TE OGH 1986/2/27 8Ob506/86

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Veröffentlicht am 27.02.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Walter N***, Maschinenbauingenieur, Glaserstraße 15, 5020 Salzburg, vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Rudolf M***, Rechtsanwalt, 5020 Salzburg, Schalmooser-Hauptstraße Nr. 8, vertreten durch Dr. Rudolf Zitta, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 337.500,- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 17. September 1985, GZ 4 R 149/85-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15. Februar 1985, GZ 3 Cg 45/81-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 12.293,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von S 960,-, die Umsatzsteuer von S 1.030,35) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem Kaufvertrag vom 16.6.1978 erwarb der Kläger von den Ehegatten Rupert und Marianne H*** die Liegenschaft EZ 1783 KG Aigen, bestehend aus den Grundstücken 324/11 und 331/20 je Wiese samt der darauf befindlichen Liftanlage. Mit der Errichtung und Durchführung dieses Kaufvertrages beauftragten die Vertragsteile den Beklagten.

Der Kläger begehrte vom Beklagten die Bezahlung von S 337.500.-s.A. Der Beklagte habe es unterlassen, die Vertragsparteien über das Bestehen der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes über das Grundstück 324/11 und der Reallast der Zaunerhaltung sowie des Anschlusses an die Abwasseranlage zugunsten der Liegenschaft EZ 1241 KG Aigen in Kenntnis zu setzen und ihnen die notwendigen rechtlichen Erläuterungen und Aufklärungen zu geben; dazu wäre er als Rechtsanwalt verpflichtet gewesen. Die Belastungen seien bei der Vertragserrichtung den Vertragsparteien nicht bekannt gewesen. Der Kaufvertrag sei daher in Unkenntnis dieser Belastungen unterschrieben worden. Diese Belastungen stellten eine erhebliche Wertminderung der Liegenschaft dar; die Wertminderung betrage S 200.000,-. Neben der Wertminderung beanspruche der Kläger noch den Ersatz des Betrages, den er zum Ankauf des Geh- und Fahrrechtes aufwenden habe müssen; dies seien S 137.500,-. Wenn der Kläger auf diese Belastungen aufmerksam gemacht worden wäre, hätte er das Grundstück nicht gekauft oder aber zu einem wesentlich geringeren Preis.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe den Kaufvertrag auf Grund der Information und der Angaben des Klägers errichtet. Diesem seien die Belastungen der Liegenschaft genau bekannt gewesen; er sei damit einverstanden gewesen, daß diese Lasten ihn als Käufer treffen. Der Weg sei auch in der Natur genau ersichtlich. Der Kläger habe die Liegenschaft und das Gebäude vor dem Kauf besichtigt; er habe die Liegenschaft so erwerben wollen, wie sie liegt und steht. Die Übernahme der Lasten sei bereits im Entwurf des Kaufvertrages enthalten gewesen. Das Klagebegehren sei auch der Höhe nach nicht berechtigt. Dem Kläger sei kein Schaden entstanden; er habe die Liegenschaft um S 1,000.000,- erworben und in der Folge um S 3,560.000,- weiterverkauft.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf

nachstehende - gerafft dargestellte - Feststellungen:

Die Voreigentümer der Liegenschaft, Marianne und Rupert H***, beabsichtigten, ihre Liegenschaft zu verkaufen. Der Kläger interessierte sich im Spätherbst 1977 für die Liegenschaft und beabsichtigte zunächst, diese samt dem darauf befindlichen Objekt zu mieten. Im Laufe der Gespräche kam es dazu, daß der Kläger die Liegenschaft ankaufen wollte; er beabsichtigte dies auch. Im Bereich des strittigen Geh- und Fahrweges war im Zeitpunkt seiner Besichtigung in der Natur ein Weg ersichtlich, der mit Schotter befestigt, teilweise jedoch auch mit Gras überwachsen war. Dieser damals in der Natur erkennbare Weg war keinesfalls nur ein Pfad, sondern so ausgestaltet, daß man erkennen konnte, daß er - wenn auch wenig - mit Fahrzeugen befahrbar war. Am 16.1.1978 stellte der Kläger den Ehegatten H*** ein schriftliches, verbindliches Kaufangebot mit folgendem Inhalt:

"1. Herr N*** erwirbt die oben angeführte Liegenschaft zum Preis von S 1,000.000,- im Zustand wie am heutigen Tag. 2. Der Käufer verpflichtet sich, bis längstens 30.6.1978 einen Kaufvertrag errichten zu lassen und übernimmt auch sämtliche damit verbundenen Steuern und Gebühren. 3. Der Kaufpreis wird bei Vertragsunterzeichnung zur Zahlung fällig und erfolgt die Abwicklung treuhändig über den Vertragserrichter. 4. Bei Annahme dieses Angebotes durch die Verkäufer gilt es für beide Teile als verbindlich." Dieses Kaufangebot trägt die eigenhändige Unterschrift des Klägers und der Ehegatten H***.

