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41/04 Sprengmittel Waffen Munition;Norm
WaffG 1996 §25 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Dr. Kleiser, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des A C in W, vertreten durch DI Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. Juli 2002, Zl. SD 429/01, betreffend Entziehung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 4. April 2001, mit welchem dem Beschwerdeführer der ihm am 3. Juli 1985 ausgestellte Waffenpass Nr 106070 gemäß § 25 Abs 3 iVm § 8 Abs 2 WaffG entzogen wurde, mit der Maßgabe bestätigt, dass sich die Entziehung auf § 25 Abs 3 iVm § 8 Abs 1 Z 1 WaffG stütze.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am 6. Mai 2000 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht, worauf ihm die Lenkberechtigung entzogen worden sei. Am 7. August 2000 sei der Beschwerdeführer amtsärztlich hinsichtlich seiner Verlässlichkeit untersucht worden (im Folgenden: erstes medizinisches Gutachten). Zu seinem Alkoholkonsum habe der Beschwerdeführer hiebei angegeben, gelegentlich Alkohol zu trinken, insbesondere jedoch dann, wenn er sich in einer depressiven Stimmung befände. Der Amtsarzt sei zum Ergebnis gekommen, dass der Beschwerdeführer aus medizinischen Gründen nicht mehr die geforderte Verlässlichkeit gemäß § 8 WaffG besitze. So sei nach den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden ein Verdacht auf "chronische äthylische Überlastung mit Hinweisen auf das Vorliegen von Nervenveränderungen im Bereich der oberen und unteren Extremitäten" gegeben bzw habe der Beschwerdeführer bei einer neurologischen Untersuchung um 08.45 Uhr einen leichten Alkoholgeruch aus dem Mund gehabt. Auf Grund eines entsprechenden Antrages sei der Beschwerdeführer am 29. September 2000 polizeichefärztlich untersucht worden (im Folgenden: zweites medizinisches Gutachten), wobei der untersuchende Arzt auf Grund eines Aktengutachtens festgestellt habe, dass beim Beschwerdeführer trotz des von ihm vorgelegten neurophysiologischen Befundes ein "chronischer Alkoholabusus" anzunehmen sei. Am 20. Februar 2001 sei der Beschwerdeführer neuerlich polizeichefärztlich untersucht worden (im Folgenden: drittes medizinisches Gutachten). Der Gutachter sei zum Ergebnis gekommen, dass der Beschwerdeführer wegen seines Bluthochdruckes und auf Grund seines leicht depressiven Zustandsbildes bei gehäuftem Alkoholkonsum nicht die im Waffengesetz geforderte Verlässlichkeit aufweise. Die belangte Behörde habe keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Befundaufnahme dieser amtsärztlichen Gutachten zu zweifeln und daher davon ausgehen müssen, dass der Beschwerdeführer von seiner Alkoholkrankheit nicht geheilt sei, sodass die waffenrechtliche Verlässlichkeit als nicht (mehr) gegeben anzusehen gewesen sei. So rechtfertige auch ständiger Alkoholmissbrauch, der eine Verminderung der Selbstkontrolle und Kritikfähigkeit zur Folge habe, eine Entziehung der waffenrechtlichen Dokumente.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), ist ein Mensch verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird.
Gemäß § 8 Abs 2 Z 1 WaffG ist ein Mensch keinesfalls verlässlich, wenn er alkohol- oder suchtkrank ist.
Gemäß § 25 Abs 2 WaffG hat die Behörde die Verlässlichkeit des Inhabers einer waffenrechtlichen Urkunde zu überprüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist.
Gemäß § 25 Abs 3 WaffG hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist.
2. Bei der Prüfung der Verlässlichkeit ist angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein strenger Maßstab anzulegen (vgl hiezu das hg Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl 2005/03/0044, mwN).
3. Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die belangte Behörde hätte den angefochtenen Bescheid zum einen nicht auf § 8 Abs 5 WaffG und zum anderen nicht auf § 8 Abs 2 Z 1 WaffG stützen dürfen, da das erstmalige Lenken eines Kraftfahrzeuges im Zustand der Trunkenheit für sich allein noch nicht den Verlust der Verlässlichkeit nach sich ziehen könne bzw eine Alkoholkrankheit des Beschwerdeführers iS der zweitgenannten Bestimmung nicht festgestellt worden sei.
Damit übersieht der Beschwerdeführer zunächst, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht auf § 8 Abs 5 WaffG gestützt hat. Im Spruch des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde § 8 Abs 1 Z 1 WaffG als Entziehungstatbestand an.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann Alkoholkonsum nur dann die Annahme fehlender Verlässlichkeit gemäß § 8 Abs 1 WaffG rechtfertigen, wenn ein "waffenrechtlicher Bezug", wie etwa im Falle des Mitführens von Schusswaffen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, gegeben ist (vgl hiezu das hg Erkenntnis vom 17. September 2003, Zl 2001/20/0020, und zum Suchtgiftkonsum das hg Erkenntnis vom 17. Dezember 2003, Zl 2000/20/0499, mit Verweis auf das erstzitierte Erkenntnis).
