TE OGH 1986/3/6 13Os16/86

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Veröffentlicht am 06.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.März 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Kießwetter, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Huber als Schriftführers in der Strafsache gegen Gerhard R*** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§§ 15, 269 Abs. 1) StGB. und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 26.November 1985, GZ. 4 a Vr 7362/85-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Krebs, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 10 (zehn) Monate herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 19.Juni 1941 geborene Frühpensionist Gerhard R*** wurde des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§§ 15, 269 Abs. 1, erster Fall) StGB. (I) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB. (II) schuldig erkannt. Darnach hat er sich in Wien am 19. September 1985 (zumindest) fahrlässig durch den Genuß von Alkohol und durch den Gebrauch von Medikamenten in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch versucht, (Polizei-) Beamte mit Gewalt und durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung zu hindern, mithin eine Handlung begangen, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1, erster Fall, StGB zugerechnet würde, indem er Gernot K***, welcher ihm die Festnahme androhte, und dessen Begleiter Michael R*** durch die Äußerung "Wennst mi angreifst, hau i di in die Goschn" mit einer Verletzung am Körper bedrohte (I 1) sowie Gernot K***, als dieser nach der Festnahme im Begriff war, ihn abzuführen, mit der Faust einen Schlag gegen die Brust versetzte (I 2). Ferner hat der Angeklagte am 26. Juni 1985 (vorsätzlich) vier Fensterscheiben eingeschlagen (II). Den Schuldspruch wegen § 287 Abs. 1 StGB. (I) bekämpft der Angeklagte mit seiner auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Der Mängelrüge zufolge fehle eine Begründung für den Ausspruch, daß sich der Angeklagte schuldhaft, also zumindest fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol und durch die Einnahme von

Medikamenten - Mogadon und Rohypnol - in einen seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt hat; diese Medikamente seien leichte Beruhigungsmittel, deren Wirkung in Kombination mit einer - nicht allzu großen (zur Herbeiführung eines Vollrausches für sich allein nicht ausreichenden) - Alkoholmenge für einen medizinischen Laien keinesfalls leicht erkennbar sei und ihm daher nicht vorgeworfen werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Durch den Hinweis auf die Schlüssigkeit des gerichtspsychiatrischen Gutachtens (S. 166) ist der bekämpfte Ausspruch indes zureichend begründet worden. Wird doch darin nicht nur ausgeführt, daß der Angeklagte mißbräuchlich die die Wirkungen des Alkoholkonsums potenzierenden Medikamente Mogadon und Rohypnol verwendet hat, sondern auch auf den seinerzeitigen Befund vom 29. Jänner 1985 Bezug genommen, laut welchem R*** schon einige Zeit hindurch Rohypnol eingenommen und dessen Wirkungen gekannt hat (S. 12 und 14 in ON. 42, sowie S. 147, 159, 177 in 27 c Vr 10.119/84 des Landesgerichts für Strafsachen Wien). Die Annahme, der Angeklagte hätte bei Einhaltung der (objektiv) gebotenen und ihm (auch subjektiv) zumutbaren Sorgfalt mit der Möglichkeit des Eintritts eines Vollrausches rechnen müssen, findet sohin in den Verfahrensergebnissen ihre Deckung.

Der Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.) zufolge liege absolut untauglicher Versuch vor, weil weder die vom Nichtigkeitswerber vollzogenen Reflexbewegungen noch die Androhung körperlicher Gewalt in einem durch Alkohol und Beruhigungsmittel beeinträchtigten Zustand geeignet gewesen wären, die Behinderung einer Amtshandlung der einschreitenden Polizeibeamten zu bewirken. Nach den Konstatierungen des Erstgerichts waren jedoch die Handgreiflichkeiten des Angeklagten keineswegs bloße "Reflexbewegungen", weshalb sich die Rechtsrüge insoweit als nicht gesetzmäßig ausgeführt erweist. Im übrigen aber ist ihr zu erwidern:

