Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helene S***, Pensionistin, Kottingbrunn, Josef Haydngasse 13, vertreten durch Dr.Norbert Wittmann und Dr.Johannes Ehrenhöfer, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei M***
K***, Kottingbrunn, vertreten durch Dr.Willi Fuhrmann und Dr.Helmut Steiner, Rechtsanwälte in Baden, wegen 15.000 S sowie Leistung und Duldung (Gesamtstreitwert 30.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 28.August 1985, GZ R 248/85-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Baden vom 6.März 1985, GZ 3 Cg 547/84-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.069,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon 257,25 S Umsatzsteuer und 240 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstückes EZ 2117 KG Kottingbrunn mit dem Haus Josef Haydngasse 13. Das Grundstück liegt in der sogenannten Ausiedlung und wurde in den Jahren 1966 bis 1967 aufgeschlossen. Es handelte sich um ein nasses Grundstück (saure Wiese), bei dem vor der Aufschließung ca. 20 cm unter dem gewachsenen Boden Grundwasser anzutreffen war. Anläßlich der Grundaufschließung erteilte die beklagte M*** K***
dem Teilungswerber Johann P*** die Auflage, daß der Wasseranschluß, der Lichtanschluß und die Straße herzustellen seien; eine Drainage wurde nicht verlangt; dem Bürgermeister der beklagten Partei war vor Beginn der Aufschließungsarbeiten auch nicht bekannt, ob eine Drainage errichtet werden muß. Im Zuge der Verlegung der Verbandswasserleitung der Triestingtaler Südbahn-Gemeinden sowie der Herstellung des Straßenunterbaus wurde eine aus Tonrohren bestehende Arbeitsdrainage von der Baufirma Ing. S*** im Auftrag des Teilungswerbers Johann P*** hergestellt. Ohne Erstellung dieser Arbeitsdrainage, die direkt unter dem in der Josef Haydngasse verlegten Wasserleitungsstrang verläuft, wäre auf Grund des hohen Grundwasserspiegels eine Verlegung der Wasserleitung nicht möglich gewesen. Von der beklagten Partei wurde eine Drainage nicht verlegt. Schon unmittelbar nach Fertigstellung des Objektes, noch bevor die Klägerin eingezogen war, stand der Keller des Hauses 40 cm unter Wasser. Wegen dieser Überschwemmung wurde über Veranlassung des Johann P*** von der Fa. Ing. S*** für den nördlichen Teil der Josef Haydngasse auf dem Grundstück 1410/2 ein Sickerschacht gebaut. Von diesem wurde zu einem nördlich davon gelegenen Teich eine Drainageleitung verlegt. Im Jahre 1974 ließ die Klägerin eine neue Drainage verlegen. Von einem Sammelschacht an der nördlichen Grenze ihres Grundstückes, in dem Regenwasser aus den Regenrinnen des Hauses gesammelt wird, führt eine ca. 4 m lange Rohrleitung zum Beginn jener Drainageleitung, die ca. 1 m außerhalb des Grundstücks der Klägerin zu dem etwa ca. 40 m entfernten erwähnten Sickerschacht verläuft. Vom Sickerschacht führt eine weitere Rohrleitung zum Grundstück 1410/2 auf dem ursprünglich ein Teich vorhanden war. Das Grundstück gehörte zunächst Johann P***, nach seinem Tod wurde es an Robert V*** verkauft; der darauf befindliche Teich wurde über Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Baden von Robert V*** zugeschüttet. Am 28.Oktober 1980 brachte die Klägerin bei der Bezirkshauptmannschaft Baden eine Beschwerde ein, daß zufolge der Zuschüttung des Teiches die Drainageleitung bei Regen das Wasser nicht mehr abführen könne, so daß ein Rückstau eintrete. Die Klägerin ersuchte um rascheste Erledigung, weil bei neuerlichen Regenfällen eine Durchnässung des Hauses zu befürchten sei. Die beklagte Partei hat keine Zusage dahin gemacht, die Drainageanlage zu warten.
