TE Vfgh Beschluss 2001/9/24 G165/99

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Veröffentlicht am 24.09.2001
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Index

81 Wasserrecht, Wasserbauten
81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
WRG 1959 §31d

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags eines in der Abfallbranche tätigen Unternehmens auf Aufhebung von Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes betreffend Mülldeponien mangels Legitimation; Fehlen der rechtlichen Betroffenheit im Entscheidungszeitpunkt infolge Außerkrafttretens der bekämpften Bestimmungen

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragstellerin ist ein in der Abfallbranche tätiges Unternehmen und seit 1991 Betreiberin einer Deponie auf mehreren Grundstücken im Gemeindegebiet von St. M., Oberösterreich; die Deponie ist sowohl wasserrechtlich als auch gewerberechtlich genehmigt. 1993 wurde eine Erweiterung der Deponie abfallrechtlich genehmigt, sodaß diese ein Volumen von rund 758.000 m3 umfaßt.

Laut Genehmigungsbescheid vom 14. November 1994, befristet bis 31. Dezember 2049, dürfen nur näher bezeichnete Abfallarten aus den Verbandsgebieten der Bezirke Rohrbach, Urfahr-Umgebung und Eferding sowie jährlich 36.000 t aus einem erweiterten Einzugsgebiet übernommen werden.

2. Mit den vorliegenden, auf Art140 Abs1 vierter Satz B-VG gestützten Anträgen, beim Verfassungsgerichtshof am 2. November 1999 eingelangt, begehrt die Antragstellerin, §31 d Abs7 Wasserrechtsgesetz (WRG) BGBl. 215/1959 idF BGBl. I 155/1999 sowie die Wortfolgen "Verbot der Deponierung (§5 Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996)," in §31 d Abs3 litc Z3 WRG, BGBl. 215/1959 idF BGBl. I 155/1999 und "Davon ausgenommen ist das Verbot der Deponierung (§5 Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996)." in §31 d Abs3 letzter Absatz WRG, BGBl. 215/1959 idF BGBl. I 155/1999, in eventu die Wortfolgen "Verbot der Deponierung (§5 Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996)," in §31 d Abs3 litc Z3 WRG, BGBl. 215/1959 idF BGBl. I 155/1999 und "Davon ausgenommen ist das Verbot der Deponierung (§5 Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996)." in §31 d Abs3 letzter Absatz WRG, BGBl. 215/1959 idF BGBl. I 155/1999, in eventu die Wortfolge "Davon ausgenommen ist das Verbot der Deponierung (§5 Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996)." in §31 d Abs3 letzter Absatz WRG, BGBl. 215/1959 idF BGBl. I 155/1999, als verfassungswidrig aufzuheben und den Bund zum Kostenersatz verpflichten.

2.1. Die Antragstellerin verweist darauf, daß sie die Deponiegrundstücke käuflich erworben habe und gegenüber dem seinerzeitigen Liegenschaftseigentümer das unwiderrufliche Angebot abgegeben habe, die Deponiegrundstücke mit Wirkung vom 31. Dezember 2020 zurückzuverkaufen. Aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen hätte sie die Deponie bis längstens 2020 vollständig verfüllen und rekultivieren können.

Nach §29 Abs19 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) BGBl. 325/1990 in der geltenden Fassung unterliege ihre Deponie der Regelung des §31 d Abs3 WRG, da sie zum 1. Juli 1997 bestanden habe, nach §29 AWG bewilligt und noch nicht ordnungsgemäß aufgelassen worden sei. Das Verbot der Deponierung gemäß §5 der Deponieverordnung BGBl. 164/1996 (DepVO) sei daher für sie mit 1. Jänner 2004 gemäß §31 d Abs3 litc Z3 WRG, eingeführt mit der WRG-Novelle Deponien BGBl. I 57/1997 (richtig: BGBl. I 59/1997), einzuhalten. Die Antragstellerin könne dann nur mehr einen geringen Teil der Abfälle ablagern bzw. müsse sie den überwiegenden Teil einer mechanisch-biologischen Vorbehandlung unterziehen. Dies würde - selbst wenn es technisch und wirtschaftlich möglich sein sollte - zu einer massiven Reduktion der für die Deponierung verbleibenden Abfallmenge (ca. von 83 %) führen, sodaß ein rentabler Deponie(fort)betrieb ab 1. Jänner 2004 nicht möglich sein werde.

2.2. Die Antragstellerin bringt mit näherer Begründung vor, daß die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar und aktuell in ihre Rechtssphäre eingriffen und ihr auch kein zumutbarer Umweg zur Verfügung stünde, um ihre Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Im folgenden legt die Antragstellerin ihre Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen im einzelnen dar.

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie mit näherer Begründung die Antragslegitimation der Antragstellerin mangels aktueller Betroffenheit bestreitet und beantragt, den Individualantrag als unzulässig zurückzuweisen; in eventu verteidigt sie die angefochtenen Bestimmungen und beantragt, den Antrag als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die relevanten Regelungen des §31 d Abs3 WRG idF der Wasserrechtsgesetznovelle Deponien BGBl. I 59/1997 (die bekämpften Wortfolgen sind hervorgehoben) lauten:

"(3) Am 1. Juli 1997 bestehende, nach §29 AWG oder wasserrechtlich bewilligte, noch nicht ordnungsgemäß aufgelassene Deponien sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen an den Stand der Technik (§31 b Abs4) anzupassen:

a) ...

b) ...

c) Durch Anpassung an den Stand der Technik sind einzuhalten

1. ...

