Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuderna und Dr.Gamerith sowie die Beisitzer Prof.Dr.Robert Halpern und Dr.Walter Geppert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gustav S***, Installateur, Landeck, Fischerstraße 40, vertreten durch Dr.Lienhard Grabmayr, Rechtsanwalt in Landeck, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Helmut K***, Kaufmann, Wien 2., Holzhausergasse 3, vertreten durch Dr.Alois Fuchs, Rechtsanwalt in Landeck, wegen restlich S 10.000,42 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 10.Dezember 1985, GZ.3 a Cg 33/85-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Landeck vom 25.September 1985, GZ. Cr 36/84-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 2.654,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 219,52 Umsatzsteuer und S 240,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 1.8.1982 bis 23.3.1983 beim Beklagten als Mischmeister, zuletzt auf einer Baustelle in der Nähe von Augsburg, beschäftigt. Der Beklagte schuldet dem Kläger aus diesem Dienstverhältnis - wie im Rechtsmittelverfahren nicht mehr strittig ist - an Lohn, Krankenstandsgeld und Fahrtkostenersatz S 23.504,--, die er mit einer Gegenforderung verrechnet; diese Gegenforderung leitet der Beklagte aus einem Verkehrsunfall vom 16.2.1983 in Augsburg ab, bei dem der vom Kläger gelenkte Firmen-PKW beschädigt wurde. Die Reparatur des Unfallschadens erforderte netto (ohne Umsatzsteuer) S 40.510,75.
Der Kläger behauptet, der Unfall habe sich bei Erbringung von Dienstleistungen für den Beklagten ereignet. Er habe einen Arbeitskollegen mit dem PKW nach Aichach bringen müssen, damit dieser seine Aufenthaltserlaubnis (in der BRD) verlängern könne. Dazu sei der dafür zuständige Dienstnehmer Klaus S*** wegen Alkoholisierung nicht mehr in der Lage gewesen. Bei der Rückfahrt sei es zu einem leichten Auffahrunfall gekommen, weil ein vor dem vom Kläger gelenkten PKW fahrendes Fahrzeug an einer geregelten Kreuzung überraschend angehalten wurde. Der Kläger habe den Schaden durch entschuldbare Fehlleistung oder einen minderen Grad des Versehens bewirkt, sodaß er höchstens zu einem Drittel Ersatz zu leisten habe. Er kürze daher die mit S 26.200,-- geltendgemachte Klagsforderung um S 13.300,--, sodaß er Zahlung von S 12.900,-- s.A. begehre.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete eine Gegenforderung in Höhe von rund DM 6.000,-- mit der Begründung ein, der Kläger habe mehrere Fahrzeuge des Beklagten zu Schrott gefahren und aus diesem Grunde keine Autoschlüssel mehr bekommen. Er habe sich ohne Erlaubnis einen Nachschlüssel zu dem Firmenfahrzeug anfertigen lassen. Er habe den Unfall durch überhöhte Geschwindigkeit und Einfahren in eine durch Lichtzeichen geregelte Kreuzung in der Gelbphase grob fahrlässig verschuldet. Er sei bei dieser Fahrt ohne Wissen und Willen des Beklagten gefahren. Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit S 10.204,-- und die Gegenforderung des Beklagten mit S 203,58 als zu Recht bestehend fest und verurteilte demgemäß den Beklagten zur Bezahlung von S 10.000,42 s.A. unter Abweisung eines Mehrbegehrens von S 2.899,58, was unangefochten blieb.
Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest, daß der Kläger den auf derselben Baustelle des Beklagten in Mehring arbeitenden Matthias K*** mit einem Firmen-PKW Mercedes 200 des Beklagten nach Friedberg brachte, da Matthias K*** beim dortigen Paßamt die Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung bewirken mußte. Grundsätzlich war Klaus S***, ein anderer Arbeiter des Beklagten, berechtigter Lenker dieses Fahrzeuges. Im Falle seiner Verhinderung wurde der Kläger vom Beklagten als Lenker dieses Fahrzeuges eingesetzt. Klaus S*** brachte Matthias K*** trotz
mehrmaliger Aufforderung nicht zum Paßamt, so daß der Kläger einsprang.
