immer im Inland befindlichen Motorboote" nie stattgefunden habe, und wendete schon in der Tagsatzung vom 15. Jänner 1985 überdies ein, daß das gepfändete Kajütboot das einzige Vermögen ihres Schuldners in Österreich darstelle. Der Klägerin sei bekannt gewesen, daß ihr Ehemann der Beklagten aus einem Darlehensvertrag seit 1982 S 12,000.000,- s.Ng. schulde. Der Ehemann der Klägerin sei schon vor der behaupteten Sicherungsübereignung zahlungsunfähig gewesen. Der Klägerin sei bekannt gewesen, daß ihr Mann ihr das Boot übergebe, um die Gläubiger zu benachteiligen und den Befriedigungsfonds zu verkürzen. Die Sicherungsübereignung sei daher gegenüber der Beklagten ungültig. In der Tagsatzung vom 11. April 1985 replizierte die Klägerin, ihr Ehemann sei im Frühjahr 1983 noch nicht zahlungsunfähig gewesen, weil der Beklagten Ende Juni 1983 die bis dahin fälligen Zinsen von S 376.543,52 und später auch die mit 30. September 1983 fälligen Zinsen von S 352.255,25 rechtzeitig überwiesen worden seien. Die Zinsenzahlungen wurden von der Beklagten zugestanden. In der erwähnten Tagsatzung brachte die Beklagte noch vor, sie habe vergeblich in das (in der Schweiz befindliche) bewegliche Vermögen Gert B***s Exekution geführt. Die Klägerin habe die Benachteiligung der Gläubiger ihres Ehemannes durch die Übertragung des Bootes bewußt in Kauf genommen, weil ihr dabei unter anderem bekannt gewesen sei, daß er über kein Vermögen und über keine Zahlungsmittel verfüge. Gert B*** habe der Klägerin das Boot ohne Erfüllung einer vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung, also freiwillig und unentgeltlich, übertragen. Weil diese Rechtshandlung gegenüber der Beklagten nachteilig und ungültig sei, habe die Klägerin die Fahrnisexekution zu dulden.
Das Erstgericht gab dem Exszindierungsbegehren statt. Es stellte unter anderem fest, daß der behinderten Tochter der Ehegatten B***, Marga B***, vom Land Rheinland-Pfalz rund DM 1,850.000,- gezahlt wurden, welche die Klägerin während 30 Jahren für Pflege und Operationen aufgewendet hatte. Ein Teilbetrag von etwa DM 1,700.000,- wurde auf eine Bank in Chur überwiesen, weil Gert B*** in dem bei Chur liegenden Igis ein Haus bauen und dieses der Klägerin übertragen wollte. In dem notariellen Protokoll vom 21. Juli 1981, anerkannte Gert B***, der Klägerin DM 1,000.800,-
(richtig: DM 1,800.000,-) samt 12 % Zinsen seit 1. Juli 1981 zu schulden. Weiters wurde vereinbart, daß dieser Betrag solange gestundet gelte, bis die ordnungsgemäße Besicherung der Schuld auf einem Grundstück, daß Gert B*** erwerben wollte, vollzogen sei. Mit den erwähnten DM 1,700.000,- und eigenen Mitteln wurde das Haus in Igis, Rebhaldenweg 2, gebaut. Dieses wurde zur Finanzierung einer deutschen AG, der im September 1982 DM 1,750.000,- überwiesen wurden, die jedoch dem Konkurs verfiel, hypothekarisch belastet. Weil die Bank in Chur befürchtete, daß "aus der noch laufenden Komplementärhaftung des Gert B*** für die ehemalige Kommanditgesellschaft, die in die AG eingebracht worden ist, ihr aus seiner Gläubigerhaftung das Pfandrecht auf dem Haus streitig gemacht werde", verlangte sie, daß das Haus samt den darauf haftenden Belastungen der Klägerin übertragen werde, was im März 1983 geschah. Am 2. März 1983 vereinbarten die Ehegatten B*** in Chur notariell die Sicherungsübereignung der in diesem Rechtsstreit exszindierten, bei der Jachtwerft K*** in Fussach verwahrten Motorjacht. Diese Sicherungsübereignung diente für die am 21. Juli 1981 anerkannte Schuld von DM 1,800.000,-. Die Klägerin erhielt gleichzeitig die Vollmacht, die Jacht unter Anrechnung von Sfr 250.000,-, des damaligen Verkehrswerts, auf die bestehende Verbindlichkeit auf sich selbst zu übertragen (Beilage F). Diese Jacht und die damals ebenfalls der Klägerin sicherungsübereignete Waffensammlung im Wert von Sfr 1,000.000,- waren damals das einzige Vermögen des Gert B***s in Österreich. Mit dem Verkaufserlös der Waffensammlung von Sfr 500.000,- zahlte die Klägerin die auf dem Haus lastenden Bauhandwerkspfandrechte. In der Folge übergab Gert B*** der Klägerin in Bregenz die Schlüssel und Papiere der Jacht und erklärte ihr in der Werft K*** unter Handauflegung auf das Boot, daß sich dieses nunmehr in ihrem Besitz befinde, was von der Klägerin angenommen wurde, die dann über das Boot verfügte und die Besitzübertragung am 5. Mai 1983 der BH Bregenz als Zulassungsbehörde mitteilte. Diese bewilligte sie erst am 14. September 1983, weil auf dem Schreiben vom 5. Mai 1983 die unterschriftliche Bestätigung der Annahme der Übergabe des Bootes gefehlt hatte. Das Boot lagert seither immer bei der Jachtwerft K***, die den Mietvertrag über den Ruheplatz seither mit der Klägerin abschloß, die auch den Mietzins zahlte und im November 1983 die Versicherung des Bootes bei der W***-Versicherung veranlaßte (Beilagen D, E, G und H). Die Beklagte gewährte Gert B*** im August 1982 Kredite von S 7,000.000,- und S 5,000.000,-; letzterer war mit 30. Juni 1983 befristet. Die erste Zinsrate von ca. S 111.000,- wurde am 30. September 1982 fällig. Am 31. Dezember 1982 wurden S 318.000,-, am 31. März 1983 S 368.000,-
fällig. Am 26. April 1983 wurde der Klägerin gegen Verpfändung von Schmuck ein Darlehen von DM 130.000,- gewährt, womit die bis dahin bei der Beklagten fälligen, oben erwähnten Kreditzinsen bis auf etwa S 20.000,- abgedeckt wurden. Am 6. Juli 1983 und am 30. September 1983 erfolgten weitere Zinsenzahlungen von rund S 376.000,- und S 352.000,-. Das gepfändete Motorboot hatte einen Schätzwert von S 1,260.000,-.
