Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17.März 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Breycha als Schriftführers, in der Strafsache gegen Josef B*** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengerichts vom 18. Dezember 1985, GZ 7 a Vr 729/85-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug als Vertreters der Generalprokuratur, des Angeklagten Josef B*** und des Verteidigers Dr. Rogler zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3.Juli 1954 geborene beschäftigungslose Josef B*** des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB, des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB und des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit a WaffenG schuldig erkannt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruches hatte der Angeklagte in Steyr (zu Punkt 3 auch an anderen Orten)
1.) am 22.10.1985 den Alexander R*** durch gefährliche Drohung mit dem Tode, indem er ihm ankündigte, er werde ihn im Weigerungsfall erschießen, zu einer Handlung, nämlich zur Bezahlung eines nicht näher feststellbaren Geldbetrages zu nötigen versucht (Faktum 1; §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB),
2.) am 23.10.1985 dem Alexaner R*** eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt, indem er aus kurzer Entfernung aus einer Pistole der Marke P 38, Kaliber 9 mm, gegen dessen linken Unterarm einen Schuß abfeuerte, welcher einen Durchschuß, verbunden mit einer Durchtrennung des Ellennervs, und eine Rißquetschwunde im Bereich der linken Gesäßregion zur Folge hatte (Faktum 2; § 87 Abs. 1 StGB) und
3.) in der Zeit von April bis 23.Oktober 1985 unbefugt eine Faustfeuerwaffe, nämlich eine Pistole der Marke P 38, Kaliber 9 mm, besessen und geführt (Faktum 3; § 36 Abs. 1 lit a WaffenG). Gegen diesen Schuldspruch - der Sache nach nur wegen der beiden erstgenannten Straftaten - wendet sich der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem Beschwerdevorbringen zur Mängelrüge begründete das Erstgericht hinreichend, warum es zur Annahme gelangte, der Tätervorsatz des Angeklagten (Verbrechen der versuchten schweren Nötigung) habe die spezifische Drohung mit dem Tode im Sinn des § 106 Abs. 1 Z 1 StGB - entsprechend dem Wortlaut der Drohung - mitumfaßt. Denn es verwics in diesem Zusammenhang in den Gründen seines Urteiles ausdrücklich darauf, daß der Angeklagte dem Alexander R*** im Zug seiner verbalen Drohung ihn zu erschießen, falls er der Geldforderung nicht nachkomme, klarmachte, er (Angeklagter) führe bereits eine Pistole mit sich, und daß es für den Bedrohten gerade aus der sprachlichen Formulierung der Drohung (vgl insbesondere S 180) klar erkennbar war, daß Josef B*** aus einem Milieu kommt, in welchem man in solchen Angelegenheiten keinen Scherz kennt (S 266, 267 oben). Damit kam das Erstgericht seiner Begründungspflicht ausreichend nach, ohne daß es, wie der Beschwerdeführer zu Unrecht vermeint, auch noch der Anführung weiterer "zusätzlicher Erwägungen" bedurfte.
