TE OGH 1986/3/18 2Ob527/86

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Veröffentlicht am 18.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Edith F***, Angestellte, Kaplan-Weg 6, 8071 Hausmannstätten, vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg, Dr. Harald Hohenberg, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Willibald K***, Pensionist,

2. Leopoldine K***, Pensionistin, beide Afritschgasse 25, 8020 Graz, vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck, Dr. Hans Peter Pausch, Dr. Elisabeth Simma, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 2. Oktober 1985, GZ 2 R 140/85-14, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 14. Mai 1985, GZ 25 Cg 249/84-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten haben der Klägerin die mit 5.868,18 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.200 S Barauslagen und 424,38 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstbeklagte vermietete am 31.Oktober 1973 einen Teil der in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft EZ 249 KG Neudorf an Josef Z***. Das Bestandrecht wurde im Grundbuch eingetragen. Am 15.Oktober 1975 schloß der Erstbeklagte unter Beitritt der Zweitbeklagten mit den Ehegatten Z*** einen Leibrentenvertrag, nach welchem die Ehegatten Z*** die Liegenschaft EZ 249 KG Neudorf je zur Hälfte in ihr Eigentum übernehmen. Das im Bestandvertrag vom 31.Oktober 1973 vereinbarte lebenslängliche unentgeltliche Nutzungsrecht des Übergebers und seiner Gattin an einem Teil der Liegenschaft sollte aufrecht bleiben. Die Übernehmer verpflichteten sich zur Zahlung einer Leibrente von wertgesichert 4.600 S monatlich. Die Vertragspartner erklärten ihre ausdrückliche Einwilligung, daß auf Grund dieses Notariatsaktes die Löschung des Bestandrechtes, das Eigentumsrecht für Josef und Getrude Z*** und die Reallast der Leibrente einverleibt werde. Mit Kaufvertrag vom 18.April 1974 erwarb Josef Z*** die Liegenschaft EZ 401 KG Neudorf. Die Ehegatten Z*** nahmen eine Reihe von Darlehen auf, die auf den beiden genannten Liegenschaften hypothekarisch sichergestellt wurden. In der Folge wurde der Konkurs über das Vermögen des Josef und der Gertrude Z*** eröffnet. Mit Beschluß vom 22.Oktober 1982 wurde die kridamäßige Versteigerung beider Liegenschaften bewilligt und vom Bezirksgericht für ZRS Graz durchgeführt. In dem im Exekutionsverfahren erstatteten Schätzungsgutachten erwähnt der Sachverständige die im C-Blatt der Liegenschaft EZ 249 eingetragene Reallast der Leibrente und führt weiters aus, daß die beiden Beklagten das ungehinderte Nutzungsrecht an den beiden auf der Liegenschaft befindlichen Garagen haben. Dieses Nutzungsrecht bewertete der Sachverständige mit 600 S monatlich und berücksichtigte es bei der Ermittlung des Verkehrswertes ebenso wie die Reallast der Leibrente als Belastung. Das Bezirksgericht für ZRS Graz bewertete die Liegenschaft entsprechend dem Schätzungsgutachten mit 1,750.000 S und führte hiezu erläuternd aus, daß die Bewertung davon ausgehe, daß die Reallast vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen sei. Nach den Versteigerungsbedingungen hat der Ersteher die Reallast ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Bei der Versteigerung am 21.September 1983, an der sich der Ehegatte der Klägerin und die Raiffeisenkasse Graz - St.Peter beteiligten, wurden beide Liegenschaften der Raiffeisenkasse um 1,2 Mill. S zugeschlagen. Mit Kaufvertrag vom 30.Dezember 1983 verkaufte die Ersteherin die Liegenschaft an die Klägerin. Laut Kaufvertrag haftet die Verkäuferin dafür, daß die Liegenschaften frei von bücherlichen und außerbücherlichen Rechten Dritter seien, abgesehen von der Reallast der Leibrente und eines Pfandrechtes für Bauspardarlehen. Die Verkäuferin haftet dafür, daß den Ehegatten K*** außer der Reallast der Leibrente keine weiteren bücherlichen oder außerbücherlichen Rechte an der Liegenschaft zustehen. Den Vertragspartnern war das Schätzungsgutachten des Exekutionsverfahrens bekannt.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß den Beklagten über die ob der Liegenschaft EZ 249 KG Neudorf einverleibte Reallast der Leibrente hinaus an den Liegenschaften EZ 249 und 401 KG Neudorf keine Rechte zustehen, insbesondere nicht das Nutzungsrecht hinsichtlich zweier auf den Liegenschaften befindlichen Garagen bzw. das Nutzungsrecht hinsichtlich irgendeines Teiles der Liegenschaften. Sie brachte vor, sie habe an der Versteigerungstagsatzung teilgenommen, ihr Vertreter habe im Hinblick auf die Ungereimtheiten zwischen Grundbuchsstand, Schätzungsgutachten und Versteigerungsbedingungen vor Beginn der Versteigerung den Exekutionsrichter um Aufklärung gebeten. Dieser habe ausdrücklich erklärt, außer der Reallast der Leibrente seien keine Belastungen zu übernehmen. Die anwesenden Beklagten hätten dagegen nicht remonstriert.

