TE OGH 1986/3/18 2Ob667/85

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Veröffentlicht am 18.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

B***-A***, 1037 Wien,

Traungasse 14-16, vertreten durch Dr. Rudolf Krilyszyn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Peter L. W***, Firmengesellschafter, 1200 Wien, Klosterneuburgerstraße 86, vertreten durch Dr. Friedrich Willheim, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2,893.638 S s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5. September 1985, GZ 1 R 144/85-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30. Jänner 1985, GZ 11 Cg 107/83-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil mit der Maßgabe bestätigt, daß der zugesprochene Betrag auf S 2,893.638 (und nicht auf S 2,983.638) lautet.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 25.427 (darin S 2.400,- Barauslagen und S 2.093 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Außer Streit steht, daß die Klägerin der A*** Vertriebsgesellschaft mbH (folgend kurz A***-Vertrieb) gemäß Vertrag vom 9.Juni 1981 Finanzierungsmittel von ursprünglich 3,000.000 S zur Verfügung stellte. Der Beklagte übernahm als geschäftsführender Gesellschafter der A***-Vertrieb für die Rückzahlung dieser Finanzierungsmittel gemäß Bürgschaftserklärung vom selben Tag die Haftung als Bürge und Zahler (§ 1357 ABGB). Die A***-Vertrieb sollte das zur Verfügung gestellte Kapital in 10 gleichen Jahresraten, jeweils zum 31.Dezember ab 1981, zurückzahlen, zahlte tatsächlich aber nur eine Jahresrate, somit 300.000 S zurück. Das Kapital war mit 10,2 % Zinsen p.a. zu verzinsen. Zusätzlich stand der Klägerin eine Bearbeitungsgebühr von 1 % vom Nominale der Beteiligung sowie ein "Gewinnvorweg" zu. Über das Vermögen der A***-Vertrieb wurde am 17. Februar 1983 vor dem Handelsgericht Wien das Konkursverfahren eröffnet, mit weiteren Zahlungen dieser Gesellschaft ist nicht zu rechnen.

Die Klägerin forderte vom Beklagten die Zahlung des der Höhe nach außer Streit gestellten Klagsbetrages aus den Rechtsgründen der Bürgschaft, des Anerkenntnisses, des Durchgriffs, des Schadenersatzes und "aller denkbaren (sonstigen) Rechtsgründe". Der Beklagte wendete ein, die A*** Geschäftsführungsgesellschaft mbH (folgend kurz A***-Geschäftsführung) habe die verbürgte Schuldverpflichtung von der A***-Vertrieb übernommen; die Klägerin habe diesem Schuldnerwechsel zugestimmt, nicht jedoch der Beklagte, sodaß seine Bürgschaft erloschen sei. Der Beklagte habe seine Bürgschaftsverpflichtung weder anerkannt, noch Zahlung versprochen, vielmehr eine Bürgschaftsschuld bestritten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Der am 9.1.1940 geborene Beklagte Peter W*** absolvierte bei seinem Vater im Textileinzelhandel eine kaufmännische Lehre, legte dann die Handelsakademiematura ab und erwarb durch 20 Jahre Bankpraxis auch einschlägige juristische Kenntnis, insbesondere auf Grund einer jahrelangen Tätigkeit als Kreditsachbearbeiter. Dann faßte der Beklagte den Entschluß, sich selbständig zu machen, und erwarb im April 1981 um S 500.000,--, die er aus eigenem aufbrachte, die A***-Vertriebsgesellschaft mbH (im folgenden A***-Vertrieb), eine aktive Firma mit dem Geschäftszweck Schuhgroßhandel. Peter W*** wurde als alleiniger Gesellschafter auch alleiniger Geschäftsführer. Für eine Übergangsperiode blieb der vormalige Geschäftsführer und Gesellschafter Robert M*** noch gewerberechtlicher Geschäftsführer, bis Peter W***, der erst Ende des Jahres 1981 seine fixe Anstellung bei der Bank aufgegeben hat, im März 1982 selbst um einen Gewerbeschein ansuchte, den er ohne Schwierigkeiten erhielt. Neben der A*** Vertrieb bestand die A*** Geschäftsführungsgesellschaft mbH (im folgenden A*** Geschäftsführung); bei dieser Besitzfirma war das Anlagevermögen eingebracht, die Durchführung der Geschäfte oblag dagegen der A*** Vertrieb. Erika W***, die Gattin des Beklagten, erwarb um S 100.000,-- diese Firma und wurde alleinige Gesellschafterin, alleiniger Geschäftsführer wurde ihr Gatte. Peter W*** und der Vorstandsdirektor der B***-A***