Im vorliegenden Fall weist der von der belangten Behörde festgestellte Alkoholkonsum des Beschwerdeführers keinen derartigen "waffenrechtlichen Bezug" auf. Auch dem festgestellten, vom Beschwerdeführer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand verursachten Verkehrsunfall ist ein solcher "waffenrechtlicher Bezug" nicht entnehmbar (etwa dass eine in waffenrechtlicher Hinsicht relevante Aggressivität zu Tage getreten wäre oder der Beschwerdeführer eine Waffe im Fahrzeug mit sich geführt hätte - vgl hiezu das hg Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl 98/20/0139, mit Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit unter Alkoholeinfluss begangenen Verkehrsdelikten).
4. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde vielmehr aus, der Beschwerdeführer sei von seiner Alkoholkrankheit nicht geheilt und ständiger Alkoholmissbrauch rechtfertige die Entziehung der waffenrechtlichen Dokumente, und spricht damit - ungeachtet der ausdrücklichen Zitierung des § 8 Abs 1 Z 1 WaffG im Spruch des angefochtenen Bescheides - eine Alkoholkrankheit des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs 2 Z 1 WaffG an.
Der angefochtene Bescheid ist in diesem Punkt aber unzureichend begründet:
Die Behörde stützt ihre Feststellung einer Alkoholkrankheit des Beschwerdeführers auf das erste medizinische Gutachten, in dem aufbauend auf ein (vom Beschwerdeführer vorgelegtes) nervenärztliches Sachverständigengutachten vom 15. Mai 2000 der "Verdacht auf chronische äthylische Überbelastung" diagnostiziert wurde, sowie auf das zweite medizinische Gutachten, in dem ausgeführt wurde, dass ein "chronischer Alkoholabusus" anzunehmen sei.
Diese Gutachten erfüllen aber nicht die Anforderungen an ein schlüssiges und nachvollziehbares Sachverständigengutachten (vgl idS zum Tatbestand des § 8 Abs 2 Z 3 WaffG das hg Erkenntnis vom 17. September 2003, Zl 2001/20/0170, mit Verweis auf die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 823, E 151 ff zu § 52 AVG zitierte hg Judikatur). So wird im ersten Gutachtens lediglich der "Verdacht auf chronische äthylische Überbelastung mit Hinweisen auf das Vorliegen von Nervenveränderungen im Bereich der oberen und unteren Extremitäten" geäußert, der sich aus einem (vom Beschwerdeführer) vorgelegten Befund ergebe. In dem damit angesprochenen nervenärztlichen Gutachten vom 15. Mai 2000 wird ebenso nur der "Verdacht" einer derartigen "äthylischen Überbelastung" ausgesprochen, jedoch zur endgültigen Begutachtung die Einholung eines weiteren (elektrophysiologischen) Zusatzbefundes für erforderlich gehalten. Für das Vorliegen einer Alkoholkrankheit fehlt dem ersten Gutachten somit eine schlüssige und nachvollziehbare Begründung. Auch die Annahme in diesem Gutachten, es könne in Grenzsituationen nicht "mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden", dass der Beschwerdeführer eine Waffe auch missbräuchlich verwenden könnte, lässt sich aus dem sehr kurzen Befund nicht schlüssig ableiten und trifft darüber hinaus über das Vorliegen einer, von der Behörde angenommenen, Alkoholkrankheit keine Aussage.
Das zweite Gutachten gründet sich auf keinen verbesserten Befund, sondern - worauf auch die Beschwerde hinweist - lediglich auf die Aktenlage. Wieso das zweite Gutachten auf Grund der unveränderten Befundlage und ohne Hinzutreten weiterer Umstände im Gegensatz zum ersten Gutachten - über den "Verdacht" hinaus - zur Annahme eines "chronischen Alkoholabusus" kommt, ist nicht nachvollziehbar.
Das dritte medizinische Gutachten, welches nach einer neuerlichen Untersuchung des Beschwerdeführers - jedoch ohne jegliche Bezugnahme auf die vorhergehenden medizinischen Gutachten - lediglich von "Bluthochdruck" und einem "leicht depressiven Zustandsbild bei gehäuftem Alkoholkonsum" des Beschwerdeführers spricht, kann die von der Behörde angenommene Alkoholkrankheit des Beschwerdeführers noch weniger sachverständig untermauern.
Insgesamt fehlt daher eine schlüssige und nachvollziehbare sachverständige Darlegung, dass beim Beschwerdeführer eine Alkoholkrankheit vorläge. Die Behörde konnte daher aufbauend auf diese Gutachten auch nicht davon ausgehen, dass beim Beschwerdeführer der Tatbestand der Alkoholkrankheit gemäß § 8 Abs 2 Z 1 WaffG erfüllt sei.
5. Aus diesem Grund hat die Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b VwGG aufzuheben war.
6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.
Wien, am 1. Juli 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005030024.X00Im RIS seit
08.08.2005Zuletzt aktualisiert am
22.01.2013