2. ...

3. ab 1. Jänner 2004 die Anforderungen betreffend Zuordnung von Abfällen zu Reststoff- und Massenabfalldeponien, Verbot der Deponierung (§5 Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996), Gesamtbeurteilung von Abfällen, besondere Bestimmungen zur Gesamtbeurteilung, Eingangskontrolle, Identitätskontrolle und Rückstellproben.

Die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen sind der Behörde jeweils spätestens sechs Monate vor den genannten Terminen anzuzeigen; §31 b Abs10 gilt sinngemäß. Abweichungen von den nach §29 Abs18 und 19 AWG verordneten Anforderungen können in sinngemäßer Anwendung des §31 b Abs11 gewährt werden. Davon ausgenommen ist das Verbot der Deponierung (§5 Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996). Anpassungsmaßnahmen bedürfen keiner Bewilligung, soweit dadurch nicht fremde Rechte (§12 Abs2) ohne Zustimmung der Betroffenen in Anspruch genommen werden.

(4) ...

(5) ...

(6) ...

(7) Der Landeshauptmann kann unter Bedachtnahme auf die wasser- und abfallwirtschaftlichen Erfordernisse durch Verordnung die Anpassungsfrist gemäß Abs3 litc Z3 für das in §5 Z7 Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996, normierte Verbot der Deponierung für noch nicht ordnungsgemäß abgeschlossene Deponien bis zur Verfüllung der rechtskräftig genehmigten Einlagerungsmenge, längstens jedoch bis 31. Dezember 2008, verlängern, wenn

1.a) die rechtskräftige Genehmigung der Deponie nach dem 1. Jänner 1988 und vor dem 1. Jänner 1997 nach §29 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 325/1990 in der geltenden Fassung, oder nach dem Wasserrechtsgesetz erteilt wurde,

b) die Deponie zumindest den Anforderungen der Richtlinien für Mülldeponien des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft und Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie aus dem Jahre 1988 entspricht,

c) die Anpassung an den Stand der Technik gemäß Abs3 litc Z1 und 2 bis 1. Juli 1999 abgeschlossen ist,

d) die insgesamt abgelagerte Menge pro Deponie ab dem 1. Jänner 1998 nicht mehr als 500 000 t beträgt und die jährlich abgelagerte Menge nicht größer als die Durchschnittsmenge der Kalenderjahre 1994 bis 1996 ist und

e) das jeweilige Bundesland bis 1. Jänner 1997 die Verpflichtung der Nachsorge (Finanzierung von Maßnahmen wie zB Instandhaltung der erforderlichen Infrastruktur, Sickerwassererfassung oder Gasbehandlung) für die vom Verbot der Deponierung gemäß §5 Z7 Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996, ausgenommenen Deponien nach deren endgültiger Schließung übernommen hat, oder

2.a) auf den betroffenen Deponien nur Abfall aus demselben Bundesland gelagert wird,

b) der im selben Bundesland eingesammelte Restmüll im überwiegenden Ausmaß einer thermischen Behandlung unterzogen wird und

c) die Voraussetzung nach Z1 litc erfüllt ist."

2. Art2 der AWG-Novelle Deponien BGBl. I 90/2000, mit welchem unter anderem die angefochtenen Bestimmungen gänzlich entfallen sind, lautet auszugsweise:

"Änderung des Wasserrechtsgesetzes 1959

Das Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959, in der Fassung BGBl. I Nr. 155/1999, wird wie folgt geändert:

1. ...

2. In §31 d entfallen die Abs2 bis 7.

3. - 16. ...

17. In §145 wird folgender Abs5 eingefügt:

'(5) Artikel 2 der AWG-Novelle Deponien, BGBl. I Nr. 90/2000, tritt mit 1. Jänner 2001 in Kraft.'"

3. Im Hinblick auf die dargestellte Rechtsentwicklung seit der Einbringung des vorliegenden Gesetzesprüfungsantrages ist ein Eingehen auf das Antragsvorbringen entbehrlich, da sich der gesamte Antrag schon aufgrund folgender Erwägungen als unzulässig erweist:

3.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß die Antragstellerin behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - in Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in ihren Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für sie tatsächlich und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre der Antragstellerin unmittelbar nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Voraussetzung der Antragslegitimation ist aber weiters, daß das bekämpfte Gesetz für die Antragstellerin auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wirksam ist.

3.2. Wie bereits dargelegt (II.2.), gehören die bekämpften Bestimmungen seit 1. Jänner 2001 nicht mehr dem Rechtsbestand an. Nach Lage des Falles ist die behauptete Betroffenheit jedenfalls nicht gegeben, weshalb der Antragstellerin die nicht bloß im Zeitpunkt der Antragseinbringung, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erforderliche Legitimation zur Anfechtung fehlt. Da dies hier vorliegt, ist es ausgeschlossen, daß §31 d WRG im angefochtenen Umfang für die Antragstellerin (noch) unmittelbar wirksam ist. Ihr Antrag ist daher zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 11365/1987, 12182/1989, 12413/1990, 12999/1992, 15116/1998).

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob einer sachlichen Erledigung des Antrages auch noch andere Prozeßhindernisse entgegenstünden.

5. Der Kostenspruch gründet sich auf §65 a VerfGG, der den Kostenzuspruch im Verfahren nach Art140 B-VG nur für den Fall des Obsiegens der Antragstellerin vorsieht.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G165.1999

Dokumentnummer

JFT_09989076_99G00165_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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