Die Klägerin begehrt die beklagte Partei schuldig zu erkennen, den Betrag von 15.000 S s.A. zu bezahlen, weiters begehrt sie die beklagte Partei zu verpflichten, die in ihrem Eigentum stehende Drainageleitung in ihrem Bestande und ihrer Funktion zu erhalten und den Abfluß des Oberflächenwassers von der EZ 2117 KG Kottingbrunn zu dulden. Die Klägerin führt zur Begründung ihres Begehrens aus, sie habe im Jahr 1974 ihr Haus an die bereits früher von der beklagten Partei erstellte Drainageleitung angeschlossen. Durch die im Jahre 1980 verfügte Beseitigung des Sickerteichs könne das Regenwasser nicht mehr abfließen, so daß sich bei Regen ein Rückstau bilde. Es handle sich dabei um die Verhinderung des Oberflächenwasserabflusses durch Unterlassung der Instandhaltung der gemeindeeigenen Drainage durch die beklagte Partei. Das rückstauende Wasser überschreite das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Ausmaß und beeinträchtige die ortsübliche Benützung ihres Grundstückes wesentlich. Es sei ihr auch bereits ein Schaden in der Höhe des Klagsbetrages entstanden.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Der über Veranlassung der Bezirkshauptmannschaft Baden als Wasserrechtsbehörde zugeschüttete Sickerteich sei nicht in ihrem Eigentum, sondern im Eigentum des Robert V*** gestanden. Die Klägerin habe sich widerrechtlich an die provisorische Arbeitsdrainage, welche in ihrer Funktion auf die Dauer der Arbeiten zur Errichtung der Josef Haydngasse beschränkt gewesen sei, angeschlossen. Eine Immission gehe vom Grundstück der beklagten Partei nicht aus. Der Schadenersatzanspruch sei verjährt, weil die Klägerin bereits im Jahre 1980 von der Zuschüttung des Sickerteiches Kenntnis erhalten habe.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Das Zahlungsbegehren sei verjährt, weil der Klägerin die Schadensursache, die Zuschüttung des Sickerteiches, bereits am 28.Oktober 1980 bekannt geworden sei. Auch das übrige Begehren sei nicht gerechtfertigt. § 264 Abs. 2 ABGB bilde keine taugliche Grundlage für das Begehren. Die Drainageleitung sei nicht von der beklagten Partei errichtet worden; die beklagte Partei habe sich auch gegenüber der Klägerin nicht verpflichtet, diese Leitung instandzuhalten.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Die Klägerin habe eine Art Hauskanal errichtet, durch den Regenwasser in die auf Gemeindegrund befindliche Drainage einfließe, um durch diese zum Sickerschacht und von dort durch eine weitere Drainage in den Sickerteich abgeleitet zu werden. Eine Behauptung, daß die beklagte Partei durch irgendwelche Maßnahmen auf einem ihr gehörigen Grundstück den Rückstau herbeigeführt habe, sei von der Klägerin nicht aufgestellt worden. Die Klägerin habe auch nicht behauptet, daß die Drainage, soweit sie sich auf Gemeindegrund befinde, funktionsunfähig geworden sei. Die beklagte Partei habe keinerlei Handlungen oder Unterlassungen auf einem ihr gehörigen Grundstück gesetzt, durch das eine die Klägerin belastende Immission verursacht worden sei. Das Untersagungsrecht des § 364 Abs. 2 ABGB richte sich aber nur gegen den, der durch Vorkehrungen auf seinem Grundstück unzulässige Störungen am Nachbargrund hervorrufe, also den Eigentümer, der selbst Einwirkungen verursache oder Einwirkungen durch andere dulde. Der Grundeigentümer könne aber für Einwirkungen, die nicht von seinem Grund, sondern von einem anderen Grundstück ausgehen, nicht haftbar gemacht werden. Belangt könne nur der werden, auf dessen Grund sich die Ursache für eine Immission befinde. Die Ursache für den Wasserrückstau sei darin gelegen, daß der Sickerteich, der sich am Grundstück des Robert V*** befunden habe, zugeschüttet worden sei, wofür die beklagte Partei nicht verantwortlich gemacht werden könne. Eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen, mit der sich die beklagte Partei verpflichtet hätte, für eine Entwässerung des Grundstücks der Berufungswerberin zu sorgen, sei nicht behauptet worden. Demnach sei das Klagebegehren insgesamt nicht gerechtfertigt. Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der Klägerin kommt Berechtigung nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Ausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs. 3 letzter Satz ZPO).
