TE OGH 1986/3/18 2Ob512/86

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Veröffentlicht am 18.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 18. Februar 1985 verstorbenen, zuletzt in 1100 Wien, Stockholmerplatz 8/5, wohnhaft gewesenen Erich B***, infolge Revisionsrekurses der Stadt Wien, vertreten durch die Magistratsdirektion - Zivil- und Strafrechtsangelegenheiten, 1082 Wien, Rathaus, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 13. November 1985, GZ. 44 R 197/85-13, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 24. September 1985, GZ. 1 A 158/85-10, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der erstgerichtliche Beschluß ON 10, womit der Ludmilla K*** die Nachlaßaktiven von 43.394 S auf Abschlag der von ihr bezahlten Begräbniskosten von S 45.379 an Zahlungsstatt überlassen und ausgesprochen wurde, daß die Pflegegebührenforderung des Pflegeheimes der Stadt Wien-Lainz von S 23.635,37 im Nachlaß keine Deckung finde, wurde auf Grund der Anfechtung durch den Magistrat der Stadt Wien vom Rekursgericht aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. In seiner Begründung führte das Rekursgericht aus, gemäß § 73 AußStrG seien die Forderung von Begräbniskosten und jene für Pflegegebühren bevorrechtet, wobei die Begräbniskostenforderung dem Anspruch auf Krankenpflegeentgelt grundsätzlich vorgehe. Der Umfang der bevorrechteten Begräbniskosten richte sich nach § 549 ABGB und ihre Angemessenheit daher auch nach dem Vermögensstand des Verstorbenen. Von den mit insgesamt S 45.379 geltend gemachten Begräbniskosten (S 22.199 Begräbniskosten abzüglich Sterbegeld, S 360 Grabbukett, S 18.850 Grabstein, S 900 Grabpflege sowie S 120) erschienen vorliegendenfalls solche von etwa S 35.000 angemessen. Eine Sachentscheidung sei dem Rekursgericht noch nicht möglich, weil sich im Akt keine Nachweise über die behaupteten Ausgabenbeträge befänden.

Rechtliche Beurteilung

In seinem zulässigen (JB 203; NZ 1981, 108; SZ 19/333; SZ 23/390) Rekurs gegen den zweitinstanzlichen Aufhebungsbeschluß bekämpft der Magistrat der Stadt Wien die rekursgerichtliche Ansicht, die Begräbniskosten seien hier vorbehaltlich ihres Nachweises mit S 35.000 angemessen und es komme ihnen ein Vorrang gegenüber den Krankheitskosten zu. Richtigerweise wären die Kosten eines im Sinne des § 549 ABGB angemessenen Begräbnisses im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse des Verstorbenen mit S 20.000 bis S 25.000 anzunehmen. Nach der Regelung des § 73 AußStrG, welche seit dem Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes durch insolvenzrechtliche Bestimmungen nicht mehr berührt werde, erschienen Begräbnis- und Pflegekostenforderungen auch gleichrangig. Mangels ausreichender Verlassenschaftsaktiven seien somit beide Forderungsarten grundsätzlich gleichermaßen quotenmäßig zu befriedigen. Wohl werde den Begräbniskosten im Betrage von S 20.000 abzüglich Sterbegeld freiwillig ein Vorrang eingeräumt, doch seien die über diesen Betrag hinausgehenden Nachlaßaktiven im Verhältnis der restlichen Begräbniskosten zur Pflegekostenforderung der Rekurswerberin quotenmäßig aufzuteilen.

