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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des G, (geboren 1973), vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 8. Juli 2004, Zl. III 4033-36/04, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck (der Erstbehörde) vom 3. April 2004 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, vom 3. Juni 2003 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Privat-quotenfrei, § 19 Abs. 5 FrG" gemäß § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
2. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 8. Juli 2004 wurde der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG insofern Folge gegeben, als der Erstbescheid ersatzlos aufgehoben wurde (weil er von einer nicht zuständigen Behörde erlassen worden sei). Weiters wurde ausgesprochen, dass der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 AVG an die zuständige Behörde gemäß § 89 Abs. 1 FrG (Landeshauptmann bzw. ermächtigte Behörde) zur Entscheidung weitergeleitet wird.
Es liege folgender Sachverhalt vor: Der Beschwerdeführer sei seit dem 24. Juli 2002 mit Gordana Ristic aus Innsbruck verheiratet. Diese sei Staatsbürgerin von Serbien und Montenegro, volljährig, im Besitz einer Niederlassungsbewilligung für den Zweck "jeglicher Aufenthaltszweck" und gehe in Österreich einer Erwerbstätigkeit nach. Die Mutter der Ehefrau des Beschwerdeführers, Lence Ristic, besitze die österreichische Staatsbürgerschaft und gewähre der Ehefrau, die einen außerehelichen Sohn habe, einen monatlichen Unterhalt in der Höhe von ca. EUR 400,--.
Als Schwiegersohn einer Österreicherin sei der Beschwerdeführer kein begünstigter Drittstaatsangehöriger, weil er kein Verwandter der Österreicherin in aufsteigender oder absteigender Linie sei. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei Tochter einer Österreicherin und könnte daher grundsätzlich die Begünstigteneigenschaften des § 47 Abs. 3 Z. 2 FrG von ihrer Mutter ableiten. Ob der Status einer begünstigten Drittstaatsangehörigen einer über 21-jährigen Tochter einer Österreicherin noch zukomme, wenn diese mittlerweile einer Erwerbstätigkeit im Inland nachgehe, die Mutter ihrer Tochter jedoch nach wie vor Unterhalt gewähre, sei von der Behörde gemäß § 89 Abs. 2 FrG in jedem Einzelfall gesondert zu beurteilen "(Überprüfung dahingehend, ob tatsächlich Unterhaltsleistung erfolgt, oder dies nur deshalb erfolgt, um - bereits unabhängigen Fremden und deren Kernfamilie - eine begünstigte Zuwanderung nach Österreich zu ermöglichen)". Allein die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eines begünstigten Drittstaatsangehörigen führe nicht unmittelbar dazu, dass die Begünstigteneigenschaft des § 47 FrG erlösche. Wenn dieser eine Erwerbstätigkeit aufnehme und ihm tatsächlich weiterhin Unterhalt durch den "Ankerfremden" gewährt werde, so bleibe die Begünstigteneigenschaft (trotz weggefallenem Bedarf) weiterhin bestehen. Nur wenn die Unterhaltsleistung später doch eingestellt werde, verliere der vormals begünstigte Drittstaatsangehörige diesen Status.
Im konkreten Fall bedeute dies: Die volljährige Tochter einer Österreicherin gehe (mittlerweile) einer Erwerbstätigkeit in Österreich nach. Sie sei im Besitz einer Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "jeglicher Aufenthaltszweck". Es habe somit bei der Erteilung des Aufenthaltstitels mit dem Zweck "jeglicher Aufenthaltszweck" bereits ein Behördenwechsel von der Behörde gemäß § 89 Abs. 2 FrG (Bundespolizeidirektion) zur Behörde gemäß § 89 Abs. 1 FrG (Landeshauptmann bzw. ermächtigte Behörde) stattgefunden. Das heiße, mit der Erteilung des Aufenthaltstitels (jeglicher Aufenthaltszweck) und dem damit verbundenen Wechsel der Behördenzuständigkeit sei in diesem Fall bereits darüber entschieden (wenn auch im Ergebnis unrichtig, trotzdem rechtskräftig), dass es sich bei der Betroffenen um keine begünstigte Drittstaatsangehörige im Sinn des § 47 FrG handle.
