TE OGH 1986/3/11 5Ob531/86

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Veröffentlicht am 11.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helga S***, im Haushalt, Spenglergasse 4, 3500 Krems an der Donau, vertreten durch Dr. Felix Winiwarter, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, wider die beklagte Partei H*** Handelsgesellschaft m.b.H.,

Taschelried 20, 4403 Steyr, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 35.320,65 samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgerichtes vom 5.Juli 1985, GZ 1 a R 341/84-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 3.Juli 1984, GZ 2 C 287/84-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.069,75 (darin S 257,25 Umsatzsteuer und S 240,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin vermietete in ihrem Haus Untere Landstraße 4, 3500 Krems an der Donau, am 9.10.1981 der Beklagten ab dem 19.10.1981 alle Räume mit Ausnahme ihrer im 2.Stock gelegenen Wohnung und des Dachbodens auf unbestimmte Zeit zu Geschäftszwecken. Die Parteien vereinbarten, daß der monatliche Mietzins S 35.000,-

zuzüglich der Umsatzsteuer und der Betriebskosten betrage und wertgesichert werde.

Diese Bestimmung im schriftlichen Mietvertrag lautet:

Es wird ausdrücklich Wertbeständigkeit des Mietzinses vereinbart. Als Maß zur Berechnung der Wertbeständigkeit dient der vom österreichischen Statistischen Zentralamt in Wien monatlich errechnete und verlautbarte Verbraucherpreisindex 1976 oder ein an seine Stelle tretender Index. Als Bezugsgröße für diesen Vertrag dient die für den Monat September 1981 errechnete Indexzahl. Mietzins sowie die auf das Mietobjekt entfallenden Betriebskosten sind jeweils am Ersten eines jeden Monats im vorhinein zur Zahlung fällig. Es obliegt dem Vermieter, jeweils die Wertsicherungsbeträge zu berechnen und dem Mieter bekanntzugeben. Die Abrechnung der Wertsicherungsbeträge sowie der Betriebskosten werden von der Vermieterin jeweils bis zum 31.März des darauffolgenden Jahres bekanntgegeben werden, wobei der Mieter verpflichtet ist, den bekanntgegebenen Betrag binnen einem Monat nach Bekanntgabe an die Vermieterin zu bezahlen. Die Verpflichtung zur Zahlung des wertgesicherten Mietzinses besteht aber unabhängig von der Bekanntgabe durch den Vermieter, so daß eine Verjährung oder Verschweigung durch Unterlassung der sofortigen Geltendmachung nicht eintreten kann.

Am 12.12.1983 gab die Klägerin der Beklagten die Wertsicherungsbeträge für das Jahr 1982 mit S 17.930,- bekannt. Die Beklagte anerkannte diese Forderung und bezahlte.

Am 7.2.1984 gab die Klägerin der Beklagten die Wertsicherungsbeträge für das Jahr 1983 mit S 32.704,31 ohne Umsatzsteuer bekannt. Die Beklagte lehnte die Zahlung ab. Am 9.4.1984 erhob die Klägerin gegen die Beklagte die Klage auf Zahlung des Betrages von S 35.320,65 einschließlich 8 % Umsatzsteuer, der sich für das Jahr 1983 aus der Wertsicherung des Hauptmietzinses ergebe, und von 11 % Zinsen ab Fälligkeit. Die Beklagte verweigere vertragsbrüchig die Zahlung des erhöhten Hauptmietzinses.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, weil nach § 16 Abs6 MRG die Erhöhung des Hauptmietzinses durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung immer nur für die Zukunft auf Verlangen des Vermieters zulässig sei.