Die Klägerin hat nicht behauptet, daß sich die beklagte Partei ihr gegenüber vertraglich verpflichtet hätte, die in Rede stehende Drainageleitung in ihrer Funktion zu erhalten und den Abfluß des Oberflächenwassers von ihrer Liegenschaft zu dulden. Sie gründete ihr Begehren auf die nachbarrechtliche Bestimmung des § 364 Abs. 2 ABGB. Der Anspruch nach den §§ 364, 364 a ABGB richtet sich gegen den Grundnachbarn. Solche Ansprüche können auch im Verhältnis zwischen einem Privatgrundstück und einer öffentlichen Straße entstehen, insbesondere im Hinblick auf die dort verlegten Abwasseranlagen (vgl. SZ 55/105; SZ 52/79; SZ 51/184 u.a.). Für die Begründung der Haftung des Grundnachbarn ist nicht erforderlich, daß der Nachbar selbst die störende Einwirkung herbeiführt; verursacht sie ein anderer als der Eigentümer des Nachbargrundstückes, wird eine Haftung des Grundnachbarn von Rechtsprechung und Lehre dann als gerechtfertigt erachtet, wenn der Eigentümer die Einwirkung duldet, obwohl er sie zu hindern berechtigt und imstande gewesen wäre (MietSlg. 31.029; SZ 50/99; EvBl. 1976/190; SZ 45/132; SZ 42/159; SZ 38/106; JBl. 1965, 417; SZ 20/184; Klang in Klang Komm. 2 II 169; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht 2 II 321). Eine von der beklagten Partei auf ihrem Grund vorgenommene oder geduldete Einwirkung in Richtung auf das Grundstück der Klägerin (vgl. SZ 48/4; SZ 35/28) ist nicht erwiesen. Der Rückstau von Wasser in der Drainageleitung ist nicht auf Vorkehrungen zurückzuführen, für die die beklagte Partei verantwortlich zu machen wäre, sondern darauf, daß der Eigentümer des Grundstücks 1410/2 Robert V*** über Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Baden den auf seinem Grundstück befindlichen Teich, in den die Drainageleitung einmündete, zugeschüttet hat. Es ist nicht ersichtlich, welche Vorkehrungen die beklagte Partei hätte treffen können und müssen, um das Zuschütten des Teichs zu hindern. Aktenwidrig ist es, wenn die Klägerin davon ausgeht, daß die beklagte Partei die Drainageleitung verlegt habe. Schon allein deshalb ist die daraus gezogene Folgerung, die beklagte Partei sei auch zu ihrer Erhaltung verpflichtet, verfehlt. Ob es sich bei der in Rede stehenden Drainageleitung um eine bloße Arbeitsdrainage oder um eine solche zur Erhaltung des Wertes der an die Josef Haydngasse angrenzenden Grundstücke handelt, ist ohne Bedeutung; in beiden Fällen kommt dem gegen die beklagte Partei erhobenen Anspruch Berechtigung nicht zu.
Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E07723European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00004.86.0317.000Dokumentnummer
JJT_19860317_OGH0002_0010OB00004_8600000_000