Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z***** reg.GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz Ortner, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die beklagten Parteien 1.) I***** A***** GesmbH, 2.) I***** GesmbH, 3.) I***** M*****-GesmbH, alle in *****, alle vertreten durch Dr. Ernst Rohrauer, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 396.231,02 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 10. Mai 1985, GZ 5 R 30/85-14, womit infolge Berufung der klagenden und der erst- sowie zweitbeklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wels vom 8. Oktober 1984, GZ 1 Cg 218/84-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung nachstehenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, sein Urteil durch Aussprüche im Sinne des § 500 Abs. 3 ZPO hinsichtlich der in den Gründen genannten Forderungen zu ergänzen.
Text
Begründung:
Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von S 396.231,02 s.A. Die Klägerin habe im Herbst 1981 an die Firma V*****-gesellschaft m.b.H. in W***** Waren verkauft und geliefert und hiefür den vereinbarten Kaufpreis in Rechnung gestellt, und zwar mit Rechnung vom 18. 9. 1981 S 292.774,52 und mit Rechnung vom 30. 9. 1981 S 103.456,50. Diese Forderungen seien am 15. 2. 1982 zur Zahlung fällig gewesen. Am 4. 11. 1982 habe die Erstbeklagte den wesentlichen Kern des Unternehmens der Firma „V*****“ durch Kaufvertrag erworben und zwar das Hauptgeschäft mit dem Standort in W*****, und die Filiale in der S*****. Seither würden diese Handelsgeschäfte unter dem Firmennamen „I*****-V*****“ fortgeführt, also unter der bisherigen Firma mit einem das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatz. Der Klägerin sei nicht bekannt, ob tatsächlich die Erstbeklagte derzeit noch Eigentümer der Firma I*****-V***** sei. Bei Testkäufen seien den Kunden Kassabons unter dem Firmennamen der Drittbeklagten ausgestellt worden. Andererseits hätten Erhebungen ergeben, daß die Zweitbeklagte Eigentümer der Firma I*****-V***** sein solle. Daher müsse vorsichtshalber die Klage gegen alle drei I***** Gesellschaften gerichtet werden. Der Klageanspruch werde in erster Linie auf § 25 HGB gestützt; hilfsweise werde auch die Haftung nach § 1409 ABGB herangezogen.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritten die Richtigkeit der von der Klägerin behaupteten Forderungen gegen die Firma „V*****“; außerdem stellten sie in Abrede, den Kern des Unternehmens der „V*****“ übernommen zu haben. Schließlich bekämpften sie die Behauptung der Klägerin, einen Tatbestand gesetzt zu haben, der sie gemäß § 25 HGB oder im Sinne des § 1409 ABGB für die geltend gemachten Forderungen der Klägerin haftbar mache.
Das Erstgericht erkannte die Erst- und Zweitbeklagte zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin S 396.231,02 s.A. zu zahlen, während es das gegen die Drittbeklagte gerichtete Klagebegehren zur Gänze abwies.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht, hingegen jener der Erst- und Zweitbeklagten Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren auch ihnen gegenüber abwies. Eine Bewertung des Streitgegenstandes sei nicht erforderlich, weil der rechtliche und tatsächliche Zusammenhang der dem Klagebegehren zugrundeliegenden Ansprüche außer Streit gestellt wurde, so daß der Streitgegenstand gemäß § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO über S 300.000 liege.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden.
Auszugehen ist zunächst davon, daß für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Lehre und ständiger Rechtsprechung mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche unter der Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 ZPO zusammenzurechnen sind, wenn sie also in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (Fasching Kommentar IV 282 und Lehrbuch Rdz 1831; Jud. 56 neu = SZ 24/335; 8 Ob 540/85 uva.). Trifft dies nicht zu, dann muß die Revisionszulässigkeit hinsichtlich jedes einzelnen Anspruches gesondert beurteilt werden. Dabei recht nicht jede Verknüpfung zweier Sachverhaltsbilder schlechthin aus, um die Zusammenrechnung von Ansprüchen nach § 55 JN zu bewirken. Während der rechtliche Zusammenhang von Ansprüchen dann zu bejahen ist, wenn sie aus einem einheitlichen Vertrag oder einer einheitlichen Rechtsvorschrift abgeleitet werden, ist der tatsächliche Zusammenhang zu bejahen, wenn die Ansprüche zwar nach verschiedenen rechtlichen Kriterien, aber aus ein und demselben Sachverhalt ableitbar sind, ohne daß noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (siehe dazu Fasching Kommentar I 344 ff; 6 Ob 221/60; EvBl. 1969/163; 1 Ob 103/70; 1 Ob 554/81; 2 Ob 64/84; 8 Ob 540/85 ua.). Bei der Beurteilung dieser Fragen handelt es sich aber um eine solche rechtlicher Art. Eine Außerstreitstellung des tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhanges zweier Forderungen kann daher nicht zielführend sein, weil grundsätzlich nur Tatsachenbehauptungen, nicht auch ihre rechtliche Qualifikation Gegenstand eines gerichtlichen Geständnisses sein können (Fasching III 239 ff; ähnlich EvBl. 1974/29; EvBl. 1975/239; SZ 48/2; 1 Ob 694, 695/78 ua.).
Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Geltendmachung von Forderungen aus zwei verschiedenen Rechnungen differierenden Datums. Ihnen liegen gänzlich andere Lieferzeiten und Lieferungsnummern zugrunde. Sie stehen damit weder in einem rechtlichen Zusammenhang miteinander, noch kann ein tatsächlicher Zusammenhang zueinander gefunden werden, weil es sich um eigenständige Rechnungen mit den oben dargestellten gänzlich voneinander abweichenden Inhalten handelte. Eine Zusammenrechnung nach § 55 JN hat daher nicht zu erfolgen; auch eine solche etwa aus dem Grunde des § 11 Z 1 ZPO scheidet aus (Fasching, Zivilprozeßrecht Rdz 261).
Bei dieser Sachlage haben daher gemäß § 500 Abs. 3 ZPO gesonderte Aussprüche des Berufungsgerichtes dahin zu erfolgen, ob die Revision hinsichtlich des Anspruches auf Bezahlung von S 292.774,52 und von S 103.456,50 nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig ist oder nicht.
Da das Berufungsgericht die entsprechenden Aussprüche unterlassen hat, ist ihm ihre Nachholung durch Berichtigung (Ergänzung) des Spruches seiner Entscheidung und durch Nachtrag der erforderlichen Begründung aufzutragen (1 Ob 731/83; 8 Ob 505/84; 8 Ob 71/85; 8 Ob 540/85 ua.).
Für den Fall, daß die Revision hinsichtlich der gesondert zu behandelnden Ansprüche nicht für zulässig erklärt werden sollte, wäre die Revision der Klägerin zur erforderlichen Ergänzung im Sinne des § 506 Abs. 1 Z 5 ZPO zu übermitteln.
Textnummer
E131247European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00644.850.0319.000Im RIS seit
20.04.2021Zuletzt aktualisiert am
20.04.2021