Die Beklagten wendeten ein, sie hätten auf dem Teil der Liegenschaft, den sie sich sowohl im Bestandvertrag als auch im Leibrentenvertrag vorbehalten hätten, ein Bauwerk mit zwei Garagen bzw. Abstell- und Werkstättenräume errichtet. Außerdem hätten sie diesen Teil der Liegenschaft, der ihnen vorbehalten geblieben sei, durch einen Maschendrahtzaun eingefriedet und zur Straße hin ein Tor angebracht. Auf dem vorbehaltenen Grundstück seien eine Rasenfläche angelegt und Obstbäume gepflanzt worden. Bei einer auch nur oberflächlichen Besichtigung sei leicht erkennbar gewesen, daß an diesem Teil der Liegenschaft eine gesonderte Nutzung vorgenommen werde. Sowohl der Raiffeisenkasse Graz - St.Peter als auch der Klägerin sei das im Versteigerungsverfahren erstattete Sachverständigengutachten bekannt gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß das Klagebegehren, soweit es die Liegenschaft EZ 401 KG Neudorf betrifft, abgewiesen wird. Im übrigen, also hinsichtlich der Liegenschaft EZ 249 KG Neudorf wurde der Berufung nicht Folge gegeben. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, nicht 300.000 S, der von der Abänderung betroffene Teil nicht 15.000 S, der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes aber 60.000 S übersteigt. Es erklärte die Revision für zulässig.