Die das Faktum 2 des Urteilsspruches (§ 87 Abs. 1 StGB) betreffende Beschwerdebehauptung, der Zeuge Alexander R*** habe vor der Polizei und vor dem Untersuchungsrichter bekundet, daß der Angeklagte keinen gezielten Schuß auf seine Hand abgegeben habe, ist unrichtig. Im Bericht der Bundespolizeidirektion Steyr über die erste Vernehmung des Alexander R*** (23.10.1985, 3 Uhr; S 31) wird über die Angaben des Befragten wörtlich ausgeführt: "Josef B*** hätte eine Pistole gezogen und gezielt aus nächster Nähe auf seine linke Hand geschossen. Der Täter habe sicher nicht beabsichtigt, ihn am Körper zu treffen, weil ihm dies sicher gelungen wäre, zumal er aus nächster Entfernung geschossen hat." Hieraus ergibt sich eindeutig, daß R*** mit dem Wort "Körper" den Rumpf meinte. Andernfalls stünde der zweite Satz nicht nur im Gegensatz zum vorangehenden, sondern wäre ("... weil ihm dies sicher gelungen wäre ...") auch sinnlos, zumal R*** tatsächlich am Körper (im richtigen Wortsinn) getroffen wurde. Nachdem R*** bei seiner zweiten polizeilichen Vernehmung (23.10.1985, 16 Uhr; S 51, 53) zur aufgeworfenen Frage nicht Stellung genommen hatte, gab er auch vor dem Untersuchungsrichter (S 181) an: "... er (der Angeklagte) zog die Pistole, lud sie durch und kam etwa bis auf weniger als einen halben Meter an meine Hand, bevor er schoß. Meiner Meinung nach hat er sie richtiggehend angesetzt. Falls er etwas anderes vorgehabt hätte (Schuß in den Körper oder Schuß neben mich) hätte er das auch tun können." Auch hier kommt wieder klar zum Ausdruck, daß R*** unter "Körper" den Rumpf versteht. Der behauptete Widerspruch zwischen den Bekundungen des Zeugen Alexander R*** im Vorverfahren und seiner belastenden Aussage in der Hauptverhandlung (S 240) liegt demnach nicht vor. Damit fällt aber der Vorwurf des Beschwerdeführers in sich zusammen, das Erstgericht habe sich mit einem solchen Widerspruch nicht auseinandergesetzt. Den weiteren Beschwerdeausführungen zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO - und zwar sowohl zum festgestellten Wortlaut der Äußerungen des Angeklagten bei der ihm angelasteten versuchten schweren Nötigung, als auch zur Konstatierung seiner Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB), den Zeugen R*** im Zuge des zu Faktum 2 des Schuldspruches umschriebenen Vorfalles schwer zu verletzen - ist zu erwidern, daß es sich hiebei durchwegs um den Versuch handelt, in einer im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Weise die freie Beweiswürdigung der Tatrichter zu bekämpfen. Das Erstgericht begründete seine Feststellungen hinreichend und im Einklang mit den Denkgesetzen und war im Sinn der Vorschrift des § 270 Abs. 1 Z 5 StPO nicht dazu verhalten, im Urteil alle im Beweisverfahren hervorgekommene Umstände einer besonderen Erörterung zu unterziehen. Es hat bloß in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen zu bezeichnen, die es als erwiesen annahm, und darüber hinaus auch die Gründe anzugeben, die zur Überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahmen führten (vgl Mayerhofer-Rieder StPO 2 , ENr 7 und 8 zu § 281 Z 5). Dieser Begründungspflicht wurde hier entsprochen.
Der Mängelrüge des Angeklagten kommt daher keine Berechtigung zu. Soweit der Angeklagte in seiner Rechtsrüge, in welcher er die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a und der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gemeinsam ausführt, zum Faktum 1 des Schuldspruches (§§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB) die objektive Eignung der geäußerten Drohung dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen, und damit ihre Qualität als "gefährliche Drohung" (§ 74 Z 5 StGB) im Sinn des § 105 Abs. 1 StGB, zumindest aber ihre objektive Eignung, dem Bedrohten als tatsächliche Drohung mit dem Tode (§ 106 Abs. 1 Z 1 StGB) zu erscheinen, in Zweifel zieht, ist er nicht im Recht. Nach den Urteilsfeststellungen spielte sich der Vorfall im Halbwelt-Milieu (Sex-Clubs und Animierbetriebe) zwischen dem ein schwer getrübtes Vorleben aufweisenden Angeklagten und dem Zeugen