Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Annemarie K***, Friseurin,
8665 Langenwang, Grazerstraße 66 b, wider den Antragsgegner Peter K***, Bankangestellter, 8672 St. Kathrein am Hauenstein 111, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Rechtsanwalt in Graz, wegen gesonderter Wohnungnahme, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 28.Jänner 1986, GZ 1 R 426/85-18, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Weiz vom 11.November 1985, GZ F 8/85-12, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin stützt ihr Begehren, gemäß § 92 Abs2 ABGB festzustellen, daß ihre gesonderte Wohnungnahme rechtmäßig erscheine, auf das Vorbringen, sie sei vom Antragsgegner in der letzten Zeit mehrfach mißhandelt und dabei auch leicht verletzt worden.
Der Antragsteller bestritt das Vorliegen der Antragsvoraussetzungen. Die Antragstellerin unterhalte zugegebenermaßen ehebrecherische Beziehungen zu Heribert J***, sei aus der Ehewohnung ausgezogen und nunmehr an dessen Wohnort wohnhaft. Ihr Antrag diene nur dem Zweck, "das ehebrecherische Verhältnis ungeniert zu gestalten".
Das Erstgericht stellte fest, daß die Ehe der Parteien "seit mehreren Monaten in eine heftige Krise geraten" sei, in deren Verlauf die Antragstellerin, welche offenbar ehewidrige Beziehungen zu einem anderen Mann unterhalte, vom Antragsgegner mehrfach mißhandelt und bedroht worden sei. Es gab dem Antrag statt. Das Rekursgericht hielt auf Grund einer von ihm neuerlich durchgeführten Vernehmung beider Ehegatten folgenden Sachverhalt für erwiesen: Der Antragsgegner erlangte durch einen anonymen Anruf am 31.1.1985 und eigene Nachforschungen am 9.2.1985 davon Kenntnis, daß seine Ehefrau schon seit geraumer Zeit intime Beziehungen zu dem in Langenwang wohnhaften Herbert J*** unterhält. In den darauffolgenden Monaten stellte er die zunehmende Abwesenheit seiner Frau von zu Hause und eine dadurch bedingte Vernachlässigung der Betreuung des Kindes Daniela fest. Dies führte auch wiederholt zu wörtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen. Ende Juni 1985 wurde die leicht erregbare Antragstellerin im Zuge einer solchen Debatte aggressiv, worauf sie der Antragsgegner im Schlafzimmer an den Oberarmen ergriff und in die Richtung des Ehebettes stieß. Am 2.7.1985 ließ sich die Antragstellerin von ihrem Hausarzt bestätigen, daß sie am Vortag von ihrem Gatten mit Ohrfeigen und zwei Fußtritten mißhandelt worden sei; der Arzt stellte an ihr ein größeres Hämatom am rechten Oberarm und ein kleineres an der linken Wade sowie eine deutliche Druckempfindlichkeit im Bereich des linken Gesäßmuskels fest. Zu Schulbeginn 1985 meldete die Antragstellerin ohne Wissen des Antragsgegners die - zehnjährige - Tochter Daniela in der Hauptschule Langenwang an und begann überdies, einen Teil des Hausrats mit ihrem PKW nach Langenwang zu transportieren, wo ihr Herbert J*** seine Eigentumswohnung - dessen Frau und Tochter bewohnen ein Einfamilienhaus - unentgeltlich zur Verfügung stellte. Am 9.9.1985 wurde sie von ihrem Mann zur Rede gestellt, als sie gerade einige Sachen wegbringen wollte. Dieser verlangte die Herausgabe des Autoschlüssels, was sie ablehnte. Seit 11.9.1985 ist die Antragstellerin ständig in Langenwang und wird von Herbert J*** finanziell unterstützt. Die mj. Daniela geht in Langenwang zur Schule, wogegen die 17-jährige Tochter Claudia, die die Handelsschule in Mürzzuschlag besucht, nach etwa zwei Wochen zum Antragsgegner zurückgekehrt ist, mit dem sie nunmehr unter Mithilfe einer Mieterin gemeinsam den Haushalt führt. Die von der Antragstellerin behaupteten Mißhandlungen durch den Antragsgegner vom 1.7.1985 und 9.9.1985 hielt das Rekursgericht nicht für feststellbar.