Nunmehr stelle der Ehemann dieser ehemals begünstigten Drittstaatsangehörigen einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Dieser Antrag sei als Antrag auf Erteilung einer quotenpflichtigen Niederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft, § 20 Abs. 1 FrG" zu werten. Eine Entscheidung über einen derartigen Antrag sei ausschließlich von der Behörde gemäß § 89 Abs. 1 FrG (Landeshauptmann bzw. ermächtigte Behörde) zu treffen.
Die Erstbehörde als Behörde gemäß § 89 Abs. 2 FrG hätte daher - nach Feststellung, dass der Ehefrau des Antragstellers keine Begünstigteneigenschaft im Sinn des § 47 FrG mehr zukomme - über den Antrag des Betroffenen nicht entscheiden dürfen, sondern diesen gemäß § 6 AVG an die zuständige Behörde gemäß § 89 Abs. 1 FrG (Landeshauptmann bzw. ermächtigte Behörde) übermitteln müssen.
Die Erstbehörde habe dies jedoch unterlassen und den Antrag abschlägig beschieden. Die Abweisung des Antrags sei daher von einer nicht zuständigen Behörde erfolgt.
Selbst wenn die Ehefrau des Betroffenen nach wie vor begünstigte Drittstaatsangehörige wäre, könnte der Beschwerdeführer daraus kein Recht mehr ableiten. § 19 Abs. 2 Z. 4 FrG treffe nicht (mehr) zu. Auch hier wäre der anhängige Antrag - nach Wahrung des Parteiengehörs - gemäß § 6 AVG an die Behörde gemäß § 89 Abs. 1 FrG abzutreten gewesen (Prüfung auf "Privatquotenpflichtig"; deutlicher Hinweis, dass Erwerbstätigkeit mit diesem Aufenthaltstitel jedenfalls nicht möglich ist).
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete aber auf Erstattung einer Gegenschrift.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, lauten wie folgt:
"Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung
§ 19. (1) Fremden, die sich auf Dauer niederlassen wollen, kann auf Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des 2. Abschnittes über die Erteilung von Aufenthaltstiteln bis auf weiteres gesichert scheinen. Sie darf - außer in den Fällen des Abs. 2 - nur im Rahmen der Niederlassungsverordnung erteilt werden (Quotenpflicht).
(2) Keiner Quotenpflicht unterliegt die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung an Drittstaatsangehörige, die
...
4. in Österreich sichtvermerkspflichtig sind, aber auf Grund eines Staatsvertrages oder eines Rechtsaktes der europäischen Union Niederlassungsfreiheit genießen
...
5. Ehegatten oder minderjährige unverheiratete Kinder der in
Z. 1 bis 4 genannten Fremden sind, sofern sie nicht erwerbstätig sein wollen
...
(5) Niederlassungsbewilligungen gemäß Abs. 2 sind an den Aufenthaltszweck zu binden. Drittstaatsangehörigen, die sich ohne Erwerbsabsicht auf Dauer in Österreich niederlassen, wird eine Niederlassungsbewilligung für Private erteilt; sie gilt für jeglichen Aufenthaltszweck außer für Erwerbstätigkeit.
...."
"4. Hauptstück
Sonderbestimmungen für Einreise und Aufenthalt für EWR-Bürger sowie für Angehörige von EWR-Bürgern und Österreichern
...
Sichtvermerksfreiheit und Aufenthaltsberechtigung von EWR-Bürgern
§ 46. (1) EWR-Bürger genießen Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit.
..."
"Aufenthaltsberechtigung begünstigter Drittstaatsangehöriger
§ 47. (1) Angehörige von EWR-Bürgern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, unterliegen der Sichtvermerkspflicht.
..
(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:
1.
Ehegatten;
2.
Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt gewährt wird;
3. Verwandte und Verwandte des Ehegatten in aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird."
"Angehörige von Österreichern
§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen. Die Gültigkeitsdauer der ihnen die beiden ersten Male erteilten Niederlassungsbewilligung beträgt jeweils ein Jahr."
"Sachliche Zuständigkeit im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen
§ 89. (1) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen und Niederlassungsnachweisen trifft der Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden.
...
