Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Schobel, Dr.Melber und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Elisabeth T***, Sekretärin, Amraserstraße 132, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr.Michael Leuprecht, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider den Antragsgegner Sepp T***, Angestellter, Amraserstraße 132, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr.Gerhard Dorer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 6.Dezember 1985, GZ 3 b R 186/85-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 4.Oktober 1985, GZ 4 F 8/85-6, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind gleich Kosten des zu ergänzenden Verfahrens zu behandeln.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin, deren am 31.Oktober 1966 geschlossene Ehe mit dem Antragsgegner mit Urteil vom 13.März 1985 aus beiderseitigem Verschulden geschieden wurde, beantragte, ihr die Ehewohnung und den darin befindlichen Hausrat zuzuweisen.
Der Antragsgegner stellte den Antrag, ihm die Ehewohnung, der Antragstellerin aber lediglich ein Viertel des Hausrates zuzuweisen. Er vertrat die Ansicht, er könnte ein Zimmer der Ehewohnung benützen, der Antragstellerin und den Kindern sollten die übrigen Zimmer zur Verfügung stehen. Die Nebenräume müßten allerdings gemeinsam benützt werden.
Das Erstgericht wies die Ehewohnung und den Hausrat der Antragstellerin zu und sprach aus, daß diese an Stelle des Antragsgegners in das Mietverhältnis eintrete, weiters, daß die Antragstellerin im Innenverhältnis verpflichtet sei, die für den Wohnungsverbesserungskredit künftig anfallenden Zahlungen allein zu leisten. Der Antragsgegner wurde zur Räumung der Wohnung binnen dreier Monate verpflichtet. Das Erstgericht traf folgende wesentliche Feststellungen:
Der Antragsgegner verdiente in der Zeit vom 1.Jänner 1984 bis 28. Februar 1985 monatlich durchschnittlich 22.139,10 S netto. Darin ist eine Prämie enthalten, von der er nicht sicher ist, daß sie auch in Hinkunft ausbezahlt wird. Bei Wegfall dieser Leistung würde das monatliche Durchschnittseinkommen jedenfalls 19.000 S übersteigen. Für die beiden am 25.März 1967 und am 13.Jänner 1969 geborenen Kinder leistet der Antragsgegner an die Antragstellerin monatlich je 2.500 S Unterhalt. Für die Antragstellerin hat er keinen Unterhalt zu leisten. Den Mietzins von monatlich 1.584 S für die Ehewohnung bezahlt der Antragsgegner, die Antragstellerin trägt die Betriebskosten. Der Antragsgegner leistet für einen Wohnungsverbesserungskredit Rückzahlungen von monatlich 570 S, er hat überdies für einen Kleinkredit bis 5.Juni 1986 monatlich 1.352,73 S zu bezahlen. Die Antragstellerin hat seit der Eheschließung den Haushalt geführt und ist seit 1981 als Sekretärin halbtägig beschäftigt. Sie verdient im Jahr 14 mal 4.980 S. Die Ehewohnung befindet sich in einem der Stadtgemeinde Innsbruck gehörenden Haus. Diese Wohnung war 1953 den Eltern des Antragsgegners zugewiesen worden. Nach deren Tod wurde der Antragsgegner Hauptmieter, er zog 1971 mit seiner Familie in diese Wohnung ein. Seit der Ehescheidung hält sich der Antragsgegner nur mehr sporadisch in der Ehewohnung auf. Das in der Ehewohnung befindliche Inventar und der Hausrat wurden zur Gänze während der Ehe angeschafft. Die Antragstellerin und die beiden Kinder, für welche der Antragstellerin die ehelichen Rechte und Pflichten zukommen, sind auf die Benützung der Ehewohnung samt Inventar mehr angewiesen als der Antragsgegner, ein Verlust der Ehewohnung wäre für die Antragstellerin und die Kinder eine "persönliche Katastrophe".
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, eine Verwendung der Wohnung durch beide Teile käme wegen der Notwendigkeit der gemeinsamen Benützung der Nebenräume gemäß § 84 EheG nicht in Frage. Da beide Teile in gleichem Maß zur Ansammlung des ehelichen Gebrauchsvermögens beigetragen hätten und die Antragstellerin gemeinsam mit den Kindern auf die Ehewohnung mehr angewiesen sei als der Antragsgegner, sei die Wohnung der Antragstellerin zuzuweisen. Eine Ausgleichszahlung sei nicht aufzuerlegen, weil eine solche vom Antragsgegner nicht beantragt worden und der Antragstellerin auf Grund ihres Einkommens auch nicht zumutbar sei. Da die Antragstellerin für die Kinder zu sorgen habe, sei nicht zu erwarten, daß sie zur Aufbringung einer Ausgleichszahlung einer ganztägigen Berufstätigkeit nachgehe. Dazu komme, daß dem Antragsgegner auf Grund seines Einkommens die Finanzierung einer anderen Wohnung möglich sein werde. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß die Zuweisdung der Ehewohnung und des Hausrates an die Antragstellerin der Billigkeit entspreche. Mit der Frage einer Ausgleichszahlung setzte sich das Gericht zweiter Instanz nicht auseinander.
Der Antragsgegner bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs.