Als Vertragserrichter wurde in der Folge der Beklagte beauftragt. Am 3.4.1978 erschien der Kläger in der Kanzlei des Beklagten und erteilte diesem folgende Information: Er beabsichtige, von den Ehegatten Rupert und Marianne H*** die Liegenschaft EZ 1783 KG Aigen, bestehend aus den Parzellen 324/11 und 331/20 je Wiese samt dem darauf befindlichen Haus (frühere Liftstation des Gaisbergliftes) um den Pauschalpreis von S 1,000.000,- käuflich zu erwerben. Die auf der Liegenschaft bestehenden Lasten, nämlich Dienstbarkeiten, würden von ihm übernommen. Der Kaufpreis von S 1,000.000,- sei wie folgt zu berichtigen: Der Betrag von S 300.000,- bei Unterfertigung des Vertrages, die restlichen S 700.000,- bei Eintragung ins Grundbuch. Die Liegenschaft werde so, wie sie liegt und steht, erworben. Die Verkäufer haften für die Größe, nicht aber für eine bestimmte Beschaffenheit der Liegenschaft. Das Haus sei vom Kläger besichtigt worden und der Zustand sei ihm bekannt. Er beabsichtige, das vorhandene Haus als seine Wohnung und für Büro- und Lagerzwecke auszubauen. Die Kosten des Vertrages und die Grunderwerbssteuer übernehme er. Ferner werde auf die Anfechtung wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes verzichtet. Der Vertrag solle bis Ende nächster Woche fertig gestellt werden. Die Finanzierung erfolge über ein Darlehen bei der Raiffeisenkasse, welches im Falle des Abrufes jederzeit zur Verfügung stehe. Es sei eine Bauplatzerklärung aus dem Jahre 1932 vorhanden.

Mit dem Schreiben vom 7.4.1978 übersandte der Beklagte dem Kläger einen Entwurf eines Kaufvertrages mit dem Ersuchen, diesen Entwurf mit den Ehegatten H*** zu besprechen. Dieser Entwurf weist unter anderem den Inhalt auf, daß Rupert und Marianne H*** die ihnen je zur Hälfte gehörige Liegenschaft EZ 1783 KG Aigen wie sie liegt und steht mit allen ihren Rechten und Pflichten samt Zugehör gegen den einvernehmlich festgelegten Kaufpreis von S 1,000.000,- an den Kläger verkaufen und dieser die Liegenschaft um diesen Preis kauft. Der § 4 dieses Entwurfes lautet: "Gewährleistung: Die Verkäufer leisten Gewähr dafür, daß das Kaufobjekt mit Ausnahme der im C-Blatt eingetragenen Dienstbarkeiten, welche dem Käufer bekannt sind, lastenfrei an den Käufer übergeht; die Verkäufer verpflichten sich, eventuelle Haftungen auf dem Kaufobjekt auf eigene Kosten ungesäumt zur bücherlichen Löschung zu bringen." Dieser Vertragsentwurf trägt kein Datum und ist nicht unterfertigt. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Entwurfes war dem Beklagten nicht bekannt, daß zwischen den Streitteilen bereits ein schriftliches Kaufangebot vom 16.1.1978 bestand; dies wurde ihm von keiner Seite mitgeteilt. Im Zeitpunkt der Erstellung dieses Entwurfes war der Beklagte bereits im Besitze eines Grundbuchsauszuges der Liegenschaft. Dieser Grundbuchsauszug wurde ihm vom Kläger übergeben. Dieser war auch in Kenntnis des Inhaltes dieses Grundbuchsauszuges; dem Kläger war bekannt, daß die strittige Dienstbarkeit und die Reallasten verbüchert sind. Bei diesen Belastungen handelt es sich um eine auf der Liegenschaft 1783 KG Aigen als dienendem Grundstück verbücherte Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes über das Grundstück 324/11 Wiese, die Reallast der Zaunerhaltung sowie des Anschlusses an die Abwässeranlage (richtig: Dienstbarkeit des Anschlusses an die Abwässeranlage auf dem Grundstück 324/11) je zugunsten der Liegenschaft EZ 1241 KG Aigen als herrschendem Grundstück.

