TE OGH 1986/3/6 12Os140/85

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Veröffentlicht am 06.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.März 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, HONProf. Dr. Steininger, Dr. Hörburger sowie Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gruber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Robert S*** und Manfred S*** wegen des Vergehens der schweren

Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Robert S*** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend Robert S*** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 18. Juli 1985, GZ 10 Vr 537/85-62, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, und des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Kornfeld, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch seine Rechtsmittel verursachten Kosten zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde ua Robert S*** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB (Punkt 1 des Urteilsspruches), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (Punkt 2 des Urteilsspruches) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 lit a WaffenG (Punkt 6 des Urteilsspruches) schuldig erkannt, weil er am 15.April 1985 in Leoben 1./ Adalbert F*** durch einen Schuß mit einer Pistole vorsätzlich am Körper verletzt hat, wobei die Tat eine schwere Verletzung des Genannten, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte (Durchschuß des linken Oberschenkels) und mit einem solchen Mittel und auf solche Weise begangen worden ist, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist (Punkt 1 des Urteilsspruches), 2./ Adalbert F*** durch die Äußerung, "Bleib stehen, sonst puff ich dich nieder", wobei er eine Pistole gegen ihn in Anschlag brachte, somit mit gefährlicher Drohung zu einer Unterlassung, nämlich zur Unterlassung der Fortsetzung seines Weges, genötigt hat (Punkt 2 des Urteilsspruches) und schließlich

3./ unbefugt eine Faustfeuerwaffe, und zwar eine Pistole Pietro Beretta, Kal. 7,65 mm geführt hat (Punkt 6 des Urteilsspruches). Gegen die beiden erstgenannten Punkte dieses Schuldspruches wendet sich der Angeklagte Robert S*** mit einer ziffernmäßig auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Strafausspruch wird sowohl von diesem Angeklagten als auch von der Staatsanwaltschaft mit Berufung angefochten.

Rechtliche Beurteilung

I./ Zur Bekämpfung des Schuldspruches wegen Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB

(Punkt 2 des Urteilsspruches):

Soweit der Beschwerdeführer - damit den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO relevierend - dem Erstgericht generell mangelnde Auseinandersetzung mit den "gesamten Ergebnissen des Beweisverfahrens" vorwirft, so übersieht er, daß es nach der im § 281 Abs 1 Z 5 StPO zitierten Bestimmung des § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht notwendig ist, im Urteil zu jedem Vorbringen des Angeklagten Stellung zu nehmen und alle Umstände einer Erörterung zu unterziehen, die durch das Beweisverfahren hervorgekommen sind, sondern daß es genügt, wenn der Gerichtshof im Urteil die entscheidenden Tatsachen bezeichnet, welche er als erwiesen annimmt und die Gründe angibt, die zu seiner Überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahmen geführt haben (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , ENr. 7 und 8 zu § 281 Z 5). Einen Verstoß gegen diese Verpflichtung vermag die Beschwerde aber nicht darzutun.

Einzuräumen ist dem Beschwerdeführer allerdings, daß zwischen dem Spruch des bekämpften Urteils und dessen Gründen insoweit ein Widerspruch besteht, als ihm das Erstgericht in Punkt 2 des Urteilsspruches anlastet, Adalbert F*** durch die Äußerung "Bleib stehen, sonst puff ich dich nieder", wobei er eine Pistole gegen ihn in Anschlag brachte, gefährlich bedroht zu haben (S 366), wogegen in den Urteilsgründen (S 370) ausdrücklich konstatiert wird, daß der Angeklagte Robert S*** dem Adalbert F*** während der vorerwähnten Äußerung "die Hand entgegenstreckte", daß aber nicht festgestellt werden könne, ob er dabei die Pistole gegen F*** gerichtet hatte.

Diesem Widerspruch kommt jedoch deshalb keine für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil allein schon die Äußerung "Bleib stehen, sonst puff ich dich nieder", wobei dem Bedrohten bekannt ist, daß der Drohende Waffen bei sich zu führen pflegt (S 370), eine Drohung (zumindest) mit einer Verletzung am Körper darstellt, welche geeignet ist, dem Bedrohten im Sinne des § 74 Z 5 StGB begründete Besorgnisse einzuflößen, weshalb sie als gefährliche Drohung im Sinn des § 105 Abs 1 StGB zu werten ist. Es ist daher vorliegend rechtlich ohne Belang, ob der Beschwerdeführer diese drohende Äußerung noch dadurch unterstrichen hat, daß er tatsächlich die mitgeführte Pistole in Anschlag brachte, oder ob er dabei bloß die Hand vorstreckte (was angesichts der zur Tatzeit am Tatort herrschenden Dunkelheit darauf hinausläuft, eine drohende Gebärde mit einer Pistole vorzutäuschen).

Von einer mangelnden Begründung der Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite kann entgegen der Meinung des Beschwerdeführers keine Rede sein, weil im vorliegenden Fall der Vorsatz des Angeklagten, den Zeugen F*** durch gefährliche Drohung von der Fortsetzung seines Weges abzuhalten, schon aus dem Inhalt der geäußerten Drohung abgeleitet werden kann.