Die Antragstellerin beantragt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Der Rechtsmittelwerber führt aus, der Antragstellerin sei praktisch das gesamte eheliche Vermögen zugewiesen worden, der Antragsgegner sei leer ausgegangen. Dies entspreche nicht der Billigkeit. Daß die Vorinstanzen eine Ausgleichszahlung nicht in Betracht gezogen hätten, könne nicht damit gerechtfertigt werden, daß der Antragsgegner eine solche nicht beantragt habe. Das Erstgericht hätte den unvertretenen Antragsgegner auf diese Möglichkeit hinweisen müssen, zumal offenbar gewesen sei, daß eine Sachzuweisung an den einen Ehepartner eine unbillige Lösung für den anderen Partner bringen würde. Der Antragstellerin wäre es möglich, eine Ganztagsbeschäftigung zu erhalten. Als Feststellungsmangel werde gerügt, daß keine Entscheidungsgrundlage für die Festsetzung einer Ausgleichszahlung vorhanden sei, da der Wert des der Antragstellerin zugewiesenen Vermögens nicht ermittelt worden sei. Dem Antragsgegner hätte eine Ausgleichszahlung zugebilligt werden müssen.
Diesen Ausführungen kann Berechtigung nicht abgesprochen werden. Nach ständiger Rechtsprechung sollen die Folgen der Scheidung in wirtschaftlicher Hinsicht in einer für beide Teile möglichst ausgeglichenen Weise geregelt werden (EFSlg. 43.766 uva). Diesem Grundsatz widersprechen die Entscheidungen der Vorinstanzen, da offenbar das gesamte vorhandene Vermögen der Antragstellerin zugewiesen wurde. Richtig ist, daß ein Verbleib beider Parteien in der Ehewohnung der Bestimmung des § 84 EheG widersprechen würde, weil die Nebenräume gemeinsam benützt werden müßten. Diese Wohnung kann daher nur einem der beiden Ehegatten zugewiesen werden, wobei gegen die Ansicht der Vorinstanzen nichts einzuwenden ist, es entspreche der Billigkeit die Wohnung der Frau, bei der die Kinder verblieben, zuzuweisen. Dies darf aber nicht dazu führen, daß der Mann völlig leer ausgeht. Eine wirtschaftlich gerechte Aufteilung wäre dahin denkbar, daß der Frau die Wohnung, dem Mann aber zumindest ein Teil des Inventars zugewiesen wird. Eine andere, den Aufteilungsgrundsätzen des § 83 EheG entsprechende Möglichkeit wäre es, der Frau die Wohnung und das gesamte Inventar zuzuweisen, ihr aber eine Ausgleichszahlung aufzuerlegen. Daß der Antragsgegner keinen derartigen Antrag stellte, ist ohne Bedeutung, weil die die Art der Aufteilung betreffenden Anträge der Parteien nur als das Gericht nicht bindende Aufteilungsvorschläge anzusehen sind, das Gericht kann auch eine von keiner Partei vorgeschlagene Regelung treffen (EFSlg. 43.784 u.a.). Die Frage einer Ausgleichszahlung hätte daher von den Vorinstanzen auch ohne Antrag des Antragsgegners geprüft werden müssen; sie ist im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auch vom Obersten Gerichtshof zu erörtern.
Voraussetzung einer Entscheidung, bei der dem Mann ein Ausgleich für den Verlust der Ehewohnung zukommt, sind Feststellungen über den Wert der Mietrechte an der Wohnung und über den Wert des Inventars. Schon aus diesem Grund mußten die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben werden. Außerdem wird das Erstgericht die Frage einer (teilweisen) Zuweisung des Inventars an den Mann mit den Parteien zu erörtern haben. Sollte sich herausstellen, daß eine derartige Regelung etwa deshalb unzweckmäßig wäre, weil es sich beim Inventar im wesentlichen um für die konkrete Wohnung angeschaffte Einrichtungsgegenstände handelt, die am besten auch dort verbleiben würden (so 7 Ob 613/85), dann käme lediglich eine Ausgleichszahlung in Betracht.
Die Ansicht, der Antragstellerin sei die Leistung einer Ausgleichszahlung nicht zuzumuten, kann nicht geteilt werden. Wenn auch eine allzu drastische Verminderung der Lebensverhältnisse der ehemaligen Ehegatten vermieden werden soll, kann dies doch grundsätzlich nicht soweit gehen, daß ein Ehegatte unter Hinweis auf das geringe Einkommen des anderen entschädigungslos zur Aufgabe seiner Wohnung verhalten werden soll. Ebenso müssen grundsätzlich auch die Interessen des weichenden ehemaligen Ehegatten berücksichtigt werden (7 Ob 551/84). Daher muß in einem Fall, in welchem eine gerechte Zuweisung des Vermögens durch Sachzuteilung nicht möglich ist und daher die Aufteilung der vorhandenen Werte zu einem für einen Ehegatten unbilligen Ergebnis führt, die Auferlegung einer Ausgleichszahlung in Betracht gezogen werden (EFSlg. 43.797 u. a.). Es entspricht der Billigkeit, wenn der Ehegatte, der die Wohnung erhält, den anderen bei der Beschaffung einer Wohnung durch eine Geldzahlung unterstützt (8 Ob 561/84, 1 Ob 541/85 u.a.). Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung dem Ausgleichspflichtigen die äußerste Einschränkung der Lebensbedürfnisse und die äußerste Anspannung seiner Kräfte zur Aufbringung der Mittel zu unterstellen (6 Ob 686/84, 1 Ob 678/85 u.a.). Falls der Antragstellerin Wohnung und gesamtes Inventar zugewiesen werden sollten, müßte ihr daher eine Ausgleichszahlung auferlegt werden. Zu deren Höhe kann vor Feststellung des Wertes der von der Antragstellerin übernommenen Sachen nicht Stellung genommen werden.
Eine billige Entscheidung über die Kosten im Sinne des § 234 AußStrG ist vor Entscheidung in der Hauptsache nicht möglich, weshalb die Kosten vorzubehalten waren.
Anmerkung
E07985European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00529.86.0304.000Dokumentnummer
JJT_19860304_OGH0002_0020OB00529_8600000_000