In der Folge wurde dann vom Beklagten der Kaufvertrag verfaßt. Noch vor der Unterfertigung dieses Kaufvertrages kam es zu einer Besprechung beim Beklagten; dabei wurde vom Beklagten der Kaufvertrag vollinhaltlich vorgelesen. Es kam dabei aber zu keiner Erörterung der Angelegenheit der Dienstbarkeiten bzw. Reallasten. Am 16.6.1978 wurde der Kaufvertrag notariell beglaubigt unterfertigt. Der Kläger unterfertigte dabei diesen Kaufvertrag in voller Kenntnis des Inhaltes des § 4 "Gewährleistung". Dieser Kaufvertrag weist den gleichen Inhalt wie der Entwurf des Kaufvertrages auf.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß der Beklagte davon ausgehen konnte, der Kläger habe volle Kenntnis der Dienstbarkeiten und Reallasten gehabt. Es sei ihm auch die Bedeutung des § 4 des Kaufvertrages über die Gewährleistung bekannt gewesen. Der Beklagte habe daher Erläuterungen und Aufklärungen unterlassen können. Von einer schuldhaften Verletzung der Berufspflichten könne keine Rede sein; es bestehe daher keine Verpflichtung zum Schadenersatz.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Auf der Grundlage der Feststellungen des Erstgerichtes führte es rechtlich aus, daß den Rechtsanwalt als Vertragsverfasser Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten treffen; er müsse den Käufer über die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Vertrages sowie allenfalls dagegensprechende Bedenken in verständlicher Weise aufklären und darauf bedacht sein, diesen vor Nachteilen zu bewahren und für seine rechtliche und tatsächliche Sicherheit sorgen. Auf Grund der getroffenen Feststellungen habe aber der Beklagte annehmen können und müssen, daß der Kläger über die von ihm zu übernehmenden Dienstbarkeiten und Reallasten voll informiert war. Der Kläger sei von Beruf Maschinenbauingenieur; bei der gegebenen Sachlage seien ihm die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Dienstbarkeiten und Reallasten auch ohne weitere Aufklärung durch den Vertragsverfasser bekannt gewesen. Von einer unzulänglichen Belehrung durch den Beklagten könne daher nicht gesprochen werden. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das Berufungsurteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger stellt sich auf den Standpunkt, daß den Beklagten als Vertragsverfasser unter allen Umständen die Pflicht zur Aufklärung und Belehrung getroffen habe; der Beklagte hätte ihn daher aufklären müssen, daß er die Dienstbarkeiten und Reallasten übernehmen müsse. Der Kläger übersieht dabei, daß er damit bloß eine Aufklärung über tatsächliche Umstände anstrebt, die er ohnedies bereits kannte. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes (S 17 des Berufungsurteiles, vgl. auch S 15, 16 und 17 des Ersturteiles) war der Kläger in Liegenschaftsangelegenheiten "sehr wohl versiert", er hatte vor dem Entschluß, die Liegenschaft zu kaufen, umfangreiche Ermittlungen gepflogen und war über den von ihm zu übernehmenden Umfang der Dienstbarkeiten und Reallasten "voll in Kenntnis". Die Annahme, daß eine Person bestimmte Umstände kannte oder nicht, gewisse Vorstellungen besaß oder nicht und willensmäßig konkrete Zielsetzungen verfolgte oder nicht, gehört in den Bereich der Tatsachenfeststellungen (8 Ob 518/82 ua.). Die von den Vorinstanzen erhobene Beweislage muß der Kläger gegen sich gelten lassen, weil im Revisionsverfahren Beweisfragen nicht mehr überprüfbar sind.

Geht man aber von den getroffenen Feststellungen aus, kann dem Beklagten ein Schadenersatz begründendes Verhalten nicht angelastet werden. Gewiß ist es richtig, daß er als Rechtsanwalt bei der Vertragsverfassung im besonderen Maße darauf bedacht sein mußte, die Vertragspartner und damit auch den Kläger vor Nachteilen zu schützen und für dessen rechtliche und tatsächliche Sicherung zu sorgen (1 Ob 248/72 ua.); dies kann aber nicht so weit führen, daß von ihm verlangt werden müßte, den Kläger über Umstände aufzuklären, die dieser kannte und auf Grund deren der Beklagte wußte, daß dem Kläger jegliche erforderliche Kenntnis über die wirtschaftliche und rechtliche Tragweite des abzuschließenden Vertrages zu Gebote stand. Demgemäß haben beide Vorinstanzen in zutreffender Weise einen Verstoß des Beklagten gegen seine aus § 1299 ABGB abzuleitende Aufklärungspflicht verneint.

Der Revision des Klägers war somit der Erfolg zu versagen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E07812

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00506.86.0227.000

Dokumentnummer

JJT_19860227_OGH0002_0080OB00506_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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