Alexander R*** ab, der seinerseits als Kellner in einem übel beleumundeten Lokal beschäftigt und dem der dort herrschende "Ehrenkodex" geläufig war (vgl S 257-259, 267, 271). Diese Umstände, sowie der Hinweis des eindeutig und massiv mit dem Erschießen drohenden Angeklagten darauf, daß er in der Gesäßtasche eine Pistole bei sich trage, lassen keinen Zweifel daran aufkommen, daß der gegen Alexander R*** ausgesprochenen Drohung in objektiver Hinsicht nicht nur die gemäß § 74 Z 5 und damit auch gemäß § 105 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Eignung zukam, sondern es sich auch um eine Drohung im Sinn der strafsatzerhöhenden Bestimmung des § 106 Abs. 1 StGB handelte. Ob im konkreten Fall beim Bedrohten tatsächlich Besorgnis erweckt wurde oder ob er - sei es aus besonderem Mut, aus Gleichmut oder beliebigen anderen Motiven - abweichend von der Beurteilung der Lage nach einem Durchschnittsmaßstab von keiner ernstlichen Besorgnis erfüllt war, ist rechtlich irrelevant
(vgl Leukauf-Steininger, Komm zum StGB 2 , RN 18 zu § 74, S 508). Die Rechtsrüge ist daher in diesem Umfang unbegründet. Soweit die Beschwerde aber neuerlich darzulegen sucht, daß im Faktum 1./ des Schuldspruches eine Drohung mit dem Tode nicht vom Vorsatz des Angeklagten umfaßt gewesen und im Faktum 2./ der Zeuge R*** nicht absichtlich schwer verletzt (§ 5 Abs. 2 StGB) worden sei, insoweit also nur das Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83, 84 StGB vorliege, bringt sie keinen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund zur gesetzmäßigen Darstellung. Sie übersieht nämlich, daß die Frage, ob jemand vorsätzlich (§ 5 Abs. 1 StGB) bzw (sogar) absichtlich (§ 5 Abs. 2 StGB) handelte oder nicht, eine Tatfrage ist, welche das Erstgericht im Sinn der von ihm als verwirklicht angesehenen Tatbilder in eindeutiger und hinreichend begründeter Weise im bejahenden Sinn löste (S 263, 267 und 269). So gesehen bleibt kein Raum, der rechtlichen Beurteilung der dem Angeklagten angelasteten und in Rede stehenden Tathandlungen gegenteilige Prämissen tatsächlicher Art zugrundezulegen.
Auch der Rechtsrüge des Angeklagten kann demnach kein Erfolg beschieden sein, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war. Das Schöffengericht verhängte über Josef B*** nach dem § 87 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren.
Bei der Strafbemessung berücksichtigte es das teilweise, wenn auch nicht reumütige Geständnis des Angeklagten, den Umstand, daß es bei der schweren Nötigung beim Versuch blieb, sowie eine gewisse Provokation durch das Tatopfer Alexander R*** als mildernd. Als erschwerend wertete es demgegenüber die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen sowie das Zusammentreffen eines ("weiteren, mit fünf Jahren Höchststrafe bedrohten") Verbrechens und eines ("weiteren") Vergehens. "Nicht unbeachtet" ließ das Erstgericht, daß bei Alexander R*** durch die Zerstörung des Ellennervs Dauerfolgen verbleiben werden und er sich auf der Flucht eine weitere schwere Verletzung zuzog. Beachtung fanden ferner die reifliche Überlegung sowie folgerichtige und brutale Durchführung und der hohe soziale Störwert der Tat.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der
über ihn verhängten Freiheitsstrafe an.
Die Berufung ist nicht begründet.
Die vom Erstgericht ausgemessene Freiheitsstrafe wird der Schuld des Angeklagten, dem Unrechtsgehalt seiner Tathandlungen, vor allem aber auch seiner durch zahlreiche Vorstrafen wegen vorsätzlicher Verletzungsdelikte belasteten Täterpersönlichkeit gerecht. Insbesonders in Anbetracht der sich aus der Wirkungslosigkeit selbst mehrjähriger Freiheitsstrafen ergebenden Hartnäckigkeit des verbrecherischen Willens bestand bei Josef B*** schon aus spezialpräventiven Gründen für eine Korrektur der ausgesprochenen dreijährigen Freiheitsstrafe kein Anlaß.
Der Berufung des Angeklagten war sohin ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E07833European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00032.86.0317.000Dokumentnummer
JJT_19860317_OGH0002_0110OS00032_8600000_000