Dem Rekurs kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Vorliegendenfalls haben sowohl die Testamentserbin Ludmilla K*** als auch der Magistrat der Stadt Wien den Antrag gestellt, ihnen gemäß § 73 AußStrG zur (teilweisen) Abdeckung ihrer geltend gemachten Forderungen den Nachlaß an Zahlungsstatt zu überlassen. Nach der Regelung des § 73 AußStrG hat das Gericht in dem Falle, als der Nachlaß unbedeutend und nach den Umständen zu vermuten ist, daß nur die dringendsten Verlassenschaftsschulden berichtigt werden können, die Parteien über die Beschaffenheit und den Wert des Nachlasses, dann über den Betrag der Krankheits- und Leichenkosten und anderer mit besonderem Vorrecht verbundener Forderungen zu vernehmen und das dadurch erschöpfte Vermögen den Gläubigern an Zahlungsstatt zu überlassen.

Die Rekurswerberin vertritt die Rechtsansicht, die vorgenannte Gesetzesstelle sehe eine Gleichrangigkeit der Krankheits- und Leichenkosten vor und sei durch die Bestimmungen des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes BGBl. 1982/370 nicht berührt worden. Diesem Standpunkt kann aus nachstehenden Erwägungen nicht beigetreten werden:

Zur Rechtsfrage, ob Spitalverpflegskosten bevorrechtete Forderungen im Sinne des § 73 Abs. 1 AußStrG darstellen, hat der Oberste Gerichtshof in einem Plenissimarbeschluß vom 29. April 1919 Judikatenbuch Nr. 1 = SZ 1/98 grundsätzlich Stellung genommen. Hiebei führte er zur vorgenannten Bestimmung - deren Wortlaut seit der Kundmachung des Außerstreitgesetzes RGBl. 1854/208 unverändert blieb - allgemein aus: "Aus § 73 AußStrG folgt einerseits die Verteilung des unbedeutenden Nachlasses im Maße der konkursmäßigen Befriedigung, andererseits aber auch, daß Forderungen, die im Konkurse bevorrechtet sind, auch hier die gleichen Vorrechte genießen. Der § 73 AußStrG erwähnt allerdings, daß die Parteien über den Betrag der Krankheits- und Leichenkosten und anderer mit besonderem Vorrechte verbundener Forderungen zu vernehmen sind, woraus schon auf ein durch diese Bestimmung den Krankheitskosten eingeräumtes Vorrecht geschlossen werden kann. Seinen Umfang regelt aber doch nur die Konkursordnung, weil Leichen- und Krankheitskosten im § 73 AußStrG den anderen, mit besonderen Vorrechten verbundenen Forderungen gleichgestellt, also als Art der mit besonderem Vorrecht verbundenen Forderungen bezeichnet werden, das ihnen zukommende Vorrecht jedoch weder der Klasse noch dem Umfange nach des näheren beschrieben wird. Die Verteilung im Maße der konkursmäßigen Befriedigung ist eben die Bestimmung, die den Umfang des erwähnten Vorrechtes umschreibt, seine Verwirklichung ermöglicht."

Hiezu ist festzuhalten, daß zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Außerstreitgesetzes und damit seines bis jetzt unverändert gebliebenen § 73 Abs. 1 - die Absätze 2 und 3 wurden im Zuge von Novellierungen angefügt - die Josefinische Konkursordnung JGS 1781/14 gegolten hatte (siehe auch FN 1 zu § 74 AußStrG in Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen MGA 2 1984). Nach deren § 15 gehörten zur ersten, mit Vorrecht ausgestatteten Konkursklasse

a)

die zum Begräbnis des Verschuldeten notwendigen Unkosten....

d)