Einer Erörterung der vom Beschwerdeführer formal unter dem Gesichtspunkt einer Rechtfertigung gemäß § 105 Abs 2 StGB, der Sache nach aber unter jenem der Notwehr gemäß § 3 StGB ins Treffen geführten Umstände hätte es nur dann bedurft, wenn nach den bezüglichen Verfahrensergebnissen objektiv eine Notwehrsituation vorgelegen wäre. Eine Notwehrsituation ist aber nur gegeben, wenn ein (rechtswidriger unmittelbar bevorstehender) Angriff droht. Dafür, daß ein solcher Angriff von Seiten des Zeugen Adalbert F*** bevorstand, fehlen jedoch konkrete Beweisergebnisse. Der Beschwerdeführer selbst - der die Tathandlung überhaupt bestritten hat (S 343) - hat sich auch keineswegs in dieser Richtung verantwortet. Die Beschwerde vermag somit im gegebenen Zusammenhang weder einen Feststellungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) noch einen Begründungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) aufzuzeigen. Worin schließlich der ziffernmäßig ebenfalls geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gelegen sein soll, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. In dieser Richtung entbehrt die Beschwerde der gesetzmäßigen Ausführung.

II./ Zur Bekämpfung des Schuldspruches wegen des Vergehens nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB (Punkt 1 des Urteilsspruches):

Das Urteil, so führt der Beschwerdeführer den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO aus, sei hinsichtlich der Feststellung, er habe mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt, mit dem Hinweis auf das "Geständnis" des Angeklagten in der Hauptverhandlung (S 342) nur unzureichend begründet.

Dieser Begründungsmangel haftet jedoch dem Urteil nicht an. Denn das Erstgericht hat seine Feststellung, daß der Angeklagte bei Abgabe des zweiten Schusses zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte, nicht nur auf die in der Hauptverhandlung nach Belehrung nachträglich gewonnene Schuldeinsicht des Angeklagten gestützt, somit nicht auf die allein die Annahme bedingt vorsätzlichen Handelns nicht deckende Erklärung des Angeklagten, er habe ernstlich eine Verletzung des Zeugen F*** für möglich halten müssen (S 342, 374). Es hat vielmehr die Verantwortung des Angeklagten, er habe nur fahrlässig gehandelt, insbesonders auch aus der Überlegung, daß der Angeklagte zumindest nach Abgabe des Warnschusses gewußt hat, daß die Pistole keine Attrappe und geladen war, und daß er auf eine Entfernung von 1 1/2 bis 2 m einen gezielten Schuß (Nahschuß) gegen die Beine des Adalbert F*** abgegeben hat (S 372, 374, 377 und 378), als widerlegt angesehen. Der Schluß aus diesen Prämissen auf den zumindest bedingten Vorsatz des Angeklagten verstößt nicht gegen die Gesetze logischen Denkens. Dem Urteil haftet somit ein Begründungsmangel nicht an. Im übrigen wirft der Angeklagte dem Ersturteil nur ganz allgemein unzureichende Begründung vor, ohne anzugeben, worin dieser Mangel zu erblicken sei. Insoweit ist die Mängelrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (Mayerhofer-Rieder 2 ENr. 11, 12, 74 zu § 281 Z 5 StPO). Unberechtigt ist ferner die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO - der Sache nach nur Z 10 - gestützte Rechtsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer darzulegen versucht, daß er in Ansehung des Punktes 1 des Schuldspruches rechtsrichtig nur das Vergehen der fahrlässigen (schweren) Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 StGB zu verantworten habe. Denn sie vernachlässigt die Feststellung des Erstgerichtes, der Angeklagte habe bei Abgabe des im Urteilsspruch genannten gezielten Schusses mit einer scharf geladenen Pistole gegen den linken Oberschenkel des Adalbert F*** mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt (S 374, 377). Ausgehend von dieser Urteilskonstatierung liegt aber der behauptete Subsumtionsirrtum nicht vor.

Das weitere Beschwerdevorbringen über eine angebliche "eingeschränkte" Dispositions- und Diskretionsfähigkeit zur Tatzeit - Zurechnungsunfähigkeit wird nicht behauptet - betrifft nicht die Schuldfrage, sondern könnte nur im Rahmen der ohnehin auch erhobenen Strafberufung des Angeklagten von Belang sein. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als unbegründet - zum Teil als nicht gesetzmäßig ausgeführt - zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte Robert S*** nach §§ 28, 84 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren. Bei der Strafzumessung wertete der Schöffensenat hinsichtlich des Berufungswerbers als erschwerend die Vorstrafen und das Zusammentreffen dreier Vergehen, als mildernd hingegen sein Teilgeständnis, die von ihm im Zuge der Tathandlungen selbst erlittenen Verletzungen sowie eine gewisse ProvokatiON

Mit ihren Berufungen begehren die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung, der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafausmaßes, letzterer unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes. Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die vorliegenden Strafzumessungsgründe im wesentlichen zutreffend erkannt, aber auch richtig gewürdigt. Die vom Berufungswerber behauptete, ins Gewicht fallende Einschränkung seiner Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt liegt nach den Verfahrensergebnissen nicht vor. Auch von einer allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung dieses Angeklagten kann keine Rede sein. Von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe kann im vorliegenden Fall (- Sorgepflichten stellen keinen Milderungsgrund dar -) dem Gewichte nach schon im Hinblick auf die zahlreichen auch einschlägigen Vorstrafen nicht gesprochen werden. Der Umstand, daß der Angeklagte bereits einmal einer Person unter Verwendung einer Waffe schweren körperlichen Schaden zugefügt hat, fällt hiebei in besonderem Maße ins Gewicht.

Umgekehrt erscheint die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe ihrer Dauer nach aber auch als hinreichend, um dem Schuld- und Unrechtsgehalt wie auch der Täterpersönlichkeit gerecht zu werden, sodaß weder eine Herabsetzung noch eine Erhöhung des Strafausmaßes gerechtfertigt war.

Beiden Berufungen mußte somit ein Erfolg versagt werden. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E07844

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00140.85.0306.000

Dokumentnummer

JJT_19860306_OGH0002_0120OS00140_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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