(B***) kannten einander als Branchenkollegen und der Beklagte verschaffte sich über diese Aktiengesellschaft die erforderlichen 3 Mio. Schilling zur Bezahlung des Anlagevermögens. Die Satzungen der B*** sahen allerdings vor, daß nur die A*** Vertrieb als tätige Firma Geld erhalten konnte. Sie hat das Geld auch erhalten, um es als Darlehen an die A*** Geschäftsführung weiterzugeben, welche damit vom Voreigentümer die Mietrechte erwarb. Bevor es zum Vertragsabschluß kam, hat die B*** die A*** Vertrieb genau geprüft. Die Bonität des Beklagten dagegen wurde nicht besonders geprüft, er legte nur seine Gehaltsbestätigung vor, wobei klar war, daß er bei der Bank demnächst ausscheiden werde, er wurde nach persönlichem Vermögen nicht gefragt und hatte solches auch nicht. Vor Vertragsabschluß wurde ihm jedoch bedeutet, daß er die Weisungen der B*** zu befolgen habe, ansonsten er als Geschäftsführer abberufen werde. Schließlich kam es am 9.6.1981 zum Abschluß des Beteiligungsfinanzierungsvertrages, dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der B*** zugrundegelegt wurden. Gleichzeitig unterschrieb Peter W*** die Bürgschaftserklärung Beil. ./B, der er mehr formale Bedeutung zumaß. Im Vordergrund stand zur Besicherung der Klägerin die Verpfändung der Hauptmietrechte durch die A*** Geschäftsführung, dazu kam die Abtretung des Darlehensrückzahlungsanspruches der A*** Vertrieb gegen die A*** Geschäftsführung und schließlich das notarielle Anbot auf Abtretung von 51 % der Geschäftsanteile der A*** Vertrieb, durch dessen Annahme die B*** den Beklagten etwa jederzeit hätte abberufen oder andere Maßnahmen hätte setzen können. Mitte des Jahres 1982 zeichnete sich auf Grund der allgemeinen schlechten Entwicklung im Schuhgroßhandel und der besonderen Geschäftsentwicklung bei der A*** Vertrieb die Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens ab und "hing alles vom Herbstgeschäft ab". Darüber informierte Peter W*** das Vorstandsmitglied der Klägerin Dkfm. F***. Dieser äußerte sich im Gespräch dahin, daß im Falle einer Insolvenz das gesamte Engagement fällig gestellt und die Bürgschaft in Anspruch genommen werden müßte; sollte das Geld nicht zurückfließen, würde der Beklagte wohl selbst bei Nichtzahlung in ein Konkursverfahren geraten. Da all dies jedoch auch für Dkfm. F*** eher unangenehm war - Bericht an seinen Aufsichtsrat über eine in Insolvenz geratene Firma, Fälligstellung gegenüber dem ihm bekannten Beklagten - , suchte man nach einem Ausweg. Dabei sollte im Fall einer Insolvenz die A*** Vertrieb nicht mehr Vertragspartner der B*** sein und die Schuld ohne Gläubigerbenachteiligung "aus den Büchern der A*** Vertrieb herauskommen". Darauf entwarf der Beklagte die Vereinbarung Beil. ./G, unterrichtete Dkfm. F*** davon und unterschrieb die Vereinbarung am 30.6.1982 oder einen Tag später für beide Firmen als deren Geschäftsführer. Die Vereinbarung hat folgenden Wortlaut:

"V***

abgeschlossen am heutigen Tage zwischen

A*** Vertriebsgesellschaft m.b.H. (A*** Vertrieb)

1060 Wien, Haydngasse 5

A*** Geschäftsführungsgesellschaft m.b.H. (A*** Geschäftsführung)

1060 Wien, Haydngasse 5

wie folgt:

I.

