TE OGH 1986/3/17 1Ob6/86

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Veröffentlicht am 17.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas P***, Kaufmann, Ziegelbachstraße 7, 6912 Hörbranz, vertreten durch Dr. Michael Stern und DDr. Peter Stern, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei G*** H***, 6912 Hörbranz, vertreten durch den Bürgermeister Severin S***, dieser vertreten durch Dr. Reinhold Moosbrugger, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen restl. S 368.000,-- (Revisionsstreitwert S 288.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. Oktober 1985, GZ 1 R 205/85-98, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 9. Mai 1985, GZ 3 Cg 215/85-93, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil insoweit abgeändert, als die beklagte Partei dem Kläger anstelle des zugesprochenen weiteren Betrages von S 80.000 s.A. den weiteren Betrag von S 141.500 samt 4 % Zinsen seit 20. Februar 1980 zu bezahlen hat und dementsprechend ein Mehrbegehren des Klägers von S 226.500 samt 9 % Zinsen seit 20. Februar 1980 abgewiesen wird. Im übrigen Umfang bleibt die Entscheidung des Berufungsgerichtes unberührt.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Gemeinde ließ im Jahre 1977 im Bereich des Hauses des Klägers Arbeiten zur Errichtung einer Ortskanalisation durchführen, die zu Setzungsschäden am Gebäude des Klägers führten. Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 29. Jänner 1985, 1 Ob 36/84, ausgeführt hat, hat der Kläger Anspruch auf Ersatz der allenfalls durch die Bauschäden des Gebäudes verursachten Folgeschäden. Als solche Folgeschäden machte der Kläger unter anderem einen Mietentgang in der Höhe von S 118.000 infolge Unmöglichkeit der Vermietung schadhaft gewordener Räume für die Zeit von Mai 1977 bis April 1982 (S 2.000 monatlich; Bd. I AS 5, 276) und einen Verdienstentgang aus seinem Getränkehandel in der böhe von S 250.000 für die Zeit bis zum Klagstag, d.i. der 18. Februar 1980 (AS 6) mit der Begründung geltend, daß das Haus infolge der Setzungsschäden äußerlich einen schlechten Eindruck gemacht habe. Im Umfang dieser Ansprüche wurden die Urteile der Vorinstanzen im zweiten Rechtsgang zur Feststellung der Höhe dieser Schäden aufgehoben.

Im dritten Rechtsgang sprach das Erstgericht dem Kläger den Betrag von S 40.000 s.A. zu, wies das Mehrbegehren von S 328.000 s. A. ab und traf dazu folgende wesentliche Feststellungen:

Infolge der in den Büroräumen im ersten Stock des Gebäudes eingetretenen Schäden habe der Kläger Büros im März 1978 in den hinteren Trakt verlegt, wo er vorher seine Wohnung gehabt hatte. Die Wohnung habe er in den zweiten Stock verlegt, wo früher Zimmer vermietet worden seien. Die Gesamtmieteinnahmen für die im zweiten Stock befindlichen Zimmer hätten im Jahre 1975 S 16.990,60, 1976 S 20.073,60 und 1977 S 12.602,70 betragen. Wegen der Verlegung der Wohnung in diese Räume habe der Kläger keine Mieteinnahmen mehr erzielen können. Die Sanierungsarbeiten am Gebäude des Klägers hätten spätestens im Frühjahr 1979 durchgeführt werden können, da die Unterfangungsarbeiten zum größten Teil im Jahre 1978 gemacht worden seien. In den beschädigten Gebäuden sei der Detailverkauf der vom Kläger erzeugten Getränke untergebracht gewesen. Infolge der Gebäudeschäden und des damit zusammenhängenden unansehnlichen Äußeren des Hauses sei es im Detailhandel in den den Grabungsarbeiten folgenden Jahren nicht zu den erwarteten Umsatzsteigerungen gekommen. Ursache für die mangelnde Umsatzsteigerung sei aber auch, daß der Kläger nach dem Schadensereignis das Detailgeschäft nicht mehr mit demselben Ehrgeiz wie vor den Grabungsarbeiten betrieben habe und daß in unmittelbarer Nähe ein A & O-Selbstbedienungsladen eröffnet worden sei, der dieselbe Art von Getränken, wie sie auch der Kläger erzeugt habe, führe. Der auf die Grabungsarbeiten und auf die damit zusammenhängenden Gebäudeschäden zurückzuführende Anteil der zurückbleibenden Umsatzsteigerung sowie die exakte Höhe des damit verbundenen Gewinnentganges könne nicht festgestellt werden. Jedenfalls sei der Gebäudeschaden eine der Ursachen des Verdienstentganges. Die Einzelhandelsumsätze des Klägers hätten sich von 1975 bis 1981 wie folgt entwickelt:

1975                               S 1,297.000,--

1976                               S 1,377.000,--

1977                               S 1,516.000,--

1978                               S 1,558.000,--

1979                               S 1,608.000,--

1980                               S 1,731.000,--

1981                               S 1,805.000,--.

Daraus ergebe sich, daß 1978 und 1979 ein Rückgang in den Steigerungsraten der Umsatzsummen, und unter Berücksichtigung der Inflationsrate sogar eine Stagnation eingetreten sei. Bei entsprechenden Initiativen wäre eine jährliche Umsatzsteigerung von 8 % möglich gewesen. Daraus ergebe sich für das Jahr 1978 und 1979 ein Minderumsatz von zusammen S 239.000 und ein Gewinnentgang von ca. S 80.000.

