TE OGH 1986/3/19 3Ob9/86

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Veröffentlicht am 19.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. mj. Paula E***, geb. am 17.September 1969, und

2. mj. Milan E***, geb. am 13.Mai 1971, beide wohnhaft in Ostrava-Poruba, E. Famiry, 1659, CSSR, beide vertreten durch ihre Mutter Karla E***, Lagerhalterin, Ostrava-Poruba, E. Famiry, 1659, CSSR, diese vertreten durch Dr. Jörg Beirer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die verpflichtete Partei Wenzel E***, Fahrafeld, Hainfelderstraße 6/6, wegen Kcs 52.000, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 9.Juli 1985, GZ 14 R 97/85-13, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 20.März 1985, GZ 1 Nc 17/85-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Erstgerichtes werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Auf Grund des mit Urteil des Bezirksgerichtes Ostrava vom 18.6.1979, 29 C 638/79, genehmigten Übereinkommens wird den betreibenden Parteien gegen die verpflichtete Partei

1.) und zwar der erstbetreibenden Partei zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes von Kcs 5.400 für die Zeit vom 1.8.1981 bis 31.7.1982, von Kcs 5.920 für die Zeit vom 1.8.1982 bis 31.3.1985 und der weiter fortlaufenden Unterhaltsbeträge von monatlich Kcs 450 ab 1.4.1985,

2.) der zweitbetreibenden Partei zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes von Kcs 4.800 für die Zeit vom 1.8.1981 bis 31.7.1982, von Kcs 5.280 für die Zeit vom 1.8.1982 bis 31.3.1985 sowie des monatlichen Unterhaltsbetrages von Kcs 400 ab 1.4.1985,

3.) sowie beiden betreibenden Parteien zur Hereinbringung der mit S 3.247,40 (darin S 295,22 an Umsatzsteuer) bestimmten Antragskosten,

die Exekution durch

1.) Pfändung, Verwahrung und Verkauf der in der Gewahrsame der verpflichteten Partei, in ihrer Wohnung oder sonst wo immer befindlichen beweglichen Sachen jeder Art und der im § 296 EO angeführten Papiere und Einlagebücher, einschließlich der Wertgegenstände, die die verpflichtete Partei bei sich trägt, und

2.) Pfändung der der verpflichteten Partei als Dienstnehmer gegen den Dienstgeber als Drittschuldner angeblich zustehenden Forderung auf in Geld zahlbares Arbeitseinkommen sowie die Überweisung des gepfändeten Arbeitseinkommens zur Einziehung bis zur Höhe der jeweils fälligen Unterhaltsforderung, unbeschadet etwa früher erworbener Rechte dritter Personen, bewilligt. Die Pfändung und Überweisung ist in der Weise eingeschränkt, daß der verpflichteten Partei vom Arbeitseinkommen verbleiben müssen:

a) bei Auszahlung für Monate oder Bruchteile von Monaten S 3.300 monatlich,

b)

bei Auszahlung für Wochen S 770 wöchentlich,

c)

bei Auszahlung für Tage S 123 täglich.

Gewährt der Verpflichtete seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, einem ehelichen oder unehelichen Kind oder einem sonstigen Verwandten den Unterhalt, so erhöht sich der unpfändbare Betrag für jede Person, der Unterhalt gewährt wird, um S 990 monatlich (S 235 wöchentlich, S 37 täglich). Übersteigt der Bezug den oben angeführten unpfändbaren Teil, so erhöht sich dieser um drei Zehntel und für jede der oben genannten Personen, der der Verpflichtete den Unterhalt gewährt, um ein weiteres Zehntel des Mehrbetrages. Der Pfändung unterliegen aber jedenfalls zwei Zehntel des Mehrbetrages.

Dem Drittschuldner wird verboten, das gepfändete Arbeitseinkommen an die verpflichtete Partei auszuzahlen. Der verpflichteten Partei wird jede Verfügung über das gepfändete Arbeitseinkommen und insbesondere seine gänzliche oder teilweise Einziehung untersagt. Mit der Zustellung dieses Zahlungsverbotes an den Drittschuldner ist die bewilligte Pfändung als bewirkt anzusehen und zugunsten der vollstreckbaren Forderungen der betreibenden Parteien ein Pfandrecht erworben. Die Überweisung wird bezüglich der noch nicht fälligen Unterhaltsbeträge erst mit ihrer Fälligkeit wirksam.

Der verpflichteten Partei, der Arbeitseinkommen gemäß § 290 EO zusteht, wird gemäß § 294 a Z 2 EO aufgetragen, binnen 14 Tagen den oder die Drittschuldner der in Exekution gezogenen Forderung oder Forderungen genau zu bezeichnen; dieser Auftrag kann bei Zuwiderhandeln gemäß § 294 a Z 4 EO durch Haft erzwungen werden. Als Exekutionsgericht hat das Bezirksgericht Pottenstein einzuschreiten und die Beteiligten zu verständigen."

