Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuderna und Dr.Gamerith sowie die Beisitzer Prof.Dr.Robert Halpern und Dr.Walter Geppert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rainer N***, Frastanz, Im Buchholz 5, vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei prot.Fa. Herbert S*** in Feldkirch-Tisis, Rappenwaldstraße 6, vertreten durch Dr.Wolfgang Ölz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen restl. 28.572,64 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 19. November 1985, GZ Cga 33/85-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Feldkirch vom 2. Juli 1985, GZ Cr 416/84-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.069,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind 240 S an Barauslagen und 257,25 S an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt vom Beklagten, seinem ehemaligen Arbeitgeber, die Zahlung eines Betrages von 31.199,56 S brutto samt Anhang an Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung mit der Behauptung, am 10.Mai 1984 während der bis 30.Juni 1984 währenden Behaltezeit ungerechtfertigt entlassen worden zu sein.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Entlassung sei deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger häufig verspätet zur Arbeit erschienen sei und wiederholt mangelhafte Arbeitsleistungen erbracht habe.
Das Erstgericht sprach dem Kläger einen Teilbetrag von 28.572,64 S sA zu und wies (insoweit rechtskräftig) ein (die Urlaubsentschädigung betreffendes) Mehrbegehren von 2.626,91 S sA ab. Es traf folgende wesentlichen Feststellungen:
Der Kläger erlernte in der Zeit vom 1.September 1980 bis 29. Februar 1984 im Betrieb des Beklagten den Lehrberuf eines Kraftfahrzeugmechanikers. Daran schloß vom 1.März bis 30.Juni 1984 die gesetzliche Behaltezeit.
Während der Lehrzeit wurde der Kläger öfters wegen verspäteten Arbeitsantritts ermahnt. Nach Beendigung der Lehrzeit ist der Kläger nicht mehr verspätet erschienen.
Im Feber 1984 erhielt der Kläger vom Beklagten den Auftrag, an einem PKW die Vorderreifen zu montieren. Ob der Kläger diese Arbeiten allein oder mit einem anderen Lehrling verrichtet hat, kann nicht festgestellt werden. Die Radschrauben wurden an diesem Wagen so locker angezogen, daß die Räder schon auf der Fahrt vom Betrieb zu schlagen begannen.
Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Feber oder in der ersten Märzhälfte 1984 erhielt der Kläger den Auftrag, an einem Citroen-Arcadiane die Kupplung zu erneuern. Nach der vom Kläger durchgeführten Reparatur wurden von dem betreffenden Kunden mehrere Beanstandungen vorgenommen. Der Beklagte hatte schon bei der Probefahrt festgestellt, daß der Kläger die Stoßstange nicht fest genug montiert hatte. Über Auftrag des Beklagten zog der Kläger die Schrauben der Stoßstange fest an. Zwei Tage darauf brachte der Kunde den Wagen zurück, weil er keinen Strom hatte; der Kläger hatte nach dem Einbau des Motors die Lichtmaschine nicht angeschlossen. Etwa fünf Tage später brachte der Kunde den Wagen neuerlich in die Werkstätte zurück, weil das vom Kläger montierte Kupplungsseil aus seiner Halterung herausgesprungen war. Ein drittes Mal brachte der Kunde den Wagen zurück, weil sich infolge mangelhaften Anziehens der Schrauben der Auspuff gelöst hatte. Der Beklagte drohte hierauf dem Kläger für den Fall, daß sich ein ähnlicher Vorfall ereignen sollte, an, daß "Schluß" sei. Der Kläger war vom Beklagten schon öfters ermahnt worden, Reparaturarbeiten exakter durchzuführen, widrigenfalls er entlassen würde.
Am 9. Mai 1984 erteilte der Beklagte dem Kläger den Auftrag, an einem Ford-Escort - Reparaturen an Fahrzeugen der Marke Ford werden im Betrieb des Beklagten äußerst selten durchgeführt - ein abgerissenes Kupplungsseil durch ein neues zu ersetzen. Der Kläger nahm die Reparatur vor, und nach einer vom Beklagten durchgeführten Probefahrt wurde der Wagen vom Kunden abgeholt. Am nächsten Tag verständigte der Kunde den Beklagten, daß die Kupplung nicht funktioniere. Nachdem der Beklagte den Wagen in die Werkstätte gebracht hatte, wurde festgestellt, daß der Kläger das Kupplungsseil derart eingehängt hatte, daß es aus der Halterung herausgesprungen war. Das ordnungsgemäße Einhängen des Seiles dauerte sodann fünf Minuten. Kurz darauf wurde vom Beklagten die Entlassung des Klägers unter Hinweis auf die nicht ordnungsgemäß durchgeführte Reparatur ausgesprochen. Der Kläger war im Zeitpunkt der gegenständlichen Vorfälle 18 Jahre alt. Der Beklagte hat auch andere Arbeitnehmer seines Betriebes wegen mangelhafter Reparaturarbeiten beanstandet. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, eine beharrliche Pflichtenverletzung im Sinne des zweiten Tatbestandes des § 82 lit f GewO 1859 läge nicht zuletzt im Hinblick auf die Jugend des Klägers und die eben erst abgeschlossene Lehrzeit nicht vor, sodaß das Klagebegehren - bis auf einen Teil der Urlaubsentschädigung - berechtigt sei.