Das Erstgericht verhielt die Beklagte zur Zahlung von S 35.320,65 samt 4 % Zinsen seit dem 8.3.1984. Es war der Rechtsansicht, die neue Vorschrift des § 16 Abs6 MRG regle die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung nur in Fällen, in welchen keine ausreichende vertragliche Vorsorge getroffen wurde, greife aber nicht ein, wenn die Vertragsteile Zeitpunkt und Vorschreibung des erhöhten Hauptmietzinses infolge der vereinbarten Wertbeständigkeit im einzelnen erörtert und festgelegt haben. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß das Zahlungsbegehren abgewiesen werde. Es führte aus, die Regel des § 16 Abs 6 Satz 2 MRG sei auch anzuwenden, wenn ein Mietvertrag über eine Geschäftsräumlichkeit vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes am 1.1.1982 abgeschlossen wurde. Damit habe der Gesetzgeber in bestehende Mietverträge eingegriffen und die rückwirkende Einforderung eines sich durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung ergebenden höheren Hauptmietzinses ausgeschlossen. Der erhöhte Hauptmietzins sei erst von dem der Bekanntgabe des Erhöhungsbegehrens mindestens 14 Tage nachfolgenden Zinstermin an zu entrichten. Die vertragliche Regelung der Einforderung der Erhöhungsbeträge sei durch die Neuordnung des Mietrechts mit dem 1.1.1982 überholt. Da die Klägerin die Erhöhungsbeträge für das Jahr 1983 erst am 7.2.1984 begehrte, bestehe ihre Forderung zufolge § 16 Abs6 Satz 2 MRG nicht zu Recht. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Die hier anstehende Rechtsfrage sei in der Rechtsprechung und der Lehre schon gelöst.

Die Klägerin hat die außerordentliche Revision erhoben. Sie meint, die Entscheidung hänge von der Lösung der Rechtsfrage des materiellen Rechts ab, ob durch § 16 Abs6 MRG die vertragliche Regelung über Zeitpunkt und Art der Vorschreibung der Wertsicherungsbeträge außer Kraft gesetzt wurde. Dieser Frage komme erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs4 Z 1 ZPO zu. In der Sache meint die Klägerin, die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Bestimmung des § 16 Abs6 MRG sei unbillig und verletze das Eigentumsrecht der Klägerin, die sich vertragsgetreu verhalte, während sich die Beklagte eine gesetzliche Regelung zunutze mache, deren Schutzwirkung sie nicht bedürfe, weil sie durch die in ihrem Interesse erfolgte Vereinbarung nicht von sie unvermittelt treffenden rückwirkenden Vorschreibungen überrascht werde.