Die Rekurskosten der betreibenden Parteien werden mit 3.381,35 S (darin 307,40 S Umsatzsteuer), die Revisionsrekurskosten mit 4.668,18 S (darin 424,38 S an Umsatzsteuer) als weitere Kosten des Exekutionsverfahrens bestimmt.

Text

Begründung:

Die beiden Betreibenden sind Kinder des Verpflichteten und der Karla E***, deren Ehe mit Urteil des Bezirksgerichtes in Ostrava vom 18.Juni 1979, 29 C 638/79, rechtskräftig geschieden wurde. Der Spruch dieses Urteils enthält außer der Entscheidung über das Ehescheidungsbegehren und dem Kostenausspruch folgenden Absatz:

"Das Gericht genehmigt folgendes Übereinkommen der Beteiligten:

Für die Zeit nach der Ehescheidung werden die mj. Paula und Milan E*** in der Erziehung der Antragstellerin belassen. Der Antragsgegner verpflichtet sich, zum Unterhalt der Paula 450 Kcs und zum Unterhalt des mj. Milan 400 Kcs, imnmer am 1. Tag jedes Monates im vorhinein zu Handen der Antragstellerin beizutragen.

Die von der Rechtskraft der Ehescheidungsentscheidung bis zum 1. Tag des nachfolgenden Monats fälligen Unterhaltsbeträge verpflichtet sich der Antragsgegner binnen drei Tagen von der Rechtskraft der Ehescheidungsentscheidung der Antragstellerin zu bezahlen."

In der Begründung des Urteils wird unter anderem ausgeführt, daß die Genehmigung nach der Bestimmung des § 26 des Familiengesetzes erfolge und daß die vereinbarte Höhe der Unterhaltsbeiträge den Fähigkeiten und Möglichkeiten des Antragsgegners und den begründeten Bedürfnissen der beiden minderjährigen Kinder entspreche. Das Erstgericht hat den Antrag, den betreibenden Parteien auf Grund dieses Urteils die Exekution zu bewilligen, abgewiesen. Grundlage für die Entscheidung sei das Haager Übereinkommen vom 15. April 1958, BGBl. Nr. 294/61, über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern; diesem Übereinkommen gehöre auch die CSSR an (BGBl. Nr. 338/1972). Nach seinem Art. 1 sei es Zweck des Übereinkommens, in den vertragschließenden Staaten die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über Begehren, seien sie internationalen oder innerstaatlichen Charakters, sicherzustellen, die den Unterhaltsanspruch eines ehelichen, nichtehelichen oder adoptierten Kindes zum Gegenstand haben, das unverheiratet ist und das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die in ein Urteil gekleidete Genehmigung einer Unterhaltsvereinbarung der Eltern nach § 26 des tschechoslowakischen Familiengesetzes stelle keine Entscheidung im Sinne des Art. 1 des Haager Übereinkommens dar. Das Familiengesetz unterscheide in seinem § 26 ausdrücklich zwischen Unterhaltsentscheidung und Unterhaltsvereinbarung. Die Situation sei damit nicht anders als in Österreich. Eine gerichtlich genehmigte Unterhaltsvereinbarung sei keine Entscheidung.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei; es schloß sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist zulässig (§ 83 Abs 3 EO) und berechtigt.

Es ist richtig, daß das Haager Übereinkommen vom 15.April 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern, BGBl. Nr. 294/1961, dem auch die CSSR angehört, lediglich die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, nicht aber von Vergleichen ("Übereinkommen") regelt. Dies kann weder nach dem Wortlaut des bereits in der Begründung des erstgerichtlichen Beschlusses wiedergegebenen Art. 1 des Übereinkommens, noch auch nach dessen weiteren Inhalt zweifelhaft sein. Der Oberste Gerichtshof vermag sich jedoch der Meinung der Vorinstanzen, das mit Urteil des Bezirksgerichtes Ostrava vom 18.Juni 1979 genehmigte Übereinkommen der Eltern sei als Vergleich anzusehen und daher nach dem Haager Unterhaltsvollstreckungsabkommen nicht vollstreckbar, nicht anzuschließen.

Nach § 26 Abs 1 des tschechoslowakischen Familiengesetzes regelt das Gericht in der Entscheidung, durch welche die Ehe der Eltern des minderjährigen Kindes geschieden wird, die Rechte und Pflichten der Eltern dem Kind gegenüber für die Zeit nach der Scheidung, vor allem bestimmt es, wem das Kind zur Erziehung anvertraut wird und auf welche Weise jeder Elternteil zu seinem Unterhalt beizutragen hat. Nach Abs 2 der genannten Gesetzesstelle kann diese Entscheidung durch eine Vereinbarung der Eltern ersetzt werden, die zu ihrer Gültigkeit der gerichtlichen Genehmigung bedarf. Nach Abs 3 achtet das Gericht bei der Entscheidung über die Rechte und Pflichten der Eltern oder bei der Genehmigung ihrer Vereinbarung immer darauf, daß die günstigsten Bedingungen für eine erfolgreiche Entwicklung des Kindes zu einem selbstbewußten Bürger gesichert sind. Nach § 28 des Familiengesetzes kann das Gericht, wenn sich die Verhältnisse ändern, auch ohne Antrag die Entscheidung oder die Vereinbarung der Eltern über die Ausübung ihrer elterlichen Rechte und Pflichten ändern.

