TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/30 2003/20/0518

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Veröffentlicht am 30.06.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §15 Abs2 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §15 idF 1999/I/004;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
AVG §68 Abs1;
GO UBAS Art6;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des N in A, geboren 1975, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 2. Juli 2003, Zl. 227.315/8-II/04/03, betreffend Aufhebung eines Bescheides "im Grunde des § 15 Abs. 2 erster Satz, erster Halbsatz, AsylG" sowie Zurückweisung eines Devolutionsantrages "im Grunde des § 15 Abs. 1 AsylG" (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Soweit mit dem angefochtenen Bescheid Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. März 2002 (Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG) aufgehoben und der Devolutionsantrag vom 6. Mai 2003 zurückgewiesen wurde, wird die Beschwerde als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt;

2. zu Recht erkannt:

Im Übrigen - nämlich insoweit, als mit dem angefochtenen Bescheid auch Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. März 2002 (Feststellung der Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan) aufgehoben wurde - wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste im August 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl.

Mit Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. März 2002 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab. Mit Spruchpunkt II. erklärte es die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan für nicht zulässig.

Zugleich mit seiner Berufung gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides beantragte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19. März 2002 die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung durch das Bundesasylamt. Da das Bundesasylamt hierüber nicht entschied, richtete der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 6. Mai 2003 einen Devolutionsantrag an die belangte Behörde.

Schon mit Schreiben vom 29. April 2003 hatte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorgehalten, es sei ihm noch keine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt worden und die belangte Behörde sei "in einem derartigen Fall gehalten ..., auch auf Grund Ihrer lediglich gegen Spruchteil I des angefochtenen Bescheides gerichteten Berufung den gesamten, in Folge Fehlens eines auf § 15 Abs. 1 AsylG gestützten Abspruches unvollständigen Bescheid, demnach auch Spruchteil II des angefochtenen Bescheides, zu beheben".

Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2003 trat der Beschwerdeführer der Absicht der belangten Behörde, den Ausspruch über die Unzulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan aus dem Rechtsbestand zu beseitigen, entgegen. Dieser Ausspruch sei rechtskräftig und seine angekündigte Behebung "ein eklatanter Eingriff in die Rechte des Asylwerbers".

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Juli 2003 behob die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid "im Grunde des § 15 Abs. 2 erster Satz, erster Halbsatz, AsylG" (Spruchpunkt I.). Zugleich wies sie den Devolutionsantrag "im Grunde des § 15 Abs. 1 AsylG" zurück (Spruchpunkt II.).

Die belangte Behörde stützte diese Entscheidung - im Wege von Verweisungen auf frühere, in anderen Asylverfahren ergangene Bescheide - u.a. auf die Ansicht, ihr Vorgehen finde Deckung in näher bezeichneten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes.

Das Bundesasylamt hielt in einem Aktenvermerk fest, seiner Ansicht nach habe Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. März 2002 mangels Bekämpfung mit Berufung von der Behebung des Bescheides durch die belangte Behörde nicht umfasst sein "können". Mit Bescheid vom 2. Jänner 2004 wies es den Asylantrag des Beschwerdeführers abermals gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erteilte ihm - ohne neuerlichen Ausspruch gemäß § 8 AsylG über die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan - gemäß § 15 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt II.). Nur gegen den ersten Spruchpunkt dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21. Jänner 2004 Berufung.

Mit Beschluss vom 8. Juni 2004, B 1369/03-12, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der - parallel zur vorliegenden Beschwerde - an ihn gerichteten Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juli 2003 ab.

Der Verfassungsgerichtshof führte zunächst aus, durch die Zurückweisung des Devolutionsantrages sei der Beschwerdeführer im Hinblick auf die inzwischen vom Bundesasylamt erteilte Aufenthaltsberechtigung nicht mehr beschwert.

Zur Behebung des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. März 2002 durch die belangte Behörde hieß es im Ablehnungsbeschluss:

"Die zum Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind ... nicht anzustellen. Gleiches gilt auch für die Frage, ob das Bundesasylamt in Befolgung der Rechtsansicht des UBAS die Feststellung über die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung hätte wiederholen müssen oder ob durch die Nichtanfechtung des Spruchpunktes II des Bescheides des Bundesasylamtes vom 5. März 2002 dieser ohnehin rechtskräftig wurde und daher vom angefochtenen Bescheid des UBAS nicht mehr berührt war."

Mit Bescheid vom 16. September 2004 behob die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer mit Berufung bekämpften ersten Spruchpunkt des Bescheides vom 2. Jänner 2004 (betreffend die neuerliche Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG) gemäß § 66 Abs. 2 AVG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

Am 23. September 2004 legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift, in der sie auch auf einen Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 27. August 2004, betreffend die teilweise Klaglosstellung durch den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Jänner 2004, replizierte, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vor.

Der Beschwerdeführer erstattete mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2004 eine Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde, worauf diese mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2004 antwortete.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer ist - auch seiner eigenen Ansicht nach - durch die Behebung von Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. März 2002, die Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG betreffend, sowie durch die Zurückweisung des Devolutionsantrages auf Grund der inzwischen ergangenen Entscheidungen des Bundesasylamtes und der belangten Behörde nicht mehr beschwert. Insoweit war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG die Beschwerde als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

Hingegen ist der Beschwerdeführer nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes weiterhin dadurch beschwert, dass mit dem angefochtenen Bescheid auch Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. März 2002, mit dem die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan für unzulässig erklärt worden war, aufgehoben wurde. Dieses Vorgehen entsprach aus den im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2004/20/0055, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegten Gründen nicht dem Gesetz.

Der nicht erkennbar bloß auf die Auslegung des angefochtenen Bescheides abzielenden Erwägung des Verfassungsgerichtshofes, der erstinstanzliche Bescheid sei in dem genannten Spruchpunkt, sofern dieser bereits rechtskräftig geworden war, durch die Entscheidung der belangten Behörde allenfalls "nicht mehr berührt" gewesen, vermag der Verwaltungsgerichtshof jedenfalls nicht in dem Sinn zu folgen, dass sich eine diesbezügliche Aufhebung des angefochtenen Bescheides erübrigen würde. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt vielmehr an, dass es in einem solchen Fall der Beseitigung des Ausspruches der Berufungsbehörde bedarf, um dem Eingriff in die Rechtskraft die Wirksamkeit zu nehmen.

Aus den im zuvor genannten Erkenntnis vom heutigen Tag genannten Gründen war der angefochtene Bescheid daher insoweit, als damit Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. März 2002 behoben wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Mit Recht wendet sich die vorliegende Beschwerde aber auch dagegen, dass im angefochtenen Bescheid statt einer näheren Begründung der getroffenen Entscheidung auf einen in einem anderen Asylverfahren ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 10. März 2003 (nämlich den mit dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/20/0336, aufgehobenen) verwiesen wird, den der Beschwerdeführer nicht kennen konnte und der überdies in Bezug auf die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides auf einen - im hier angefochtenen Bescheid nicht mehr erwähnten - Bescheid vom 10. Dezember 2002 weiterverweist. Der von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang zitierte "Art. 5 letzter Absatz" (gemeint ist offenbar Art. 6 vorletzter Absatz) ihrer Geschäftsordnung befreit sie nicht von der gesetzlichen Verpflichtung, ihre Bescheide in einer für die Partei nachvollziehbaren Weise zu begründen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. Juni 2005

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Gegenseitige Beziehung: VwGH - VfGHBesondere RechtsgebieteRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003200518.X00

Im RIS seit

28.07.2005

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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