Das Erstgericht war der Ansicht, dem Kläger stehe von März 1978 bis Frühjahr 1979 als Ersatz für entgangene Miete ein Betrag von S 20.000 zu. Der auf die Gebäudeschäden entfallende Verdienstentgang könne nicht exakt ermittelt werden; unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der in den Jahren 1978 und 1979 eingetretene Gewinnentgang auf mehrere Ursachen zurückzuführen sei, escheine eine Festsetzung des erlittenen Schadens gemäß § 273 ZPO mit S 20.000 angemessen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, erhöhte den aus dem Titel des Verdienstentganges im Getränkehandel zugesprochenen Betrag auf S 60.000 und sprach dem Kläger demgemäß unter Abweisung eines Mehrbegehrens von S 288.000 s. A. insgesamt S 80.000 s.A. zu.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß der Kläger die vom Erstgericht schon im zweiten Rechtsgang getroffene und damals nicht angefochtene Feststellung, daß die Wiederherstellung der Räume bereits im Frühjahr 1979 möglich gewesen sei, nicht mehr bekämpfen könne. Die Behauptung, daß das Erstgericht für diese Feststellung keine Begründung gegeben habe, sei aktenwidrig. Da der ziffernmäßige Anteil der drei Ursachen für den Umsatzrückgang (und den sich daraus ergebenden Verdienstentgang) im Getränkehandel nicht zu ermitteln gewesen sei, lägen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO vor. Von den drei Ursachen für den Gewinnentgang (unansehnliches Gebäude; Konkurrenz durch A & O-Geschäft; verminderte Einsatzfreude des Klägers) seien die schadensursächlichen Auswirkungen höher zu bewerten als vom Erstgericht angenommen. Das Berufungsgericht halte einen Anteil von drei Vierteln für erstattungsfähig. Die geringere Einsatzfreude des Klägers als Mitursache für den Gewinnentgang sei von der beklagten Partei zumindest mitzuvertreten. Nur der Gewinnentgang der Jahre 1978 und 1979 sei zu ersetzen, weil die Sanierungsarbeiten schon im Jahre 1979 hätten abgeschlossen werden können. Der Kläger habe gegen die Pflicht zur Schadensminderung verstoßen, weil er die Schäden nicht behoben habe, obwohl dies technisch möglich gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist teilweise berechtigt. Der Revisionswerber meint, die für den Verdienstentgang mitursächliche verminderte Einsatzfreude des Klägers hätte bei der Festsetzung des Schadenersatzbetrages gemäß § 273 Abs 1 ZPO nicht als mindernd berücksichtigt werden dürfen, weil dem Kläger damit ein Mitverschulden am Schaden vorgeworfen werde, was unzulässig sei, weil die beklagte Partei eine verschuldensunabhängige Haftung treffe. Dem ist nicht zu folgen. Abgesehen davon, daß der Geschädigte auch bei einer verschuldensunabhängigen Haftung des Schädigers die Pflicht hat, die zur Schadensminderung erforderlichen, ihm zumutbaren Maßnahmen von sich aus zu treffen, ist in der als Mitursache für den Gewinnentgang festgestellten verminderten Einsatzfreude des Klägers ("gebremster Elan") keine Verletzung einer Schadensminderungspflicht zu sehen. Die auf einem freien Willensentschluß des Geschädigten beruhende Haltung darf nicht allein dem Schädiger zugerechnet werden. Da das Berufungsgericht diesen Umstand bei der Schadensfestsetzung ohnehin nur geringfügig berücksichtigte, ist der Kläger insoweit durch eine unrichtige rechtliche Beurteilung nicht beschwert.

