Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller Alois B***, Pensionist, und Maria B***, Hausfrau, beide Telfes 92, beide vertreten durch Dr. Helmut Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider den Antragsgegner Ludwig T***, Gastwirt, Telfes 35, vertreten durch Dr. Walter Anderl, Rechtsanwalt in Mayrhofen, wegen Ersetzung der Zustimmung zu einem Bauansuchen, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 12.Juli 1985, GZ 3 b R 151/84-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 29.August 1984, GZ 4 Nc 2262/84-7, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt wird.
Text
Begründung:
Die Antragsteller einerseits und der Antragsgegner andererseits sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 184 II KG Telfes, zu der das Haus Telfes 35 gehört. Bei diesem Haus handelt es sich um ein altes Bauernhaus, an dem materiell geteiltes Eigentum besteht. Der Antragsgegner ist Eigentümer des materiellen Anteiles 1, der im wesentlichen die Räumlichkeiten im Erdgeschoß umfaßt, während die Antragsteller je zur Hälfte Miteigentümer des materiellen Anteiles 2 mit den Räumlichkeiten im ersten Stock des Hauses sind. Der Antragsgegner baute einen Teil der Parterreräume in ein Gasthaus um, der Betrieb wurde um Ostern 1979 eröffnet. Vom Umbau waren auch die WC-Anlagen im Erdgeschoß umfaßt, wobei zwei Stützmauern zur Unterfangung der Decke aufgeführt wurden. Die umgebauten WC-Anlagen bestehen aus einem Pissoir und zwei abgeschlossenen WC-Räumen für Damen und Herren; dazu kommt jeweils ein Vorraum mit einer Waschgelegenheit. Dem Antrag des Antragsgegners auf nachträgliche baubehördliche Bewilligung der vorgenommenen Baumaßnahmen versagten die Antragsteller ihre Zustimmung. Sein Antrag auf Ersetzung der Zustimmung der Antragsteller durch Ausspruch des Außerstreitrichters im Sinne des § 835 ABGB wurde mit der Begründung rechtskräftig zurückgewiesen, daß es einem Miteigentümer verwehrt ist, die rechtsgestaltende Tätigkeit des Außerstreitrichters mit dem Ziel in Anspruch zu nehmen, eine Sanktion bereits durchgeführter Veränderungen zu erwirken (6 Ob 537/82 in 2 Nc 302/80 des Erstgerichtes).
Nunmehr beabsichtigen die Antragsteller anstelle des in ihrem materiellen Anteil gelegenen Fallklosettes ein zeitgemäßes WC zu errichten und begehren, die mangelnde Zustimmung des Antragsgegners zu dem diesbezüglichen Bauansuchen durch Gerichtsbeschluß zu ersetzen.
Der Antragsgegner beantragt, dem Begehren nur unter der Auflage stattzugeben, daß auch die Antragsteller seinem nachträglichen Bauansuchen zustimmen. Er habe gegen die Errichtung einer WC-Anlage im materiellen Anteil der Antragsteller nichts einzuwenden. Diese Maßnahme sei für ihn nicht nachteilig und für den gemeinsamen Besitz sicher vorteilhaft. Die infolge Versagung der Zustimmung der Antragsteller zum Bauansuchen des Antragsgegners erforderliche Beseitigung der vom Antragsgegner in seinem Anteil bereits hergestellten WC-Anlagen würde aber für die gemeinschaftliche Liegenschaft einen großen Nachteil darstellen. Die Stattgebung des Antrages ohne Sicherheitsleistung durch die begehrte Auflage wäre eine grobe Unbilligkeit.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Begehrens der Antragsteller und wies das Begehren des Antragsgegners ab. Es legte seiner Entscheidung zugrunde, daß die Errichtung der WC-Anlage im Obergeschoß den gesamten Interessen aller Miteigentümer zuträglich sei. Der Antragsgegner billige den Wunsch der Antragsteller nach einer zeitgemäßen, den hygienischen Erfordernissen entsprechenden WC-Anlage. Die Errichtung einer solchen Anlage sei auch für den Antragsgegner von Vorteil, weil dadurch die mit der Räumung des alten Fallklosetts verbundenen Unannehmlichkeiten ein Ende hätten. Durch den baulichen Eingriff werde der Antragsgegner in seinem Hausanteil im Erdgeschoß nicht berührt.