Das Gericht zweiter Instanz führte aus, dingliche Rechte auf ein unbewegliches Gut würden nur in jenem Umfang erworben, der sich aus dem Hauptbuch ergebe oder aus der Berufung auf die genau bezeichnete Stelle der der Eintragung zugrunde liegenden Urkunde ersichtlich sei. Durch die in der Urkundensammlung erliegende Urkunde allein könne ein Recht, das im Hauptbuch nicht eingetragen sei, nicht begründet werden. Im C-Blatt der Liegenschaft EZ 249 KG Neudorf eingetragen sei aber nur die Reallast der Leibrente, nicht aber auch die Dienstbarkeit eines lebenslänglichen unentgeltlichen Nutzungsrechtes. Auch die Aufsandungserklärungen beträfen ausdrücklich nur die Reallast. Der Inhalt des Leibrentenvertrages rechtfertige die Schlußfolgerung, daß von den Parteien die Verbücherung des Nutzungsrechtes gar nicht gewollt gewesen sei und so nur ein inhaltlich ähnliches obligatorisches Recht entstanden sei. Für die Beklagten sei auch nichts zu gewinnen, wenn man unterstelle, daß eine nicht verbücherte vertragliche Dienstbarkeit der Nutznießung gegeben sei, weil nach den Versteigerungsbedingungen der Ersteher nur die Reallast der Leibrente ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen habe. Eine nicht verbücherte, wenn auch offenkundige Dienstbarkeit sei aber bei der Zwangsversteigerung gegenüber dem Ersteher wirkungslos, wenn sie nicht bis zur Versteigerung gegen den Verpflichteten mit der Klage zur Geltendmachung der Dienstbarkeit durchgesetzt und exekutiv oder durch eine freiwillig ausgestellte Erklärung des Verpflichteten verbüchert worden sei. Nur auf diese Weise könnte sich der Berechtigte die im § 150 EO vorgesehenen Rechte erhalten. Die rechtskräftigen Versteigerungsbedingungen allein seien dafür maßgebend, welche Lasten der Ersteher zu übernehmen habe. Die Absicht des Gesetzgebers sei dahin gegangen, daß der Ersteher die Liegenschaft frei von allen Lasten übernehme, ausgenommen jene, die er nach den Versteigerungsbedingungen zu übernehmen habe. Die Konsequenz daraus für eine auf Vertrag gegründete, aber nicht verbücherte persönliche Dienstbarkeit müsse ihr Erlöschen sein, weil auch insoweit eine nicht verbücherte vertragliche Dienstbarkeit nicht besser behandelt werden könne als verbücherte, aber vom Ersteher nicht zu übernehmende Dienstbarkeiten. Existierte demnach auch eine nicht verbücherte vertragliche Dienstbarkeit des Nutznießungsrechtes zugunsten der Beklagten an einem Teil der Liegenschaft EZ 249 KG Neudorf im Zeitpunkt des Erwerbes dieser Liegenschaft durch die Klägerin nicht mehr, dann könne auch der Klägerin weder schaden noch den Beklagten nützen, sollte die Klägerin damals tatsächlich von dieser Dienstbarkeit Kenntnis gehabt haben.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerber führen im wesentlichen aus, das Nutzungsrecht habe den Schätzwert der Liegenschaft beeinflußt und damit auch das geringste Gebot, das einen integrierenden Bestandteil der Versteigerungsbedingungen bilde. Die Ersteherin und die Klägerin hätten von diesem Nutzungsrecht Kenntnis gehabt. Es handle sich um eine offenkundige Dienstbarkeit, die trotz Nichtverbücherung geschützt sei. Unrichtig sei, daß die Vertragspartner eine Verbücherung des Nutzungsrechtes nicht gewollt hätten.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Die Frage, ob und inwieweit der Ersteher eine offenkundige, jedoch nicht verbücherte Dienstbarkeit gegen sich wirken lassen und daher übernehmen muß, wird nicht einheitlich behandelt. Während ein Teil der Lehre und Rechtsprechung der Auffassung ist, der Ersteher übernehme nur die ihm in den Versteigerungsbedingungen auferlegten Lasten (Heller-Berger-Stix, 1306; SZ 50/120 u.a.), wurde von einem anderen Teil die Ansicht vertreten, offenkundige nicht verbücherte Dienstbarkeiten seien vom Ersteher zu übernehmen, wenn sie bereits ersessen seien (Ehrenzweig 2 I/2; Klang in Klang 2 VI 588; SZ 56/105 u.a. - zu diesem Meinungsstreit vgl. überdies auch 1 Ob 611/85).

Im vorliegenden Fall braucht indes zu diesen divergierenden Ansichten nicht Stellung genommen zu werden. Das von den Beklagten in Anspruch genommene Nutzungsrecht wurde nämlich nicht ersessen, sondern beruht auf einem Vertrag (§ 480 ABGB). Aus der Ansicht, der Ersteher habe offenkundige ersessene Dienstbarkeiten zu übernehmen, läßt sich für die Beklagten daher nichts gewinnen. Überdies handelte es sich um keine Grunddienstbarkeit, sondern höchstens um eine persönliche Servitut. Bei einer solchen kommt Offenkundigkeit aber nicht in Betracht, es entscheidet der Grundbuchsstand (Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 481). Der Umfang der vom Ersteher zu übernehmenden persönlichen Dienstbarkeit wird ausschließlich durch die Versteigerungsbedingungen bestimmt (5 Ob 683/83). Die Hypothekargläubiger mußten die ihnen im Rang vorgehende Reallast der Leibrente gegen sich gelten lassen, keinesfalls aber ein im Grundbuch nicht eingetragenes persönliches (und daher nicht offenkundiges) Nutzungsrecht. Bei diesem Nutzungsrecht handelt es sich daher um kein Recht, dem Vorrang gegenüber dem Recht des betreibenden Gläubigers zukam und das daher gemäß § 150 Abs1 EO vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen war. Aus diesem Grund wurde das Nutzungsrecht der Beklagten auch nicht als ein vom Ersteher ohne Anrechung auf das Meistbot zu übernehmendes Recht in den Versteigerungsbedingungen angeführt. Der Umstand, daß das gegenständliche Nutzungsrecht den Schätzwert beeinflußte, kann nicht zur Folge haben, daß die Ersteherin ein solches Recht, daß sie nicht gemäß § 150 Abs1 EO ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen hatte, dennoch einem Dritten einräumen müßte. Zutreffend erkannten daher die Vorinstanzen im Sinne des Klagebegehrens, weshalb der Revision ein Erfolg zu versagen war. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E08001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00527.86.0318.000

Dokumentnummer

JJT_19860318_OGH0002_0020OB00527_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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