Die Beteiligungsfinanzierungs-Aktiengesellschaft 1037 Wien, Traung. 14-16 (B***) hat der A*** Vertrieb gemäß Vertrag vom 9.6.1981 samt Nebenverträgen Finanzierungsmittel in der Höhe von ursprünglich Schilling 3,000.000,00 zu den im Vertrag angeführten Sicherheiten und Bedingungen gegeben. Die Restschuld per heute beträgt Schilling 2,700.000,00 zuzüglich 10,713 % p.a. Zinsen ab 1.1.1982 - 30.6.1982, d.s. S 151.185,00, insgesamt somit S 2,851.185,00.

II.

Die A*** Geschäftsführung hat an die A*** Vertrieb das Objekt 1060 Wien, Haydngasse 5 gemäß Untermietvertrag vom 30.6.1982 auf 10 Jahre unkündbar untervermietet. Aus diesem Untermietvertrag steht der A*** Geschäftsführung unter dem Titel Mietenvorauszahlung ein Betrag von S 2,772.000,00 zu. Die B*** hat zu diesem Mietvertrag als Pfandgläubiger bezüglich der Hauptmietrechte ihre Zustimmung unter der Voraussetzung gegeben, daß seitens der A*** Geschäftsführung eine Erfüllungsübernahme für die Schuld von S 2,700.000,00 samt Zinsen erklärt wird.

III.

Die A*** Geschäftsführung übernimmt hiemit aufgrund der erhaltenen Mietenvorauszahlung von S 2,772.000,00 gemäß § 1405 ABGB gegenüber der A*** Vertrieb die Verpflichtung, die gesamte Schuld lt. Punkt I in Höhe von S 2,851.185,00 samt sämtlicher künftiger Zinsen unter Mitübertragung sämtlicher Rechte, Pflichten und Sicherheiten allein zu tilgen. Die A*** Geschäftsführung wir die A*** Vertrieb wegen aller Ansprüche der B***, die diese gegen die A*** Vertrieb stellen kann, schad- und klaglos halten. Der restliche Betrag der Schuld von S 79.185,00 d.i. der Differenzbetrag zwischen der übernommenen Gesamtschuld von S 2,851.185,00 und der erhaltenen Mietenvorauszahlung von S 2,772.000,00 wird in der Weise verrechnet, daß mit der Darlehensforderung von S 2,714.000,00, die die A*** Vertrieb gegen die A*** Geschäftsführung hat, kompensiert wird. Die restliche Darlehensforderung beträgt somit per 30.6.1982 nach Kompensation S 2,634.815,00.

IV.

Festgehalten wird, daß die zu Gunsten der B*** erfolgte Zession der Darlehensforderung von S 2,714.000,00 lt. Vertrag vom 9.6.1981 durch diese Erfüllungsübernahme im Innenverhältnis zwischen A*** Vertrieb als Zedent und A*** Geschäftsführung als Drittschuldner gegenstandslos geworden ist. Die A*** Geschäftsführung wird daher im Sinne der bestehenden Rückzahlungsvereinbarung für dieses Darlehen an die A*** Vertrieb direkt Rückzahlung leisten. Weiters wird die A*** Geschäftsführung die A*** Vertrieb wegen allfälliger Ansprüche der B*** aus dieser Zession schad- und klaglos halten."

Diese Vereinbarung wurde der Klägerin nach dem 28.7.1982 zur Kenntnis gebracht. Die Vereinbarung wurde bei der Klägerin begrüßt, im Fall einer Insolvenz sollte eben die A*** Geschäftsführung in Anspruch genommen werden, während man das Papier "vergessen könne", sollte ein Insolvenzverfahren unterbleiben. Tatsächlich wurde jedoch am 16.11.1982 das Ausgleichsverfahren und später der Anschlußkonkurs über das Vermögen der A*** Vertrieb eröffnet. Davon wurde die Klägerin informiert, es wurde jedoch erklärt, sie fühle sich durch den Ausgleich der A*** Vertrieb nicht betroffen und werde ihre Forderung im Ausgleich nicht anmelden, was auch tatsächlich unterblieben ist. Ab Einleitung des Insolvenzverfahrens kamen an die A*** Vertrieb keine Schreiben der Klägerin mehr, wohl aber am 9.12.1982 an die A*** Geschäftsführung, wo unter Bezug auf den "mit Ihrer Firma abgeschlossenen Beteiligungsfinanzierungsvertrag" ein Gewinnvorweg fällig gestellt (Beil. ./1) und für vereinbarte Beratung etc. Rechnung gelegt wurde (Beil. ./2).