Nach Auffassung des Erstgerichtes zählten Bauansuchen zu den wichtigen Veränderungen an der gemeinschaftlichen Sache, bei denen die mangelnde Zustimmung eines Miteigentümers durch Gerichtsbeschluß ersetzt werden könne, wenn die beabsichtigte Baumaßnahme im Einzelfall notwendig und zweckmäßig sei, wenn sie der besseren Benützung der Gesamtsache diene und im Interesse aller Miteigentümer gelegen sei. Diese Voraussetzungen seien gegeben. Das Begehren des Antragsgegners gehe über den dem Außerstreitrichter bei der Auferlegung einer Sicherheit zu beachtenden Billigkeitsgrundsatz hinaus und würde zu einer Umgehung der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung führen.
Das Rekursgericht teilte zwar die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, hob jedoch den erstgerichtlichen Beschluß zur Prüfung der Frage auf, ob die von den Antragstellern in Aussicht genommenen Baumaßnahmen überhaupt einer Entscheidung nach § 835 ABGB bedürften. Bei materiell geteiltem Eigentum seien die Bestimmungen der §§ 833 f ABGB nur auf die in echtem Miteigentum stehenden gemeinschaftlichen Teile sinngemäß anzuwenden, nicht aber auf die im materiellen Eigentum stehenden Gebäudeteile. Das Verfahren sei daher dahin ergänzungsbedürftig, ob durch die von den Antragstellern beabsichtigten Baumaßnahmen überhaupt im echten Miteigentum stehende Liegenschaftsteile betroffen würden. Sei letzteres nicht der Fall, sei der Antrag zurückzuweisen, da diesfalls eine Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners zu den beabsichtigten Baumaßnahmen der Antragsteller durch richterlichen Ausspruch nicht in Betracht käme. Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Antragsteller ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat zwar in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 3 Ob 559/82 betreffend die Klage des Antragsgegners auf Zivilteilung der Liegenschaft ausgesprochen, daß beim sogenannten Stockwerkseigentum hinsichtlich der auf die materiellen Anteile aufgeteilten Gebäudeteile kein echtes Miteigentum besteht und nur an einzelnen nicht den einzelnen materiellen Anteilen zugewiesenen Teilen des Gebäudes, vor allem aber an Grund und Boden selbst, echtes Miteigentum gegeben ist, weshalb die Bestimmungen der §§ 833 f ABGB nur hinsichtlich der gemeinschaftlichen Teile anzuwenden sind. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß das Begehren der Antragsteller zurückzuweisen ist, wenn von den von ihnen beabsichtigten Baumaßnahmen nicht auch im echten Miteigentum stehende Gebäudeteile betroffen werden. Das Begehren der Antragsteller ist auf Ersatz der fehlenden Zustimmung des Miteigentümers zum Bauansuchen der Antragsteller gerichtet. Nach § 25 der Tiroler Bauordnung bedürfen neben dem Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden (lit. a) auch sonstige Änderungen von Gebäuden der Bewilligung der Baubehörde, soweit sie die Festigkeit, Feuersicherheit, die sanitären Verhältnisse oder das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes beeinflussen (lit. b). Dem Bauansuchen ist nach § 27 Abs.2 lit. b der Tiroler Bauordnung die Zustimmung des Grundeigentümers anzuschließen. Besteht an der Liegenschaft Miteigentum, so ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer nachzuweisen (JBl.1955, 284 mwN). Die erforderliche Zustimmung eines Miteigentümers zum Antrag des anderen Miteigentümers auf Erteilung einer Baubewilligung ist - im Falle ihrer Verweigerung - durch den nach § 835 ABGB ergehenden richterlichen Beschluß zu ersetzen (SZ 43/91; JBl.1955, 284).
Zur Beurteilung der Anwendbarkeit des § 835 ABGB bedarf es daher nicht der vom Rekursgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung. Da im übrigen das Rekursgericht die Sache schon meritorisch behandelte, kann auch der Oberste Gerichtshof eine Sachentscheidung treffen, weil die Zurückverweisung an die zweite Instanz nur eine überflüssige Formalität wäre (vgl. JBl.1975, 549). Bei Außerachtlassung des nicht gerechtfertigten Aufhebungsgrundes durch das Rekursgericht wäre nach dessen Rechtsansicht der erstgerichtliche Beschluß zu bestätigen. In diesem Falle käme gegen die Entscheidung der zweiten Instanz nur ein Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG in Betracht, dessen Voraussetzungen aber nicht gegeben sind.
Demgemäß ist dem Revisionsrekurs der Antragsteller Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Anmerkung
E07651European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00518.86.0220.000Dokumentnummer
JJT_19860220_OGH0002_0070OB00518_8600000_000