Auf dieser Sachverhaltsgrundlage kam das Rekursgericht zur Abweisung des Antrages der Antragstellerin mit der Begründung, "die durch ein provokantes Vorgehen der Antragstellerin hervorgerufenen Verletzungen seien nicht auf eine Mißhandlungsabsicht seitens des Antragsgegners zurückzuführen". Es könne ihr - bei entsprechender Änderung ihres Verhaltens - ein Verbleib in der Ehewohnung zugemutet werden. Die gesonderte Wohnungnahme entspreche im übrigen auch nicht dem Wohle der beiden mj. Kinder.
In ihrem zulässigen (EFSlg.30.398, 32.703; 3 Ob 680/82 u.a.) Revisionsrekurs bringt die Antragstellerin vor, entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes sei sie vom Antragsgegner am 1.7.1985 durch Fußtritte und auch am 9.9.1985 mißhandelt worden und habe dabei jeweils leichte Verletzungen erlitten. Im übrigen sei die vom Rekursgericht verneinte Mißhandlungsabsicht von der Bestimmung des § 92 Abs2 ABGB nicht vorausgesetzt, vielmehr genüge ein fahrlässiges Verhalten. Auf Grund der in den ärztlichen Zeugnissen festgestellten Verletzungen und der wiederholten Mißhandlungen sei ihr ein weiterer Verbleib in der Ehwohnung keinesfalls zumutbar. Auch das Wohl der Kinder stünde der gesonderten Wohnungnahme nicht entgegen, weil die zehnjährige Tochter ohnehin von ihr betreut werde und die 17-jährige Tochter keiner unmittelbaren mütterlichen Pflege mehr bedürfe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.
Nach ständiger Judikatur ist der Oberste Gerichtshof auch in Außerstreitsachen nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz und daher an die rekursgerichtliche Beweiswürdigung gebunden. Deren Bekämpfung durch die Rekurswerberin ist daher unzulässig.
Gemäß § 92 Abs2 ABGB kann ein Ehegatte "vorübergehend abgesondert Wohnung nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung unzumutbar ist ...". Vorliegendenfalls leitet die Antragstellerin die Unzumutbarkeit eines Zusammenlebens mit dem Antragsgegner ausdrücklich aus dessen Verhalten, nämlich ihr gegenüber begangene mehrfache Mißhandlungen, ab. Das Rekurgericht hat diesbezüglich festgestellt, daß der Antragsgegner Ende Juni 1985 die leicht erregbare Antragstellerin, als sie während einer der wiederholten wörtlichen Auseinandersetzungen wegen ihrer Beziehungen zu Herbert J*** aggressiv wurde, ohne Mißhandlungsabsicht an den Oberarmen ergriff und in Richtung eines dort stehenden Bettes stieß. Mißhandlungen der Antragstellerin durch den Antragsgegner hielt es nicht für erwiesen. Das dem Antrag zugrundegelegte, für die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens behauptete Verhalten des Antragsgegners liegt somit nicht vor. Die beim einzigen Zwischenfall vom Antragsgegner gesetzte Reaktion auf ein unmittelbar vorangegangenes Verhalten der Antragstellerin rechtfertigt es bei verständiger Würdigung der Gesamtsituation noch nicht, für die Antragstellerin eine im Verhalten des Antragsgegners gegründete Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens anzunehmen. Dem ungerechtfertigten Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.
Anmerkung
E07860European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00538.86.0318.000Dokumentnummer
JJT_19860318_OGH0002_0020OB00538_8600000_000