TE OGH 1986/3/20 13Os27/86

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Veröffentlicht am 20.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.März 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider,

Dr. Felzmann,Dr. Brustbauer (Berichterstatter) und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jagschitz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ramiz M*** wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und 2 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Kreisgericht Wr. Neustadt vom 12. Dezember 1985, GZ 10 Vr 1213/85-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Hauptmann, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Pfleger zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Ramiz M*** wurde des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und 2 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 11.Juni 1985 im Flüchtlingslager Traiskirchen in Gesellschaft eines unbekannten Beteiligten (§ 12 StGB) dem Dezider B*** und anderen im selben Zimmer wohnhaften Personen eine Ledertasche, einen Radiokassettenrekorder, eine Lederjacke, eine Hose, eine Flasche russischen Sekt und Toilettensachen im ungefähren Gesamtwert von 1.850 S gestohlen hat. Dieser Schuldspruch beruht auf der stimmeneinhelligen Bejahung der Eventualfrage durch die Geschwornen, welche mehrheitlich die anklagekonforme Hauptfrage verneint hatten, ob Ramiz M*** schuldig sei, (beim erwähnten Anlaß) in Gesellschaft eines unbekannten Beteiligten dem Dezider B*** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, nämlich durch die Äußerungen: "Welches Ohr soll ich dir abschneiden" sowie "Probiere die Schneide, wie scharf das Messer ist", und durch Anhalten eines geöffneten Taschenmessers, sohin unter Verwendung einer Waffe, diese Sachen mit dem Vorsatz weggenommen bzw. abgenötigt habe, durch deren Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (§ 345 Abs 1 Z 6 StPO) richtet sich gegen die Stellung der von den Geschwornen bejahten Eventualfrage. Die Beschwerdeführerin meint, daß ein Vorsatz des Angeklagten, die Sachen ohne Raubdrohung wegzunehmen, durch keinerlei Verfahrensergebnisse indiziert gewesen sei. Demgegenüber hielt der Schwurgerichtshof eine solche Frage für geboten, insbesondere zufolge der vom Opfer, dem Zeugen B***, abgelegten Aussage, daß der Angeklagte den Unbekannten, als dieser mit dem Abschneiden des Ohrs drohte, aufgefordert hat: "Laß ihn in Ruhe" (S. 202 unten). Der Schwurgerichtshof war im Recht:

Hat doch der Zeuge B*** unter anderem auch ausgesagt, daß der Angeklagte erst dann sein Zimmer betreten hat, als der Unbekannte bereits seine (erste) Drohung durch Ansetzen eines Messers beendet und mit der Sachwegnahme begonnen hatte (S. 186 ff.). Nach dem weiteren Inhalt der Zeugenaussage hat der Angeklagte dem Unbekannten nur beim "Ausräumen des Kastens" geholfen und als der Unbekannte - den sich bis dahin ruhig verhaltenden - B*** mit dem Abschneiden des Ohrs bedroht und dabei ein Messer an dessen Ohr gesetzt hat, diesen aufgefordert, B*** in Ruhe zu lassen (S. 188 f.).

Die Ansicht der Generalprokuratur, daraus sei nach den Denkgesetzen nicht zu schließen, daß der Angeklagte sich vom Raubvorsatz distanziert hätte; der Angeklagte sei weiterhin Raubgenosse, wozu gleichzeitige Anwesenheit am Tatort zur Tatzeit und das Einverständnis mit dem unmittelbaren Täter genügt, setzt voraus, daß der Angeklagte überhaupt jemals mit einer Sachwegnahme unter Raubdrohung oder mit Gewalt einverstanden war; ohne Einverständnis hiezu genügt die bloße Anwesenheit am Tatort zur Tatzeit nicht.

Da der Angeklagte nach Aussage des Zeugen B*** erst dann das Zimmer betrat, als der Unbekannte seine (erste) Drohung bereits beendet hatte und nur "den Kasten ausräumte" und der Angeklagte, als der Unbekannte in seinem Beisein erstmals eine (weitere) Drohung gegenüber B*** ausstieß, sich spontan und entschieden dagegen wandte, fehlt es nicht an in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen, wonach die Sachwegnahme ohne Raubvorsatz des Angeklagten geschah. Welch anderer Grund als die Anwendung von Raubmitteln für die Duldung der Sachwegnahme durch B*** dem Angeklagten vorschwebte, muß unbeantwortet bleiben, weil dazu entsprechende Eventualfragen (Z B. in Richtung § 128 Abs 1 Z 1 StGB: vgl. LSK. 1979/340) nicht gestellt wurden.

Aber selbst wenn der Angeklagte situationsbedingt annehmen mußte, B*** könne man nur unter (vorher ausgeübter) Gewalt oder mit Drohung Sachen wegnehmen oder abnötigen, so schließt dies auf Grund der genannten Tatsachen vorliegend noch nicht aus, daß der Angeklagte diesen Vorsatz dennoch nicht hatte.

Die Beurteilung, welchen Vorsatz der Angeklagte beim Tatgeschehen hatte, fiel aber allein in die Zuständigkeit der Geschwornen, denen daher im vorliegenden Fall neben der von ihnen verneinten Hauptfrage zu Recht die von ihnen bejahte, von der Staatsanwaltschaft jedoch bekämpfte (§ 345 Abs 1 Z 6 und Abs 4 StPO) Eventualfrage vorgelegt worden war.

Anmerkung

E07966

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00027.86.0320.000

Dokumentnummer

JJT_19860320_OGH0002_0130OS00027_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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