Das Erstgericht erachtete das Exszindierungsbegehren als begründet, weil eine im Sicherungseigentum der Klägerin stehende Sache gepfändet worden sei. Mit der Begründung, daß ein Anfechtungsanspruch nicht unter § 37 EO falle, ging das Erstgericht auf die Anfechtungseinrede der Beklagten nicht näher ein. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf, verwies die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 300.000,- übersteige.
Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes über die wirksame Sicherungsübereignung der Jacht, weil der diesbezügliche Titel (Vereinbarung über die Sicherungsübereignung vom 2. März 1983) gültig und die Übergabe formgerecht sei. Die Berufung sei aber insoweit berechtigt, als das Erstgericht den einredeweise geltend gemachten Anfechtungsanspruch nicht geprüft habe. Die Beklagte wende zulässigerweise ihren Anfechtungsanspruch als Gläubigerin des im Exekutionsverfahren verpflichteten Gert B*** gegen die Klägerin ein, die ihren Exszindierungsanspruch auf das von der Anfechtungseinrede betroffene Rechtsgeschäft stütze. Da das Erstgericht infolge seiner vom Berufungsgericht nicht gebilligten Rechtsansicht über die Zulässigkeit der Anfechtungseinrede den Anfechtungsanspruch mit den Parteien nicht erörtert, diesbezüglich angebotene Beweise nicht erhoben und erforderliche Feststellungen nicht getroffen habe, sei mangels der im § 496 Abs 3 ZPO genannten Voraussetzungen nach den Z 2 und 3 der zitierten Gesetzesstelle vorzugehen.
Gegen diesen Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der nach § 519 Abs 1 Z 3 und Abs 2 (§ 502 Abs 4 Z 2) ZPO zulässige Rekurs der Klägerin, der von der Rekursgegnerin trotz ordnungsgemäßer Zustellung nicht beantwortet wurde. Die Rekurswerberin bekämpft ausschließlich die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß der von der Beklagten behauptete Anfechtungsanspruch in diesem Exszindierungsstreit einredeweise geltend gemacht werden könne und beantragt, dem Berufungsgericht eine Sachentscheidung aufzutragen, allenfalls eine solche selbst zu treffen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht begründet.
Rechtshandlungen, die das Vermögen eines Schuldners betreffen, könne nach § 1 AnfO außerhalb des Konkurses nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zum Zwecke der Befriedigung eines Gläubigers angefochten und diesem gegenüber als unwirksam erklärt werden. Nach § 8 Abs 2 leg.cit. kann die Anfechtung durch Klage oder Einrede geltend gemacht werden.
Was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Schuldners entgangen oder daraus veräußert oder aufgegeben worden ist, kann der Gläubiger nach § 13 Abs 1 AnfO soweit für sich beanspruchen, als es zu seiner Befriedigung erforderlich ist; ist dies nicht tunlich, so ist Ersatz zu leisten.
Insbesondere aus dem zitierten § 8 Abs 2 AnfO ergibt sich, daß die Anfechtung auch durch Einrede geltend gemacht werden kann. Die vom Erstgericht und von der Rekurswerberin zu Unrecht für unzulässig gehaltene Anfechtungseinrede des vom Erwerber einer vom Schuldner des im Exszindierungsprozeß beklagten betreibenden Gläubigers angeblich anfechtbar veräußerten Sache stellt, wie zum Beispiel Bartsch-Pollak, Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung3 II, 560 f und Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht2 327 zutreffend ausführen, den Hauptfall der Anfechtungseinrede dar (vgl. auch Heller-Berger-Stix I 152 u., SZ 45/127).
In diesen Einredefällen geht es - anders als in dem der Entscheidung RZ 1958, 57 zugrunde liegenden Fall - nicht darum, daß der von einer dritten Person gegen die Exekution erhobene Widerspruch auf einen Anfechtungsanspruch gegründet wird, sondern darum, daß ein vom Exszindierungskläger behauptetes Recht an dem durch die Exekution betroffenen Gegenstand, das die Vornahme der Exekution unzulässig machen würde, infolge des in der Anfechtungseinrede behaupteten anfechtbaren Erwerbs der beklagten betreibenden Gläubigerin gegenüber als unwirksam zu behandeln und die Exszindierungsklage daher abgewiesen wird.
Der angefochtene Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes war daher zu bestätigen.
Im fortgesetzten Verfahren wird darauf Bedacht zu nehmen sein, daß die Anlaßexekution inzwischen durch die schon erwähnte Ausfolgung des Versteigerungserlöses an die betreibende Partei beendet wurde (Heller-Berger-Stix I 473 f; SZ 53/112 ua). Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO.
Anmerkung
E17718European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00132.85.0219.000Dokumentnummer
JJT_19860219_OGH0002_0030OB00132_8500000_000