Das Erstgericht war der Ansicht, die Erwirkung der Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung für einen anderen Dienstnehmer sei eine für den Beklagten erbrachte Dienstleistung. Da der Kläger hiebei den Schaden am PKW durch einen minderen Grad des versehens verschuldet habe, erscheine eine Mäßigung des Gesamtschadens auf ein Drittel, das sind S 13.503,58 angemessen.
Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG von neuem, gab der Berufung des Beklagten Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Gegenforderung des Beklagten bis zur Höhe der Klagsforderung als zu Recht bestehend erkannte und das Klagebegehren abwies.
Hiebei ging die zweite Instanz von folgendem, von den erstgerichtlichen Feststellungen zum Teil abweichenden Sachverhalt aus:
Der Beklagte stellte den auf der Baustelle in Mehring bei Augsburg tätigen Dienstnehmern für die Fahrten von und zur Baustelle sowie innerhalb des Baustellenbereichs einen Firmen-PKW zur Verfügung. Da der Kläger mit diesem Fahrzeug bereits mehrere Unfälle verursacht hatte, ordnete der Beklagte an, daß es grundsätzlich nur Klaus S*** gestattet sei, den PKW zu lenken. Der Kläger erhielt nur für den Fall der Verhinderung des Klaus S*** die Erlaubnis, das Fahrzeug auf kürzestem Weg von Landeck zur Baustelle in Mehring zu fahren. Da Klaus S*** öfter verhindert war, ließ der Kläger einen Nachschlüssel für den Firmen-PKW anfertigen.
Am 16.2.1983 ersuchte Matthias K*** Klaus S*** ihn
zwecks Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung von der Baustelle zum Paßamt nach Friedberg zu bringen. Klaus S*** lehnte dies ab, worauf der Kläger ohne Wissen und Erlaubnis des Beklagten Matthias K*** mit dem Firmen-PKW nach Friedberg brachte. Die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung des Matthias K*** lag im Interesse des Beklagten.
Bei der Rückfahrt verfuhr sich der Kläger und kam in das Ortsgebiet von Augsburg. Als er sich einer Verkehrsampel, die gerade auf "Gelb" schaltete, mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h näherte, gab der vor ihm in einem Abstand von ca. 25 m fahrende PKW-Lenker Gas, um die Kreuzung noch überfahren zu können. Auch der Kläger beschleunigte sein Fahrzeug, weil er die Kreuzung noch überqueren wollte. Der vor dem Kläger fahrende Lenker hielt aber dann sein Fahrzeug vor der Kreuzung an, weil die Ampel inzwischen auf "Rot" geschaltet hatte. Der Kläger hatte damit nicht gerechnet, konnte sein Fahrzeug nicht mehr abbremsen und fuhr auf das vor ihm zum Stillstand gekommene Fahrzeug auf. Er gab sein Verschulden am Unfall gegenüber dem Beklagten zu.
Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß auf die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit der Beklagte vom Kläger Ersatz des verursachten Schadens am Firmen-PKW beanspruchen könne, gemäß Art.3 und 4 des Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht BGBl.1975/387 deutsches Recht anzuwenden sei. Dem Kläger falle ein Verstoß gegen die §§ 3 und 4 dStVO zur Last, weshalb er dem Beklagten für den Schaden an seinem Fahrzeug zur Gänze ersatzpflichtig sei. Nach dem Rechte der BRD hafteten auch Dienstnehmer bei leichter Fahrlässigkeit. Lediglich im Falle einer Schadenszufügung durch eine gefahrengeneigte Arbeit hafte der Dienstnehmer nur für grobe Fahrlässigkeit. Dem Kläger falle wegen schwerer Verstöße gegen grundlegende Straßenverkehrsvorschriften grobe Fahrlässigkeit zur Last, so daß er auch hafte, wenn er bei der gegenständlichen Fahrt als Dienstnehmer des Beklagten tätig gewesen sei und man das Lenken des Firmenfahrzeuges als gefahrengeneigte Arbeit betrachte. Auch bei Anwendung des § 2 Abs.1 DHG in der zum Unfallszeitpunkt geltenden Fassung wäre eine richterliche Mäßigung der Schadenersatzverpflichtung des Klägers infolge grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Gemäß § 44 Abs.1 IPRG sind Arbeitsverträge nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet. Dieses Recht bleibt auch maßgebend, wenn der Arbeitnehmer an einen anderen Arbeitsort in einem anderen Staat entsandt wird. Da der Kläger in Landeck wohnt, der Sitz des beklagten österreichischen Unternehmens Wien ist und der Kläger zuletzt mit anderen österreichischen Dienstnehmern auf einer Baustelle bei Augsburg eingesetzt wurde, gehen die Parteien offenbar davon aus, daß Österreich potentieller Ausgangsstaat (vgl. dazu Rebhahn, Österreichisches Arbeitsrecht bei Auslandsberührung in FS Strasser 59 [80]) für die Beschäftigung des vorübergehend an einen Arbeitsort in einem anderen Staat entsandten Klägers sein sollte. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Streitteilen ist daher, soweit sich nicht aus Eingriffsnormen des Arbeitsortes (dazu Schwimann in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 44 IPRG; derselbe, Grundriß des IPR 109 ff., 141 ff.) anderes ergibt, nach österreichischem Recht zu beurteilen. Das nach § 44 IPRG maßgebliche Arbeitsvertragsstatut gilt für alle (privatrechtlichen) Fragen des Arbeitsverhältnisses (Schwimann in Rummel, aaO Rdz 1; derselbe, Grundriß 137). Grundsätzlich sind alle Bestimmungen des österreichischen Arbeitsrechtes geeignet, in ihren privatrechtlichen Aspekten auch bei Auslandsarbeit einzugreifen (Rebhahn aaO 83). Damit richten sich auch allfällige Beschränkungen der Dienstnehmerhaftung trotz Verursachung des Schadens im Ausland nach den österreichischen Vorschriften (so schon vor Inkrafttreten des IPRG auf Grund anderer Anknüpfungsmerkmale RdA 1973,74 [dazu Dirschmied, RdA 1973,46 f.]; SZ 42/79 = RdA 1970,171 [Geppert] = ZAS 1970,65 [Schnorr] = ZfRV 1970,59 [Selb]; auch Dirschmied, Dienstnehmerhaftpflichtgesetz 2 3 f.).
Das Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht, BGBl.1975/387 betrifft nur die außervertragliche zivilrechtliche Haftung aus einem Straßenverkehrsunfall (Art.1 Abs.1 des Übereinkommens; Koziol, Haftpflichtrecht 2 II 376; Schwimann, Probleme des Haager Straßenverkehrsabkommens, ZVR 1978,161 [164]). Im Fall einer Konkurrenz von Vertrags- und Deliktshaftung (vgl. dazu Schwimann, ZfRV 1975,229 ff. [232]) ist seine Anwendung wohl möglich, doch geht bei der Dienstnehmerhaftung das Arbeitsstatut prinzipiell dem Deliktsstatut vor (Schwimann-Schlemmer, Österreichisches Arbeitskollisionsrecht RdA 1984,281 [286] mwN; Martiny in MünchKomm Rz 195 vor Art.12 EGBGB; Rebhahn aaO 76, der dort allerdings den umgekehrten Fall des Arbeitsortes in Österreich behandelt).
