TE OGH 1986/3/4 14Ob12/86

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Veröffentlicht am 04.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith, sowie die Beisitzer Prof.Dr. Robert Halpern und Dr. Walter Geppert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Carlo G***

O*** Gesellschaft mbH in Wien 15., Camillo Sittegasse 6-8, vertreten durch Dr. Martin Binder und Dr. Klaus Grösswang, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Peter H***, Angestellter, Großenzersdorf, Franzensdorf 23, vertreten durch Dr. Ernst Grossmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 78.574,--sA. (Streitwert im Revisionsverfahren S 68.200,-- sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 13. Juni 1985, GZ 44 Cg 44/85-25, womit das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 8. März 1984, GZ 2 Cr 2119/82-11, zum Teil bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil wird aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und Fällung einer neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten die Zahlung eines Betrages von S 81.174,-- sA aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes mit der Behauptung, der Beklagte sei aus dem mit 1. März 1982 begründeten Arbeitsverhältnis am 3. März 1982 ungerechtfertigt vorzeitig ausgetreten. Die klagende Partei sei dadurch gezwungen worden, über ein Unternehmensberatungsbüro einen neuen Leiter des Rechnungswesens kurzfristig aufzunehmen. Hiebei seien ihr Kosten in der Höhe von S 70.800,-- erwachsen; diesen Betrag habe sie als Honorar an das erwähnte Büro zahlen müssen. Für Überstunden, die infolge des plötzlichen Ausscheidens des Beklagten notwendig geworden seien, habe sie einen weiteren Betrag von S 10.374,-- aufgewendet. Die Angemessenheit des Honorars steht in einer Höhe von S 60.000,-- außer Streit; bestritten blieb der Grund dieses Ersatzanspruchs sowie die Berechtigung der Forderung an Umsatzsteuer vom Honorarbetrag in der Höhe von S 10.800,--. Die klagende Partei schränkte das Klagebegehren um einen Betrag von S 2.600,-- an rückständigem Entgelt des Beklagten auf insgesamt S 78.574,-- sA ein. Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und bestritt das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages. Er habe bei den Vertragsverhandlungen ein monatliches Gehalt in der Höhe von S 35.000,-- verlangt; die klagende Partei habe ihm ein Gehalt von S 30.000,-- sowie einen jährlichen Bonus von S 70.000,-- angeboten, dessen Auszahlung jedoch von einer dem Beklagten nicht bekanntgegebenen, erst auszuarbeitenden Formel abhängig sein sollte. Da der schriftliche Arbeitsvertrag einschließlich der noch unbekannten Formel am 1. März 1982, dem Tag des in Aussicht genommenen Beginns des Arbeitsverhältnisses, noch nicht vorgelegen sei, habe der Beklagte mit einem anderen Unternehmen verhandelt. Nachdem die klagende Partei trotz Verlangens den Arbeitsvertrag auch am 2. März 1982 noch nicht fertiggestellt hatte und der Beklagte Unterlagen entnommen habe, daß das Unternehmen keinen - für den Bonus maßgeblichen - Gewinn, sondern einen Verlust ausgewiesen habe, habe er der klagenden Partei am 3. März 1982 mitteilen lassen, daß weitere Verhandlungen abgebrochen werden.

Das Erstgericht sprach der klagenden Partei einen Teilbetrag von S 68.200,-- sA. (Honorar des Unternehmensberatungsbüros abzüglich des noch rückständigen Arbeitsentgelts des Klägers) zu und wies das Mehrbegehren von S 10.374,-- (Überstundenentgelt) ab. Es traf folgende für das Revisionsverfahren wesentliche Feststellungen:

Bei den am 27. Jänner 1982 stattgefundenen Vertragsverhandlungen verlangte der Beklagte ein Monatsgehalt von S 35.000,--. Der Geschäftsführer der klagenden Partei bot ihm ein solches von S 30.000,-- sowie die Zahlung eines Bonus von S 70.000,-- pro Jahr an, der vom Betriebsgewinn abhängig sein solle. Die Hälfte dieses Betrages solle nur dann nicht ausgezahlt werden, wenn die Bilanz nicht oder nicht ordentlich gemacht werde; die andere Hälfte solle von der Zeit des Eingangs der Zahlungen und vom Operating Income abhängig sein. Die Parteien einigten sich über Wunsch des Beklagten, daß dieser seine Tätigkeit für die klagende Partei bereits am 1. März 1982 beginnen solle. Der Geschäftsführer der klagenden Partei händigte dem Kläger im Anschluß an diese Besprechung eine Zusammenfassung jener Punkte aus, über welche Einigung erzielt worden war; er übergab ihm ferner den Entwurf eines Anstellungsvertrages mit der Aufforderung, allfällige Änderungswünsche der klagenden Partei bekanntzugeben. In der Zusammenfassung werden der 1. März 1982 als Tag des Arbeitsbeginnes sowie ein Monatsgehalt von S 30.000,-- und ein Bonus von S 70.000,-- angeführt; der Arbeitsvertrag samt Beilagen solle bis 19. Februar 1982 unterfertigt werden.

Am 15. Februar 1982 kam es zu einer weiteren Besprechung zwischen dem Geschäftsführer der klagenden Partei und dem Beklagten. Dieser brachte den von ihm unterfertigten Entwurf des Arbeitsvertrages mit. Die Parteien einigten sich mit Ausnahme der Berechnung der Bonuszahlung über alle Vertragspunkte. Der Geschäftsführer und der Beklagte unterfertigten hierauf den Vertragstext. Sie konnten eine Fixierung der Bonusregelung damals noch nicht vornehmen, weil die Budgetverhandlungen noch nicht abgeschlossen waren. Der Beklagte hat nicht darauf gedrängt, daß vor Beginn seiner Tätigkeit die Bonusregelung fixiert werden solle. Er trat am 1. März 1982 vereinbarungsgemäß den Dienst, bei der klagenden Partei an, worauf ihm die Budgetunterlagen zum Studium übergeben wurden. Die Budgetverhandlungen sollten in der folgenden Woche stattfinden. Der Beklagte verließ den Betrieb an diesem Tag nach 16 Uhr. Am nächsten Tag hielt er sich nur für einige Stunden im Betrieb auf, brachte aber bei der Sekretärin des Geschäftsführers eine Entschuldigung dafür vor. Am 3. März 1982 erhielt die Sekretärin von der Ehegattin des Beklagten einen Anruf. Sie teilte der Sekretärin mit, daß der Beklagte nicht mehr kommen werde, weil er eine andere Stelle gefunden habe. In einem mit dem Geschäftsführer der klagenden Partei danach geführten Telefongespräch bestritt der Beklagte nicht den Vorhalt, daß ein aufrechtes Arbeitsverhältnis vorliege, sondern äußerte sich sinngemäß wie folgt: "Was wollen Sie, wenn ich diese Stelle bekomme, die ich schon lange angestrebt habe, dann werden Sie mir doch als realistischer Geschäftsmann keine Schwierigkeiten machen". Die klagende Partei hatte den Beklagten mit 1. März 1982 bei der Krankenkasse mit einem Bruttomonatsgehalt von S 30.000,-- angemeldet und am 3. März 1982 mit der Begründung abgemeldet, der Beklagte sei vorzeitig ausgetreten. Nicht erwiesen sei, daß infolge des vorzeitigen Austritts des Beklagten ein Aufwand an Überstunden notwendig gewesen ist. Als Ersatz für den Beklagten trat am 15. März 1982 Mag. F*** in das Unternehmen der klagenden Partei ein. Die klagende Partei mußte für die Suche und Auswahl des neuen Leiters des Rechnungswesens an ein Unternehmensberatungsbüro ein Honorar von S 60.000,-- zuzüglich 18 % Umsatzsteuer in der Höhe von S 10.800,-- zahlen.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag zustandegekommen sei, den der Beklagte durch einen ungerechtfertigten vorzeitigen Austritt aufgelöst habe. Der klagenden Partei stehe daher ein Anspruch auf Schadenersatz nach dem § 28 Abs 1 AngG zu. Der der klagenden Partei entstandene Schaden bestehe in dem vorerwähnten Honorarbetrag abzüglich des dem Kläger noch zustehenden Arbeitsentgeltanspruchs für zwei Arbeitstage. Ein Ersatzanspruch auf Zahlung eines Überstundenentgelts stehe der klagenden Partei nicht zu, weil die Aufwendung von Überstunden nicht erwiesen sei.