§ 269 StGB. normiert kein Sonderdelikt. Wer immer daher Gewalt oder eine (wie hier sogar unmittelbare) gefährliche Drohung (ex lege Begehungsmittel) gegen einen Beamten (ex lege in bezug auf Amtshandlungen Tatobjekt) zur Hinderung seiner Amtshandlung gebraucht, für den ist grundsätzlich auszuschließen, daß "die Vollendung der Tat .... nach der Art der Handlung oder des Gegenstandes, an dem die Tat begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war" (§ 15 Abs. 3 StGB.). Daß der Handelnde nach den durch seine Alkoholisierung gekennzeichneten Umständen des konkreten Falls zur Deliktsvollendung nicht imstande war, verschlägt nichts; hätte doch der Versuch nach der Art der Handlung und des Tatobjekts unter - objektiv durchaus im Bereich des Möglichen gelegenen - nur geringfügig modifizierten anderen Umständen (JBl. 1983, 103) sehr wohl zum Ziel führen können. Ein konkreter Einfluß der Alkoholisierung auf den Geschehensablauf hat bei einem Schuldspruch nach § 287 StGB. außer Betracht zu bleiben (arg. "die ihm außer diesem Zustand ...."). Der Versuch des Angeklagten, die Polizeibeamten mit Gewalt und durch gefährliche Drohung an seiner Festnahme zu hindern, war demnach nur relativ untauglich und daher strafbar.

Aus den dargelegten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 287 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten. Dabei waren erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen zweier Vergehen, der rasche Rückfall und der Umstand, daß der Angeklagte nach seiner Enthaftung, während eines anhängigen Strafverfahrens, sofort eine weitere Straftat begangen hat; mildernd hingegen war das Geständnis.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes an.

Zur Sachbeschädigung reklamiert er den Milderungsgrund des § 34 Z. 8 StGB., weil er sich, angesichts des negativen Empfangs durch seine Mutter nach der Haftentlassung verärgert, in einer besonders heftigen Gemütsbewegung zur Tat hinreißen ließ. Indes wird der genannte mildernde Umstand nur verwirklicht, wenn eine heftige Gemütsbewegung auch allgemein begreiflich ist, wovon hier aber angesichts des provozierenden Auftretens des Angeklagten (S. 19 ff., S. 105 f., S. 25 ff. in ON. 34), das eine freundliche Aufnahme durch seine Mutter kaum erwarten ließ, nicht die Rede sein kann. Richtig ist, daß die im Vollrausch begangene Tat nur beim Versuch geblieben war. Da die Milderungsgründe in bezug auf das verdeckte Delikt (die Rauschtat) grundsätzlich auch für § 287 StGB. gelten (Leukauf-Steininger 2 , § 287 StGB., RN. 13), wurde, weil der Widerstand gegen die Staatsgewalt nur beim Versuch blieb, der Milderungsgrund des § 34 Z. 13 StGB. zu Unrecht nicht herangezogen. Wenn man ferner mit der Berufung auch die durch Alkoholkonsum weitgehend depravierte Persönlichkeit des Angeklagten so einstufen wollte, daß man die Tat - die Berufung bezieht sich dazu ausdrücklich nur auf die Sachbeschädigung - als unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustands geschehen beurteilt und diesbezüglich den Milderungsgrund des § 34 Z. 1 StGB. für anwendbar erachtet, erweist sich eine Korrektur des Strafmaßes als geboten. Wenngleich der Angeklagte in selten augenfälliger Weise durch den sofortigen Rückfall bei erster Gelegenheit nach seiner Enthaftung (ON. 31 und 32) abermals seinen Hang zur Gewalt gezeigt hat (siehe die einschlägigen Vorstraftaten), weshalb es einer nachhaltigen Einwirkung im Strafvollzug bedarf, um seine Resozialisierung zu erreichen, kann doch nicht außer acht bleiben, daß keine der Vorstrafen sechs Monate überschritten hat. Ein Freiheitsentzug von zehn Monaten bedeutet daran gemessen eine fühlbare Anhebung der Sanktion, die nach Lage des Falls einen zur Erreichung des Strafzwecks ausreichenden zeitlichen Rahmen bietet.

Anmerkung

E07703

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00016.86.0306.000

Dokumentnummer

JJT_19860306_OGH0002_0130OS00016_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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