Berechtigt ist die Rüge des Klägers, die Feststellung der Vorinstanzen, daß die Instandsetzung seines Hauses bis zum Frühjahr 1979 (technisch) möglich gewesen wäre, reiche zur Annahme der Verletzung einer Schadensminderungspflicht nicht aus. Nach ständiger Rechtsprechung (JBl 1958, 603; SZ 37/151; ZVR 1980/10 und 72; ZVR 1982/160; JBl 1985, 746 uva) und Lehre (Koziol, Haftpflichtrecht 2 I 330; Rosenberg, Beweislast 5 144; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 10 zu § 1304) hat der Schädiger die zu einer Einschränkung der Ersatzpflicht führende Mitverantwortung des Geschädigten zu behaupten und zu beweisen. Das gilt daher auch für die Verletzung einer Schadensminderungspflicht. Weder das Mitverschulden noch die Schadensminderungspflicht ist somit von Amts wegen wahrzunehmen (ZVR 1965/36; ZVR 1975/164; SZ 49/19; SZ 52/84; auch SZ 55/84; Koziol aaO 330; Rosenberg aaO 144; Reischauer in Rummel aaO Rdz 44; Strieder in Handbuch der Beweislast im Privatrecht 105 FN 16 ff). Nur eine schuldhafte Verletzung der Schadensminderungspflicht führt zur Kürzung der Ansprüche des Geschädigten (SZ 47/69; ZVR 1980/152 ua). Der Schädiger muß daher beweisen, daß dem Geschädigten die Schadensminderung möglich und objektiv zumutbar war, wogegen der Geschädigte dann beweisen muß, daß ihm die Maßnahmen subjektiv unzumutbar gewesen sind (8 Ob 29/85;

Reischauer aaO Rdz 44 letzter Absatz; vgl. Strieder aaO 105). Die

objektive Zumutbarkeit setzt bei Sachschäden neben der Erkennbarkeit

der Zweckmäßigkeit des Rettungsaufwandes voraus, daß dem

Geschädigten die zur Schadensbehebung erforderlichen Mittel zur

Verfügung stehen oder von ihm leicht beschafft werden können und

keine unzumutbaren Belastungen auslösen, was jedenfalls bei größeren

Aufwendungen zur Schadensbehebung, die hier notwendig waren, und

Leistungsverweigerung durch den Schädiger nicht selbstverständlich

ist. Zu all diesen Fragen hat die beklagte Partei kein Vorbringen

erstattet, während der Kläger - nur zum Teil im Rahmen unzulässiger

Neuerungen in Rechtsmittelschriften - mehrmals darauf hinwies, daß

er die Reparatur unterließ, um die Beweislage nicht zu

beeinträchtigen, ihm die Mittel hiefür nicht zur Verfügung gestanden

seien und ihm eine Ausweitung seines Kredites nicht zumutbar gewesen

wäre (Band I AS 140 f; Band II AS 6, 7). Dazu erstattete die

beklagte Partei nicht einmal ein Vorbringen, obwohl die Darlegungen

des Klägers eine Erwiderung geradezu herausgefordert hätten.

Der Kläger hat daher über den Zeitpunkt des technisch möglichen Abschlusses der Sanierungsarbeiten hinaus Anspruch auf Ersatz der entgangenen Mietzinse und des Gewinnentganges aus dem Getränkehandel. Der von den Vorinstanzen für ein Jahr gemäß § 273 Abs 1 ZPO mit S 20.000 angenommene Mietzinsentgang ist somit dem Kläger auch für die Zeit von der Verlegung seiner Büroräume (März 1978; nicht aber schon vom Eintritt der Bauschäden im Frühjahr 1977

an) bis April 1982 zuzusprechen und mit insgesamt S 80.000 zu bemessen. Bei dem vom Kläger begehrten Verdienstentgang aus den Getränkehandel tritt nur eine geringfügige Erhöhung ein. Der Kläger machte nämlich mit der Klage vom 18. Februar 1980 nur den bis dahin eingetretenen Verdienstentgang in der Höhe von S 250.000 geltend (Band I AS 6). Zu der anläßlich der Geltendmachung anderer Schadensposten vorbehaltenen Ausdehnung jenes Betrages kam es nicht. Für die Jahre 1978 und 1979 wurde dem Kläger bereits ein Betrag von

S 60.000 zugesprochen, der für die Zeit vom 1. Jänner 1980 bis 18. Februar 1980 mit Rücksicht darauf, daß der Schaden auch auf Ursachen beruht, die mit dem unansehnlichen Zustand des Gebäudes nicht zusammenhängen, nur mit weiteren S 1.500 zu bemessen ist. Insgesamt ist daher der dem Kläger gebührende Ersatz auf

S 141.500 (S 80.000 Mietentgang, S 61.500 Verdienstentgang aus dem Getränkehandel) zu erhöhen. In diesem Umfang ist der Revision Folge zu geben.

Die Revisionsbeantwortung ist verspätet. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 40, 43 Abs 1, 50 ZPO. Zu einer Abänderung der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen, die ohnehin auf einer weitgehenden Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO beruhen (S 21 bis 26 des Berufungsurteils), besteht wegen der nur unbeträchtlichen Erhöhung der Gesamtzusprüche kein Anlaß.

Anmerkung

E07854

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00006.86.0317.000

Dokumentnummer

JJT_19860317_OGH0002_0010OB00006_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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