Im Berufungsverfahren beantragte der Beklagte die Vernehmung seiner Ehegattin Hedwig H*** als Zeugin zum Beweis dafür, daß diese der Sekretärin des Geschäftsführers der klagenden Partei in dem Telefongespräch mitgeteilt habe, der Beklagte breche die Verhandlungen ab, und daß die Sekretärin geantwortet habe, das tue ihr leid, weil der Geschäftsführer nun von ihr die Unterlagen für die Fertigstellung des Arbeitsvertrages des Beklagten verlangt habe. Das Berufungsgericht bestätigte den dem Klagebgehren stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Urteils; mit Urteil (Richtig: Teilurteil); den abweislichen Teil und die Kostenentscheidung hob es hingegen auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht mit Ausnahme jener, daß ein durch den vorzeitigen Austritt des Beklagten herbeigeführter Überstundenaufwand nicht erwiesen sei, und billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichts über das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages. Auf den im Berufungsverfahren gestellten Beweisantrag des Beklagten ging das Berufungsgericht nicht ein. Zum Überstundenaufwand billigte es die Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht und trug diesem auf, Feststellungen über den notwendigen Aufwand zu treffen. Da das Berufungsgericht einen Rechtskraftvorbehalt nicht ausgesprochen hat - er wäre auch im Hinblick darauf zweckmäßig gewesen, daß die Entscheidung über beide Teilansprüche von ein und derselben Rechtsfrage, nämlich vom Zustandekommen des Arbeitsvertrages abhängt - kann der in diesem Auftrag gelegene Verfahrensfehler vom Obersten Gerichtshof nicht aufgegriffen werden.

Gegen den bestätigenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten aus den Gründen der Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Klagebegehren im Umfang des der klagenden Partei zugesprochenen Teilbetrages abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ein Arbeitsvertrag kommt, so wie jeder andere Konsensualvertrag, gemäß dem § 861 ABGB durch die übereinstimmende Willenserklärung der Vertragspartner zustande, also durch das Anbot, einen bestimmten Vertrag abzuschließen, und die Annahme des Anbots. Dieses muß, um zur Annahme geeignet zu sein, inhaltlich ausreichend bestimmt sein und einen endgültigen Bindungswillen des Antragstellers zum Ausdruck bringen. Eine ausreichende inhaltliche Bestimmtheit ist bei einem synallagmatischen Vertrag, wie es der Arbeitsvertrag ist, dann anzunehmen, wenn die wesentlichen Leistungen beider Teile derart bezeichnet werden, daß sie sich aus dem Anbot selbst feststellen lassen (Arb. 9349 mwH; Koziol-Welser, Grundriß 7 I 97 f). Ein Vertrag ist aber im Zweifel nicht als geschlossen anzunehmen, so lange noch irgend ein, sei es auch nebensächlicher Punkt offen ist, über den eine Partei während der Verhandlungen Einigung zu wünschen erklärt hat (Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 861 mwH). Nur wenn Nebenpunkte gar nicht erörtert wurden und damit nicht zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht wurden, kommt ein Vertrag bei Einigung über die wesentlichen Punkte dennoch zustande. War hingegen eine Vereinbarung über offengebliebene Punkte - auch unwesentliche vorbehalten, so gilt der Vertrag noch nicht als geschlossen und kommt erst zustande, wenn sich die Parteien auch darüber geeinigt haben. In einem solchen Fall ist nämlich davon auszugehen, daß die Parteien einen Vertrag ohne Einigung über die Nebenpunkte nicht schließen wollten (JBl 1978, 424 mwH; JBl 1981, 645 ua). Der Vorbehalt kann auch in einem schlüssigen Verhalten zum Ausdruck kommen.

Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen könnten dafür sprechen, daß ein solcher Vorbehalt, wie er vom Beklagten allerdings sinngemäß behauptet wurde, nicht erfolgt ist. Der Beklagte hat nämlich den Arbeitsvertrag, in dem der Anspruch auf eine Bonusregelung, wenn auch ohne nähere Regelung ihrer Voraussetzungen, festgehalten worden war, unterfertigt, den Dienst vereinbarungsgemäß am 1. März 1982 angetreten und dem Geschäftsführer der klagenden Partei am 3. März 1982 durch seine Ehegattin ausrichten lassen, er werde nicht mehr kommen, weil er eine andere Stelle gefunden habe. Der Beklagte hat nach den Feststellungen weder vor dem 1. März 1982 darauf gedrängt, daß die Bonusregelung noch vor diesem Zeitpunkt fixiert werde, noch hat er nach dem Dienstantritt eine derartige Regelung, von der ihm bekannt war, daß sie vom Ergebnis der Budgetverhandlungen abhänge, verlangt; er hat vielmehr in seinem mit dem Geschäftsführer der klagenden Partei nach dem vorzeitigen Austritt geführten Telefongespräch den ihm vorgehaltenen Bestand eines aufrechten Arbeitsverhältnisses nicht bestritten.

Ob der Beklagte aber nicht etwa doch einen solchen Vorbehalt gemacht hat, kann jedoch derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Der Beklagte hat nämlich im Berufungsverfahren die zeugenschaftliche Vernehmung seiner Ehefrau zum Beweis dafür beantragt, daß diese in ihrem mit der Sekretärin des Geschäftsführers der klagenden Partei geführten Telefongespräch mitgeteilt habe, der Beklagte breche die Verhandlungen ab, und daß die Sekretärin erwidert habe, das tue ihr leid, weil der Geschäftsführer nun von ihr die Unterlagen für die Fertigstellung des Arbeitsvertrages des Beklagten verlangt habe. Die Vernehmung dieser Zeugin betrifft zumindest mittelbar entscheidungswesentliche Umstände. Sollte sie in dem Telefongespräch die vom Beklagten behauptete und nicht die auf Grund der Parteiangaben des Geschäftsführers der klagenden Partei festgestellte Erklärung abgegeben haben, und sollte allenfalls die Sekretärin auf die nunmehr von ihr verlangten Unterlagen für den Arbeitsvertrag - nach dem Geschehensablauf hätte es sich dabei wohl nur um Unterlagen für die Bonusregelung handeln können - hingewiesen haben, dann wäre auch eine Änderung der Beweislage zugunsten eines vom Beklagten gemachten Vorbehalts im dargelegten Sinn möglich. Dem Inhalt des zwischen der Frau des Beklagten und der Sekretärin des Geschäftsführers der klagenden Partei geführten Gesprächs über das Nichterscheinen des Beklagten zum Dienst und die dafür maßgeblichen Gründe (vorzeitiger Austritt oder Abbruch der Vertragsverhandlungen) kann in diesem Sinn eine wesentliche Bedeutung zukommen, die vom Berufungsgericht, das auf den Beweisantrag des Beklagten in keiner Weise eingegangen ist, übersehen wurde.

Da somit das Berufungsverfahren mangelhaft geblieben ist, mußte das Berufungsurteil aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und Fällung einer neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 50 und 52 ZPO begründet.

Anmerkung

E07778

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00012.86.0304.000

Dokumentnummer

JJT_19860304_OGH0002_0140OB00012_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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