Die Ärzte, Notärzte und Apotheker mit ihren Forderungen.... Somit ist aber im Hinblick auf den Wortlaut der Bestimmung des § 73 Abs. 1 AußStrG ".....der Krankheits- und Leichenkosten und anderer mit besonderem Vorrecht verbundener Forderungen....." und den Umstand, daß den Krankheits- und Leichenkosten schon auf Grund der bei Inkrafttreten des Außerstreitgesetzes geltenden vorgenannten konkursrechtlichen Bestimmungen die Stellung von "mit besonderem Vorrecht verbundenen Forderungen" zukam, der im vorgenannten Plenissimarbeschluß vertretenen Rechtsansicht zu folgen, wonach eben Krankheits- und Leichenkosten auch selbst nur Arten von bereits mit besonderen Vorrechten ausgestatteten Forderungen sind. Damit ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die Anordnung des § 73 Abs. 1 AußStrG keine völlig eigenständige Begründung von Vorrechten enthält, sondern notwendig mit den jeweiligen einschlägigen konkursrechtlichen Bestimmungen in Zusammenhang steht. Die Regelungen der §§ 46 und 145 AußStrG, wonach zur Berichtigung der Leichenkosten und anderer dringender Auslagen die erforderlichen Beträge aus den Verlassenschaftsgeldern vorgeschossen und zur Bestreitung dieser Auslagen und Kosten sowie auch Krankheitskosten Güter veräußert und Forderungen abgetreten werden können usw., ändern daran nichts - die Entscheidung SZ 15/129 verweist zwar auf diese Bestimmungen der §§ 46, 145 und 73 AußStrG - weil sie zu dem in § 73 AußStrG geregelten Fall der Aufteilung bei Nachlaßüberschuldung nichts aussagen. In diesem Falle ist nicht die Dringlichkeit der Auslage sondern ein bestehendes Vorrecht der Forderung maßgebend.

Im obgenannten Plenissimarbeschluß hat der Oberste Gerichtshof hinsichtlich der Spitalspflegekosten im weiteren ausgesprochen, daß ihnen, soweit sie Leistungen nach der damals geltenden Bestimmung des § 51 Z 4 KO (Arztkosten usw.) betreffen, nach dieser Gesetzesstelle, also das Vorzugsrecht der ersten Klasse, im übrigen aber als "öffentlichen Abgaben" gemäß dem damals geltenden § 52 KO das Vorzugsrecht der II. Klasse zukommt. Demgemäß waren sie zur Gänze konkursrechtlich bevorrechtete Forderungen im Sinne des § 73 Abs. 1 AußStrG.

In der Folge hat der Gesetzgeber in § 45 Abs. 5 des Krankenanstaltengesetzes StGBl. 1920/327 angeordnet, daß Pflegekosten zu den Konkursforderungen erster Klasse zählen. Diese Bestimmung wurde vom § 47 des geltenden Krankenanstaltengesetzes 1956, BGBl. 1957/1, übernommen. Das Insolvenzrechtsänderungsgesetz (IRÄG) BGBl. 1982/370 hat, von den für die Übergangszeit getroffenen, mit Rücksicht auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt 18. Februar 1985 nicht mehr anzuwendenden Ausnahmeregelungen abgesehen, die bisherigen Bestimmungen der §§ 51 und 52 KO und damit die Konkursklasseneinteilung aufgehoben. Nach dem neuen Konkursrecht zählen gemäß § 46 Abs. 1 Z 7 KO die Kosten einer einfachen Bestattung des Gemeinschuldners zu den Masseforderungen. Krankheitskosten oder im besonderen Pflegekosten sind im Konkurs nicht mehr begünstigt, sondern fallen gemäß § 50 KO idgF in die gemeinschaftliche Konkursmasse, in welcher alle Konkursforderungen grundsätzlich nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu befriedigen sind. Hinsichtlich früherer gesetzlicher Verweisungen auf die §§ 51 und 52 KO - also auch jener in § 47 KAG 1956, BGBl. 1957/1 idgF - ordnet Art. XI § 8 Abs. 2 IRÄG ausdrücklich an, daß an deren Stelle die Verweisung auf § 50 KO idgF zu treten hat. Hierin liegt eine Derogation durch Begriffsersetzung (Jelinek, Insolvenzgesetz FN auf S 265).