Die A*** Geschäftsführung leistete auch Zahlungen. Mit Schreiben vom 2.2.1983 wurde bei der A*** Geschäftsführung die zweite Jahresrate für die Rückzahlung des Beteiligungskapitals in der Höhe von S 300.000,-- fällig gestellt und mit Schreiben vom 5.5.1983 gemahnt. Die A*** Geschäftsführung antwortete mit dem Schreiben vom 10.5.1983, bezog sich auf die "akzeptierte Schuldübernahmserklärung vom 30.6.1982" und ersuchte unter Hinweis auf eine in der Zwischenzeit eingeleitete Liquidation um Stundung. Im Schreibung der A*** Geschäftsführung vom 6.6.1983 wurde die Klägerin zur Verwertung der Mietrechte aufgefordert, ansonsten diese aufgekündigt werden müßten. Tatsächlich war weder der Beklagte noch die Klägerin in der Lage, die Mietrechte zu verwerten; diese mußten aufgekündigt werden, weil der hohe Mietzins nicht mehr zu bezahlen war. Die angeführten Schreiben wurden am 16.6.1983 vom Klagevertreter beantwortet, wo allerdings nicht der Formulierung "akzeptierte Schuldübernahme vom 30.6.1983" widersprochen, sondern nur auf die Verpflichtung im Zusammenhang mit den verpfändeten Mietrechten hingewiesen und der gesamte offene Betrag von S 2,893.638,-- gegenüber der A*** Geschäftsführung fällig gestellt wurde. Gleichzeitig wurde dieser Betrag auch von Peter W*** als Mitschuldner eingefordert. Dieser widersprach allerdings in seinem Schreiben vom 29.6.1983 und stellte fest, daß er in dieser Causa keine persönliche Bürgschaft habe. Nach Erhalt der Schreiben Beil. ./1 und ./2 vom 9.12.1982 hat der Beklagte eine Verpflichtung aus der Bürgschaft nicht mehr anerkannt und auch keine Zahlungen mehr versprochen. Er hat auch in keiner Weise einem Schuldnerwechsel als Bürge zugestimmt, die Klägerin ist deswegen übrigens an ihn gar nicht herangetreten. In rechtlicher Hinsicht kam der Erstrichter im wesentlichen zum Ergebnis, daß der Beklagte durch seine Bürgschaftserklärung Beil. ./B die Haftung als Bürge und Zahler (§ 1357 ABGB) für die Rückzahlung der der A*** Vertrieb gewährten Finanzierungsmittel übernommen habe. Dabei sei der Beklagte nicht als Kaufmann tätig gewesen, weshalb für die Bürgschaftserklärung Schriftform (§ 1346 Abs2 ABGB) notwendig gewesen sei. Durch den mit 30.Juni 1982 datierten Vertrag habe die A*** Geschäftsführung die durch Bürgschaft besicherte Schuldverpflichtung von der A*** Vertrieb übernommen. Diese Schuldübernahme sei der Klägerin zur Kenntnis gebracht worden. Die Klägerin habe danach ab 16.November 1982 und jedenfalls ab 9.Dezember 1982 ihre Forderungen in dem über das Verfahren der A*** Vertrieb eröffneten Insolvenzverfahren nicht angemeldet, nur mehr die A*** Geschäftsführung kontaktiert, von letzterer Beträge verlangt und teilweise bezahlt erhalten, und damit konkludent in die Schuldübernahme (§ 1405 ABGB) eingewilligt, andererseits aber eine Formulierung der A*** Geschäftsführung "die von Ihnen akzeptierte Schuldübernahmserklärung vom 30.6.1982" widerspruchslos hingenommen. Daß die Klägerin ihr schlüssiges Verhalten im nachhinein vielleicht bereut habe, sei eine andere Sache. Jedenfalls hafteten gemäß § 1407 Abs2 zweiter Satz ABGB Bürgen nur dann fort, wenn sie dem Schuldnerwechsel zugestimmt hätten. Die Bürgschaft des Beklagten sei auf Grund der Schuldübernahme durch die A*** Geschäftsführung mangels einer Einwilligung des nun beklagten Bürgen erloschen. Eine Weiterhaftung des Beklagten hätte einer neuerlichen - hier