Martiny, Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts III/2, 132 f, vertritt bei Behandlung des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens (im Gegensatz zu anderen, nicht näher begründeten Lehrmeinungen) den Standpunkt, man könne einen (gerichtlichen) Vergleich jedenfalls dann als einen vollstreckbaren Titel ansehen, wenn das Gericht den Vergleich inhaltlich überprüfen und abändern darf (dies trifft auf das vom Bezirksgericht Ostrava genehmigte Übereinkommen der Eltern iS des § 26 des tschechoslowakischen Familiengesetzes zu). Es mag dahingestellt bleiben, ob dies in jedem Fall inhaltlicher Überprüfung gerechtfertigt wäre. Falls die Genehmigung des Vergleiches in einer Form geschieht, wie sie das tschechoslowakische Familiengesetz vorsieht, ist dieser Auffassung aber beizutreten. Nach diesem (bereits zitierten) Gesetz verliert die Vereinbarung der Eltern über ihre Rechte und Pflichten dem Kind gegenüber für die Zeit nach der Scheidung, die zu ihrer Gültigkeit der gerichtlichen Genehmigung - nach sachlicher Prüfung! - bedarf, durch den Ausspruch dieser Genehmigung in dem über das Ehescheidungsbegehren ergehenden Urteil den Charakter eines bloßen "Vergleiches"; sie steht dann gleichrangig neben der Entscheidung des Gerichtes über die Rechte und Pflichten der Eltern. Die Vereinbarung der Eltern fest ferner, wurde ihr die gerichtliche Genehmigung erteilt, in untrennbarem Zusammenhang mit dem über das Ehescheidungsbegehren ergangenen Urteil. Dieser Zusammenhang rechtfertigt es, in der Vereinbarung einen integrierenden Bestandteil des Urteils zu sehen und ihr die Qualifikation einer Entscheidung im Sinne des Artikels 1 des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens beizumessen. Eine dem tschechoslowakischen Familiengesetz vergleichbare Regelung enthält Artikel 158 Z 5 des Schweizer ZGB, wonach Vereinbarungen über Nebenfolgen der Scheidung oder Trennung zur Rechtsgültigkeit der Genehmigung durch den Richter bedürfen (zu diesen Nebenfolgen gehört nach Art. 156 auch die Gestaltung der Elternrechte und der persönlichen Beziehungen der Eltern zu den Kindern). Lehre und Rechtsprechung in der Schweiz vertreten übereinstimmend die Ansicht, daß "Scheidungskonventionen" durch die richterliche Genehmigung ihren vertraglichen Charakter verlieren, zum integrierenden Bestandteil des Urteils werden und die gleiche Kraft wie die übrigen Bestimmungen des "Urteilsdispositivs" haben (3. Auflage des Berner Kommentars zum Schweizerischen Privatrecht, Band II, 1. Abteilung, 1. Teilband, 2. Hälfte, 792 f, BGE 101 II Familienrecht Nr. 6/19; vgl. hiezu auch FamRZ 1986/1, 47). Die verschiedenen Rechtsordnungen regeln eben autonom die Vorgangsweise, um "Unstrittiges" exequierbar zu machen, und damit die Rechtsnatur derartiger Exekutionstitel. Manchen sind vollstreckbare (Prozeß-)Vergleiche überhaupt nicht bekannt, so daß es notwendig ist, ein gerichtliches Urteil gemäß dem Vergleich zu erwirken, um einen (innerstaatlich) zur Vollstreckung geeigneten Titel zu erhalten (vgl. die Ausführungen von Geimer-Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1419 f, zur englischen und belgischen Rechtsordnung). Wird also auf diese oder eine andere Weise nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht Entscheidungscharakter erreicht, muß dem so entstandenen Titel auch im internationalen Recht Entscheidungscharakter beigemessen werden. In diesem Sinn wird auch im deutschen Rechtsbereich ein gemäß § 26 des tschechoslowakischen Familiengesetzes genehmigtes Übereinkommen als Entscheidung im Sinne des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens angesehen (7 WF 26/84 des Oberlandesgerichtes Nürnberg).

Liegt aber zufolge der gerichtlichen, in das über das Ehescheidungsbegehren ergangene Urteil aufgenommenen Genehmigung der Vereinbarung der Eltern eine Entscheidung im Sinne des Haager Unterhaltsvollstreckungsabkommens vor, besteht kein Anlaß, ihr die Vollstreckung zu versagen, da die Voraussetzungen nach Art. 2 des Abkommens gegeben sind.

Es war deshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 74 EO.

Anmerkung

E07749

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00009.86.0319.000

Dokumentnummer

JJT_19860319_OGH0002_0030OB00009_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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