Grundsätzlich kommt daher die Anwendung des DHG (und zwar gemäß Art.II der am 23.März 1983 in Kraft getretenen Novelle vom 2. März 1983, BGBl. Nr.169 in der Fassung vor Erlassung dieses Bundesgesetzes) in Betracht. Die Frage, ob die Haftungsbeschränkungen dieses Bundesgesetzes im vorliegenden Fall deshalb ausscheiden, weil der Kläger bei der Verursachung des Schadens am Kraftfahrzeug des Beklagten nicht "bei Erbringung seiner Dienstleistungen" im Sinne des § 2 Abs.1 DHG gehandelt habe (dazu Dirschmied aaO 24 f.), bedarf keiner abschließenden Klärung. Für das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmales spricht das Interesse des Beklagten an der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung des Matthias K*** in der BRD als Voraussetzung seiner weiteren Beschäftigung in diesem Staat; die Praxis läßt einen sehr losen ursächlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis genügen. Gegen das Vorliegen einer "Dienstleistung" spricht, daß der Beklagte dem Kläger wegen mehrerer KFZ-Unfälle das Lenken des Firmenfahrzeuges (mit einer einzigen hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme) ausdrücklich verboten hat, so daß die Vornahme der Fahrt durch den Kläger als eine außerhalb der Erbringung seiner Dienstleistungen liegende Schwarzfahrt angesehen werden könnte.
Diese Fragen können aber dahingestellt bleiben, weil die Gegenforderung des Beklagten auch bei Anwendung der Mäßigungsbestimmungen des § 2 DHG in der hier anzuwendenden alten Fassung die Höhe der restlichen Lohnforderung des Klägers erreicht. Schon die Größe des Verschuldens des Klägers an der Herbeiführung des Verkehrsunfalles selbst nähert sich mehr einer auffallenden Sorglosigkeit als einer entschuldbaren Fehlleistung. Gemäß § 37 Abs.2 Z 1 dStVO ordnet das Wechsellichtzeichen Gelb an, "Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten". Da der Kläger beim Wechsel des Lichtzeichens auf Gelb noch mindestens 25 m (!) hinter dem selbst noch vor der Kreuzung befindlichen vorausfahrenden Kraftfahrzeug war, hätte er gar nicht mehr damit rechnen dürfen, überhaupt noch in die Kreuzung einfahren zu können. Auch wenn es zunächst den Anschein hatte, als wolle der vorausfahrende Kraftfahrzeuglenker die auch für ihn bereits bestehende Wartepflicht nicht beachten, mußte der Kläger überdies damit rechnen, daß jener Lenker im Falle des Wechselns des Lichtzeichens auf Rot anhalten würde. Der Kläger hätte sich daher, noch dazu nach den früher verursachten Unfällen, der Kreuzung mit erhöhter Aufmerksamkeit nähern und dabei gemäß § 4 Abs.1 dStVO einen so großen Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug einhalten müssen, daß er auch dann hinter diesem anhalten hätte können, wenn es plötzlich gebremst wurde. Dem Kläger fallen somit, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, schwere Verstöße gegen die Vorschriften der deutschen Straßenverkehrsordnung zur Last. Die vom Revisionswerber behaupteten Feststellungsmängel zum Unfallshergang liegen nicht vor. Für das Ausmaß der Mäßigung des Ersatzanspruches fällt außerdem ins Gewicht, daß der Beklagte dem Kläger das Lenken des Fahrzeuges wegen der Neigung zur Verursachung von Unfällen überhaupt verboten hatte und der Kläger dieses Verbot übertrat, wofür, mag auch die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung im Interesse des Beklagten gewesen sein, ausreichende Rechtfertigungsgründe nicht hervorkamen. Der Kläger hat nicht behauptet und bewiesen, daß die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung seines Arbeitskollegens so dringend war, daß er infolge der Weigerung des berechtigten Lenkers, zum Paßamt zu fahren, in Wahrung berechtigter Dienstgeberinteressen sofort einspringen mußte. Er kann sich daher nicht auf jene Mäßigungskriterien berufen, die die Gefahrengeneigtheit der vom Dienstnehmer zu leistenden Arbeit berücksichtigen. Gerade dieses Risiko wollte der Dienstgeber durch das ausgesprochene Verbot beseitigt wissen.
Bei dieser Sachlage erscheint eine Mäßigung des Schadens höchstens um ein Drittel angemessen, so daß die Gegenforderung des Beklagten bis zur Höhe der Lohnforderung des Klägers zu Recht besteht.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E07759European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00026.86.0304.000Dokumentnummer
JJT_19860304_OGH0002_0140OB00026_8600000_000