(2) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen und Niederlassungsnachweisen trifft jedoch die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese, wenn es sich um den Aufenthaltstitel
1. für einen Drittstaatsangehörigen handelt, der nach dem 4. Hauptstück Niederlassungsfreiheit genießt;
2. für einen der in § 19 Abs. 2 Z 1 und 2 genannten Drittstaatsangehörigen handelt;
3. für Ehegatten oder minderjährige Kinder eines unter Z 1 und 2 fallenden Drittstaatsangehörigen handelt, sofern diese Ehegatten und Kinder nicht erwerbstätig sein wollen."
2. Aus § 89 Abs. 2 Z. 3 FrG ergibt sich, dass für Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen eine Bundespolizeibehörde im Rahmen ihres örtlichen Wirkungsbereiches zuständig ist, wenn es sich um den Aufenthaltstitel (u.a.) für den Ehegatten eines unter § 89 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG fallenden Drittstaatsangehörigen handelt, sofern dieser Ehegatte nicht erwerbstätig sein will.
3. Nach dem Erstbescheid hat der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Privat-quotenfrei, § 19 Abs. 5 FrG" gestellt und will daher nicht erwerbstätig sein. Ferner ist es (auf dem Boden des angefochtenen Bescheides im Zusammenhalt mit den vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Beschwerde) nicht zweifelhaft, dass der Beschwerdeführer vom örtlichen Wirkungsbereich der Erstbehörde - einer Bundespolizeibehörde - erfasst wird. Vor diesem Hintergrund kommt für den Beschwerdeführer eine Zuständigkeit der Erstbehörde im Grund des § 89 Abs. 2 Z. 3 FrG dann zum Tragen, wenn er als Ehegatte einer im § 89 Abs. 2 Z. 1 und 2 leg. cit. genannten Drittstaatsangehörigen anzusehen ist.
4. Die belangte Behörde hat eine solche Zuständigkeit verneint und dazu ausgeführt, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers keine solche begünstigte Drittstaatsangehörige mehr sei, weil sie eine Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "jeglicher Aufenthaltszweck" besitze und "somit" bei der Erteilung dieses Aufenthaltstitels bereits ein Behördenwechsel von der Behörde gemäß § 89 Abs. 2 FrG (Bundespolizeidirektion) zur Behörde gemäß § 89 Abs. 1 leg. cit. (Landeshauptmann bzw. ermächtigte Behörde) stattgefunden habe. Mit dem Wechsel der Behördenzuständigkeit sei bereits rechtskräftig darüber entschieden worden, dass es sich bei der Ehefrau des Beschwerdeführers nicht mehr um eine Drittstaatsangehörige im Sinn des § 47 leg. cit. handle.
5. Diese Rechtsauffassung ist unzutreffend. In der fallbezogen maßgeblichen Regelung des § 89 Abs. 2 Z. 1 iVm Z. 3 FrG wird allein darauf abgestellt, ob der dort genannte Drittstaatsangehörige Niederlassungsfreiheit nach dem 4. Hauptstück genießt. Darauf, dass diesem Drittstaatsangehörigen auch tatsächlich ein (bzw. ein seiner Niederlassungsfreiheit entsprechender) Aufenthaltstitel erteilt wurde, kommt es nach § 89 Abs. 2 Z. 1 iVm Z. 3 FrG nicht an. Aus dem Umstand, dass der Ehefrau des Beschwerdeführers von der nach § 89 Abs. 1 FrG zuständigen Behörde eine Niederlassungsbewilligung (wie die belangte Behörde meint: "im Ergebnis unrichtig", aber "trotzdem rechtskräftig") mit dem Zweck "jeglicher Aufenthaltszweck" ausgestellt wurde, lässt sich nicht ableiten, dass dieser Niederlassungsfreiheit nach dem 4. Hauptstück des FrG nicht mehr zukäme. Vielmehr wäre dies im vorliegenden Fall im Grund des § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z. 2 FrG nur dann zu bejahen, wenn der (unstrittig über 21 Jahre alten) Ehefrau des Beschwerdeführers von ihrer Mutter, einer österreichischen Staatsangehörigen, kein Unterhalt gewährt wird. Dies hat die belangte Behörde verkannt.
6. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 30. Juni 2005
Schlagworte
sachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenBesondere Rechtsgebieteörtliche ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004180229.X00Im RIS seit
02.08.2005Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009