Das Berufungsgericht änderte den dem Klagebegehren stattgebenden Teil dieser Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf, wie den Entscheidungsgründen schlüssig entnommen werden kann, die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Abweichend von diesem vertrat es aber die Rechtsansicht, die Entlassung sei gerechtfertigt, weil sich der Kläger nachhaltige Nachlässigkeiten bei der Vornahme von Reparaturarbeiten habe zuschulden kommen lassen. Dies rechtfertige die Annahme einer beharrlichen Pflichtenvernachlässigung. Dem Beklagten könne die Weiterbeschäftigung des Klägers während des noch übrigen Teiles der Behaltezeit nicht nur im Hinblick auf den Ruf des Betriebes, sondern vor allem auch wegen der mit den mangelhaften Arbeitsleistungen verbundenen möglichen Gefahren nicht zugemutet werden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die nur aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, dem restlichen Klagebegehren stattzugeben. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das dem Kläger vom Beklagten vorgeworfene und vom Berufungsgericht festgestellte Verhalten des Klägers ist unter dem Gesichtspunkt des zweiten Tatbestandes des § 82 lit f GewO 1859 - die Geltung dieser Bestimmung wurde durch den § 376 Z 47 GewO 1973 aufrechterhalten - zu prüfen. Unter der in diesem Entlassungstatbestand geregelten beharrlichen Vernachlässigung der Pflichten ist die Nichterfüllung oder nicht gehörige Erfüllung der den Arbeitnehmer insbesondere aus dem Arbeitsvertrag treffenden, mit der Ausübung des Dienstes verbundenen und ihm zumutbaren Pflichten zu verstehen. Dazu gehört auch die Nichtbefolgung oder nicht gehörige Befolgung einer durch den Gegenstand der Arbeitsleistung und die Besonderheit des Betriebes gerechtfertigten Anordnung des Arbeitgebers. Zur Erfüllung der Tatbestandsmäßigkeit ist es notwendig, daß die Vernachlässigung der Pflichten beharrlich erfolgt ist. Darunter ist die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des in der Vernachlässigung der Pflichten zum Ausdruck gelangenden, auf die Verletzung der Pflichten gerichteten Willens zu verstehen. Daraus folgt, daß sich die Vernachlässigung der Pflichten entweder wiederholt ereignet haben oder von derart schwerwiegender Art sein muß, daß auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Arbeitnehmers mit Grund geschlossen werden kann. Vor dem Ausspruch der Entlassung muß daher der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber oder von dessen Vertreter in der Regel ermahnt oder wiederholt zur Erfüllung seiner Pflichten aufgefordert worden sein. Eine Ermahnung kann nur dann unterbleiben, wenn die Weigerung derart eindeutig und endgültig ist, daß eine Ermahnung als bloße Formalität sinnlos erscheinen müßte (Kuderna, Das Entlassungsrecht, 72 f. mwH; Arb. 10.222, 9.691, 9.493 ua).
Diese Voraussetzungen liegen hier, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, vor. Der Kläger hat sowohl bei dem am 9.Mai 1984 als auch bei den im Feber oder z.T. in der ersten Märzhälfte durchgeführten Reparaturarbeiten die ihm erteilten Aufträge derart mangelhaft erfüllt, daß die betreffenden Kunden ihre Wagen zur Behebung der dem Kläger unterlaufenen Fehler in die Werkstätte zurückbringen mußten. Hiebei handelte es sich nicht um komplizierte Arbeiten, die dem Kläger in Anbetracht seiner Jugend und seiner eben erst vollendeten Lehrzeit etwa nicht zumutbar gewesen wären oder die ihn vor besondere Schwierigkeiten hätten stellen können. So hat der Kläger in zwei Fällen das Kupplungsseil derart fehlerhaft in die Haltevorrichtung eingehängt, daß es bald darauf herausgesprungen ist. Er hätte angesichts des ihm schon einmal unterlaufenen Fehlers jedenfalls die zweite derartige Reparatur mit besonderer Sorgfalt durchführen müssen, um nicht den gleichen Fehler wieder zu begehen. Der Kläger hat aber auch ganz einfache Arbeiten, die ein besonderes Fachwissen nicht voraussetzten, ungeachtet der ihm wiederholt erteilten Ermahnungen und der Androhung der Entlassung derart schlampig ausgeführt, daß berechtigte Kundenreklamationen die Folge waren. So hat er die Schrauben einer Stoßstange und jene der Auspuffvorrichtung eines PKWs nicht genügend angezogen und eine Lichtmaschine nicht angeschlossen. In einem anderen Fall hat er die Schrauben zweier Vorderräder entweder selbst nicht ordnungsgemäß angezogen oder, falls er diese Arbeiten gemeinsam mit einem anderen Lehrling durchgeführt hatte, im Hinblick auf den ihm vom Beklagten erteilten Arbeitsauftrag deren ordnungsgemäßen Sitz nicht überprüft. Bei einer dieser Reparaturarbeiten mußte der PKW dreimal wegen der aufgetretenen Mängel in die Werkstätte des Beklagten zurückgebracht werden. Alle diese dem Kläger unterlaufenen Fehler hätten bei Befolgung der ihm erteilten Weisungen und wenn er den für eine sorgfältige Arbeit notwendigen Willen aufgebracht hätte, vermieden werden können. Sie beruhten wegen ihrer Wiederholung auf einer beharrlichen Pflichtenverletzung im oben erwähnten Sinn und ließen mit Rücksicht auf die nachhaltige Nachlässigkeit des Klägers und die Gefahren, die sich für die Kunden des Beklagten daraus ergeben, eine Weiterbeschäftigung des Klägers auch nicht während der restlichen Behaltezeit zumutbar erscheinen. Seine Entlassung ist daher aus dem Grunde des zweiten Tatbestandes des § 82 lit f GewO 1859 gerechtfertigt, sodaß dem auf der Annahme einer ungerechtfertigten Entlassung beruhenden Klagebegehren die Grundlage fehlt. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E07777European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00018.86.0304.000Dokumentnummer
JJT_19860304_OGH0002_0140OB00018_8600000_000