fehlenden - schriftlichen Bürgschaftserklärung bedurft. Es liege kein Anerkenntnis vor, weil der Beklagte nach der schlüssig erklärten Einwilligung der Klägerin zur Schuldübernahme keine Handlungen in Richtung Anerkenntnis gesetzt, vielmehr ausdrücklich widersprochen habe. Auch aus dem Titel des Durchgriffs hafte der Beklagte nicht: Gemäß § 61 GmbHG hafte für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ihren Gläubigern gegenüber nur das Gesellschaftsvermögen. Das komme sowohl im Verhältnis zur A*** Vertrieb als auch zur A*** Geschäftsführung zum Tragen, die beide allerdings kein Gesellschaftsvermögen mehr besäßen. Das Auftreten des Beklagten als alleiniger Geschäftsführer von A*** Vertrieb und A*** Geschäftsführung, als alleiniger Gesellschafter von A*** Vertrieb und als Gatte der alleinigen Gesellschafterin der A*** Geschäftsführung könne den Klagsanspruch nicht begründen. Auch sonst fehlten Anhaltspunkte für ein deliktisches Verhalten oder für sonstige Rechtsgründe im Sinn der Klägerin.

Infolge Berufung der Klägerin änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der gänzlichen Klagsstattgebung ab. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, gelangte aber zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Gemäß § 1407 Abs2 ABGB werden die Nebenrechte der Forderung durch einen Schuldnerwechsel nicht berührt, Bürgen haften jedoch nur dann fort, wenn der Bürge dem Schuldnerwechsel zugestimmt hat. Ratio dieser Bestimmung sei, daß der neue Schuldner möglicherweise weniger zahlungskräftig sei als der alte und der Dritte, wenn er zahle, in die Rechte des Gläubigers eintrete. Für die Form der Zustimmung gebe es keine Vorschriften, sie könne auch konkludent erteilt werden. Von einer derartigen konkludenten Zustimmung müsse hier, wenn man die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche (§ 863 ABGB) nicht vernachlässige, ausgegangen werden. Denn der Beklagte habe als alleiniger Geschäftsführer beider Vertragspartner doch den Text der Vereinbarung Beilage ./G formuliert und darin in Punkt III. zum Ausdruck gebracht, daß sämtliche Rechte, Pflichten und Sicherheiten mitübertragen werden. Wenn der Beklagte als Bürge nicht weiter haften wollte, hätte er dies "namentlich als Geschäftsführer der A*** Geschäftsführung" zum Ausdruck bringen müssen, weil die Formulierung hinreichend deutlich klarstelle, daß er, der die Urkunde - wenn auch als Geschäftsführer zweier Gesellschaften mbH als Vertragspartner, was nicht als unzulässig angesehen werden könne - , unterfertigt habe, bei der gegebenen Sachlage dem Schuldnerwechsel zustimmte. Die erstgerichtliche Feststellung, nach dem 9.Dezember 1982 habe der Beklagte eine Verpflichtung aus der Bürgschaft nicht mehr anerkannt und auch keine Zahlungen mehr versprochen, stehe der Annahme seiner konkludenten, bereits vorher erfolgten Zustimmung als Lösung einer Rechtsfrage durch Urkundenauslegung nicht entgegen. Durch die Schuldübernahme bzw. den Schuldbeitritt werde der Rechtsgrund der Schuld nicht berührt. Er sei für den Übernehmer der gleiche wie für den Urschuldner. Darüber hinaus sei die Schuldübernahme ein abstrakter Vertrag, der Rechtsgrund zwischen Urschuldner und Übernehmer komme nicht in Betracht. Ob es sich daher beim Vertrag Beilage ./A tatsächlich um ein partiarisches Darlehen oder eine stille Gesellschaft handle, sei nicht relevant. Schon diese Erwägungen führten zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung im klagsstattgebenden Sinn, ohne daß auf das weitere Rechtsmittelvorbringen einzugehen gewesen sei. Der Höhe nach stehe die Klagsforderung außer Streit. Der Klagsbetrag sei am 16. Juni 1983 gegenüber der A*** Geschäftsführung fällig gestellt worden.