Durch diese neuen konkursrechtlichen Bestimmungen wurde somit die Stellung der Spitalspflegekosten als nach der bisherigen konkursrechtlichen Regelung bevorrechteter Forderungen aufgehoben. Damit ist aber die nach den obenstehenden Ausführungen im § 73 AußStrG für ihren Vorrang und für den Vorrang von Krankheitskosten überhaupt vorausgesetzte konkursrechtliche Grundlage weggefallen. Eine dieser Änderung Rechnung tragende formelle teilweise Außerkraftsetzung des § 73 Abs. 1 AußStrG ist nicht erfolgt. Die aus den neuen konkursrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich Krankheitskosten hervorgehende Rechtsfolge, daß sie im Konkurse nicht mehr bevorrechtete Forderungen sind, ist mit jener des § 73 Abs. 1 AußStrG, daß Krankheitskosten bevorrechtete Forderungen im Sinne dieser Gesetzesstelle sind, weil ihnen eine konkursrechtliche Bevorrechtung zukommt, unvereinbar. Somit liegt in diesem Umfang aber eine inhaltliche Außerkraftsetzung ("materielle Derogation") des § 73 Abs. 1 AußStrG durch die jüngeren Normen vor (vgl. Koziol-Welser 7 I 31). Bei gegenteiliger Rechtsauffassung, d. h. der Annahme unveränderter Weitergelteung des § 73 Abs. 1 AußStrG neben den neuen konkursrechtlichen Bestimmungen, wäre ein dem Gesetzgeber nicht zu unterstellender Wertungswiderspruch unvermeidbar: Ohne erkennbaren Anlaß würden bei Überlassung eines überschuldeten Nachlasses an Zahlungsstatt die Gläubiger von Krankheitskosten günstiger behandelt als im Falle eines Antrages der übrigen Nachlaßgläubiger auf Einleitung des Konkurses wegen Überschuldung der Verlassenschaft und demgemäß konkursmäßiger Verteilung der Nachlaßaktiven (§ 74 AußStrG, § 67 KO idgF); damit wären nicht bevorrechtete Nachlaßgläubiger zur Stellung eines Konkursantrages gezwungen. Köhler (NZ 1982, 181) vertritt zwar unter Hinweis auf den formell unverändert gebliebenen Wortlaut des § 73 Abs. 1 AußStrG den Standpunkt, daß diese Bestimmung weiterhin eine Bevorrechtung und Gleichrangigkeit der Krankheits- und Leichenkosten bewirke. Dieser nicht näher begründeten Ansicht kann aus den vorstehenden Gründen nicht gefolgt und grundsätzlich auch auf Kralik (Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 3 348) verwiesen werden, wonach sich bei überschuldetem Nachlaß die Befriedigung der Gläubiger im Verlaßverfahren nach den entsprechend anzuwendenden Regeln der Konkursordnung richtet (vgl. 7 Ob 592/84).

Aus der dargestellten Rechtslage folgt nun für den vorliegenden Fall, daß die Begräbniskosten im Sinne des § 73 Abs. 1 AußStrG im Umfange ihrer Bevorrechtung nach § 46 Abs. 1 Z 7 KO, also soweit sie Kosten einer einfachen Bestattung darstellen, vorrangig zu behandeln sind. Bei der kridamäßig vorzunehmenden Verteilung der Nachlaßaktiven sind daher zunächst die Kosten des Verlassenschaftsverfahrens (Kosten des Verlassenschaftskurators usw.) und sodann die Kosten einer einfachen Bestattung zu berücksichtigen, der verbleibende Rest von Nachlaßaktiven ist auf die restliche Begräbniskostenforderung der Ludmilla K*** und auf die Pflegekostenforderung der Rekurswerberin quotenmäßig zu verteilen.

Da die Höhe der Kosten einer einfachen Bestattung des Verstorbenen und auch die Gesamthöhe der tatsächlichen Begräbniskosten noch nicht feststeht, muß es bei der vom Rekursgericht verfügten Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses verbleiben.

Demgemäß konnte dem Revisionsrekurs im Ergebnis kein Erfolg zuteil werden.

Anmerkung

E08129

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00512.86.0318.000

Dokumentnummer

JJT_19860318_OGH0002_0020OB00512_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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