Die Beklagte, der nach § 508a Abs2 ZPO mitgeteilt wurde, daß ihr die Beantwortung der Revision freistehe, beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nach dem § 502 Abs4 Z 1 ZPO zulässig, weil der Lösung der Rechtsfrage, inwieweit die Neuordnung des Mietrechts auf in bestehenden Verträgen vereinbarte Regelungen der Abwicklung von Wertsicherungsvereinbarungen einwirkt, zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit große Bedeutung zukommt und dazu bisher nicht ausreichend Stellung genommen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Nach § 43 Abs1 MRG gilt das I.Hauptstück, also auch die Vorschrift des § 16 Abs6 MRG, weil im II.Hauptstück nichts anderes bestimmt ist, auch für Mietverträge, die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossen worden sind. Die Vertragsteile haben in dem vor dem 1.1.1982 (§ 58 Abs1 MRG) geschlossenen Mietvertrag über die Geschäftsräumlichkeit zulässig und wirksam vereinbart, daß die Beklagte den jeweils dem Maßstab der Wertsicherung angepaßten Mietzins zu leisten habe, daß sie aber die sich daraus gegenüber dem ziffernmäßig vereinbarten Hauptmietzins ergebenden Unterschiedsbeträge erst einen Monat nach der bis zum 31.März des darauffolgenden Jahres vorgesehenen Bekanntgabe des Ergebnisses der Abrechnung leisten müsse. Bei ihrer vertraglichen Regelung am 9.10.1981 konnten die Parteien die Bestimmungen des erst am 1.12.1981 kundgemachten Bundesgesetzes vom 12.11.1981, BGBl 520, über das Mietrecht noch nicht berücksichtigen. Dennoch gilt auch für ihren Vertrag § 16 Abs6 MRG, der für Wohnungen wie für Geschäftsräumlichkeiten die rückwirkende Einforderung eines sich durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung ergebenden höheren Mietzinses, richtig des sich daraus ergebenden Erhöhungsbetrages, schlechthin ausschließt. Daß dadurch in die bestehenden Mietverträge eingegriffen wurde und für solche Altverträge die neue Anordnung gilt, wonach der erhöhte Hauptmietzins erst vom nächsten Zinstermin angefangen zu entrichten ist, wenn der Vermieter dem Hauptmieter spätestens 14 Tage vor dem Termin sein darauf gerichtetes Erhöhungsbegehren bekanntgibt, hat der Oberste Gerichtshof schon mehrmals ausgesprochen (MietSlg.35.335/19; MietSlg.36.346). Die rückwirkende Geltendmachung der Wertsicherung ist auch ausgeschlossen, wenn sie im Vertrag ausdrücklich bedungen wurde (Würth in ImmZ 1983, 2o8; Würth-Zingher, MRG 2 Anm.47 zu § 16 MRG). Die Wertsicherung wird dem Mieter gegenüber kraft der zwingenden Vorschrift des § 16 Abs6 MRG immer erst dadurch wirksam, daß der Vermieter spätestens 14 Tage vor dem Zinstermin den ziffernmäßigen Erhöhungsbetrag oder den aufgewerteten Mietzinsbetrag bekanntgibt. Im Anwendungsbereich des § 16 MRG wird jede rückwirkende Geltendmachung der Wertsicherung des Hauptmietzinses verhindert, auch wenn sie ausdrücklich vereinbart war (Würth in Korinek-Krejci, HBzMRG, 343).

Das Berufungsgericht hat daher ohne Rechtsirrtum erkannt, daß § 16 Abs6 MRG der Einforderung der Erhöhungsbeträge für das Jahr 1983 entgegensteht, weil das Erhöhungsbegehren der Mieterin erst am 7.2.1984 bekanntgegeben wurde.

Diese Bestimmung, wonach der Mieter stets nur den ihm ziffernmäßig bekannten Hauptmietzins zu leisten hat und nicht mit Nachforderungen aus einer Wertsicherungsvereinbarung rechnen muß, erweckt bei der gebotenen Betrachtung der gesamten Neuordnung des Mietrechts auch keine begründeten Bedenken in Richtung einer Verfassungswidrigkeit (vgl.MietSlg.36.543/25 = EvBl 1984/124 = RdW 1984,340).

Der Eingriff des Gesetzgebers in den bestehenden Vertrag wird allerdings nicht dazu führen dürfen, daß nun die vereinbarte Wertbeständigkeit des Hauptmietzinses nicht mehr durchsetzbar wäre. Es wird der Vertragsergänzung unter Anlegung des Maßstabes redlich handelnder Mietvertragsparteien bedürfen, um die Klägerin in die Lage zu versetzen, der Beklagten jeweils spätestens 14 Tage vor dem Zinstermin, zu dem sie die Leistung erwartet, den Betrag vorzuschreiben, der sich aus der grundsätzlich aufrecht bleibenden Wertsicherungsvereinbarung ergibt, wobei stets nur die zuletzt verlautbarte Indexzahl herangezogen werden kann. Keinesfalls kann es aber bei der vereinbarten Regelung bleiben, daß erst rückwirkend die Erhöhungsbeträge bekanntgegeben und eingefordert werden, weil dies § 16 Abs6 MRG verhindert. Auch wird zu beachten sein, daß der nach § 16 Abs1 Z 1 MRG angemessene Betrag nicht durch eine Erhöhung überschritten wird (§ 16 Abs6 Satz 1 MRG).

Der Revision ist ein Erfolg versagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO.

Anmerkung

E07784

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00531.86.0311.000

Dokumentnummer

JJT_19860311_OGH0002_0050OB00531_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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