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte führt aus, er habe lediglich in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der beiden Gesellschaften mbH die Vereinbarung Beilage ./G unterfertigt, jedoch kein Verhalten gesetzt, aus welchem seine Weiterhaftung als Bürge nach dem Schuldnerwechsel abgeleitet werden könnte. Der Beklagte habe keine Zustimmungserklärung abgeben wollen und eine solche auch nicht abgegeben. Die Zustimmung des Bürgen im Sinne des § 1407 ABGB komme der Begründung einer neuen Bürgschaft gleich, für welche im vorliegenden Fall Schriftlichkeit erforderlich gewesen wäre.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Entscheidungswesentlich ist im vorliegenden Fall die Frage der Weiterhaftung des Beklagten aus seiner Bürgschaftsverpflichtung gegenüber der Klägerin nach dem Schuldnerw`chsel. Gemäß § 1407 Abs2 ABGB werden die Nebenrechte der Forderung durch den Schuldnerwechsel nicht berührt. Bürgen und von dritten Personen bestellte Pfänder haften jedoch nur dann fort, wenn der Bürge oder Verpfänder dem Schuldnerwechsel zugestimmt hat. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß sich aus dem Gesetz eine besondere Formvorschrift für die Zustimmung des Bürgen, wie sie etwa gemäß § 1346 Abs2 ABGB für die Verpflichtungserklärung des Bürgen vorgeschrieben ist, nicht entnehmen läßt und diese Zustimmung daher auch schlüssig erfolgen kann. Ob ein bestimmtes Verhalten als konkludente Willenserklärung zu werten ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern welche Schlüsse der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung abzuleiten berechtigt war. Es entscheidet nicht die innere Absicht, sondern das objektive Verhalten (MietSlg.35.112; SZ 54/163 uva), wie es der Empfänger der Erklärung verstehen konnte (Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu §§ 922, 923; vgl. Westermann in Münchener Kommentar § 459 BGB Rz 52; Honsell in Staudinger 12 § 459 BGB Rz 75). Stillschweigend gilt nicht schlechthin als Zustimmung, wohl aber dann, wenn der Stillschweigende nach Treu und Glauben oder nach der Verkehrssitte hätte reden müssen (vgl. SZ 55/168, SZ 44/90 uva.).Die Beurteilung konkludenter Handlungen fällt in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung (vgl. EvBl 1959/218 uva.). Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, ist dem Berufungsgericht darin zu folgen, daß von einer konkludenten Zustimmung des Beklagten auszugehen ist, der als alleiniger Geschäftsführer beider Vertragspartner den Text der Vereinbarung Beilage ./G formuliert und darin in Punkt III. zum Ausdruck gebracht hat, daß sämtliche Rechte, Pflichten und Sicherheiten mitübertragen werden, und der daher, wenn er seine Weiterhaftung als Bürge hätte ausschließen wollen, dies nach Treu und Glauben hätte deutlich zum Ausdruck bringen müssen. In der Auffassung, daß das Verhalten des Beklagten unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles als schlüssige Zustimmung zum Schuldnerwechsel (§ 1407 Abs2 letzter Satz ABGB) zu werten ist, und der Beklagte daher der Klägerin gegenüber aus seiner Bürgschaftsverpflichtung weiterhin zu haften hat, kann daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen und das Urteil des Berufungsgerichtes zu bestätigen, wobei der offenbare Schreibfehler im Spruch der Entscheidung betreffend den zugesprochenen Betrag zu berichtigen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E07996

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00667.85.0318.000

Dokumentnummer

JJT_19860318_OGH0002_0020OB00667_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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