TE OGH 1986/3/20 12Os17/86

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Veröffentlicht am 20.03.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.März 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger sowie Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gruber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Harald W*** und Otto E*** wegen der Vergehen der versuchten Nötigung zur Unzucht nach §§ 15, 204 Abs. 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5.Dezember 1985, GZ 12 Vr 2860/85-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Rzeszut, und der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Korn und Rechtsanwalt Dr. Oehlzand, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Otto E*** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 2 des Urteilssatzes wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB und demgemäß auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten ebenso wie die des Angeklagten Harald W***, letztere allerdings zur Gänze, verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Otto E*** auf die getroffene Entscheidung verwiesen.

Der Berufung des Angeklagten Harald W*** wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Harald W*** und Otto E*** des Vergehens der versuchten Nötigung zur Unzucht nach §§ 15, 204 Abs. 1 StGB., Otto E*** überdies des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Dem Schuldspruch zufolge haben die Angeklagten in Graz vorsätzlich, und zwar

1./ Harald W*** und Otto E*** am 6.August 1985 im

bewußten Zusammenwirken als unmittelbare Täter die Ulrike M*** mit Gewalt, nämlich durch Zerren an den Haaren und an der Kleidung sowie durch Versetzen von Faustschlägen und Tritten gegen das Gesicht und den Körper, wobei sie die Genannte wiederholt aufforderten, sie solle bei ihnen einen Mundverkehr durchführen, zur Unzucht zu nötigen versucht, wobei die Vollendung der Tat durch die Weigerung und die anschließende Flucht der Ulrike M*** unterblieb; 2./ Otto E*** am 19.August 1985 Johann W*** durch die Äußerung, daß er ihn "abfotzen" werde, mit Körperverletzung gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen. Diesen Schuldspruch bekämpfen beide Angeklagte mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, welche sie auf die Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO, W*** überdies auf die Z 9 lit. b, und E*** - der Sache nach - auf die Z 9 lit. a dieser Gesetzesstelle stützen. Der Strafausspruch wird von beiden Angeklagten mit Berufungen angefochten.

Der Erstangeklagte Harald W*** behauptet in seiner

Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) Unvollständigkeit der Urteilsbegründung, weil sie sich mit den Widersprüchen in den verschiedenen Angaben der Zeugen Ulrike M*** und Albert M*** vor der Polizei, vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung nicht auseinandergesetzt habe. Bei der Darstellung einer Alkoholikerin wie der Zeugin M*** sei besondere Vorsicht geboten und komme solchen Widersprüchen gesteigerte Bedeutung zu. Die behaupteten Begründungsmängel liegen jedoch nicht vor. Die (vom Zeugen M*** bestätigte) Alkoholabhängigkeit der Zeugin M*** wurde vom Erstgericht nicht außer acht gelassen, sondern erörtert (S 131). Relevante Widersprüche in den Angaben der Zeugin vor der Polizei unmittelbar nach dem Tatgeschehen (siehe S 11 ff) und in der Hauptverhandlung (S 114 ff) liegen nicht vor und werden vom Beschwerdeführer auch nicht aufgezeigt; die Zeugin bezeichnete vielmehr jedes Mal beide Angeklagte eindeutig als die Täter und deponierte, von beiden mißhandelt und zur Durchführung von Unzuchtshandlungen (Mundverkehr) aufgefordert worden zu sein, wobei sie in der Hauptverhandlung zwar E*** als den aktiveren Täter charakterisierte, aber an der ebenfalls gegebenen Täterschaft des Beschwerdeführers keinen Zweifel ließ. Ihre Angaben vor dem Untersuchungsrichter wurden in der Hauptverhandlung - abgesehen von einem speziellen Vorhalt (S 115) - nicht verlesen (siehe S 119) und bedurften (daher) keiner Erörterung im Urteil. Widersprüche zwischen den Aussagen der Zeugen M*** und M*** über Modalitäten der Tat, ob sie auf der Bank gelegen sind etc., sind nicht bloß, wie der Beschwerdeführer einräumt, "weniger bedeutsam", sie betreffen vielmehr keine entscheidenden Tatsachen und mußten in den gemäß § 270 Abs. 2 Z 5 StPO in gedrängter Form abzufassenden Urteilsgründen daher auch nicht erörtert werden. Insgesamt läuft die Mängelrüge nur auf eine im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässige Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung hinaus.

In seiner Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO) vertritt der Angeklagte W*** die Ansicht, selbst wenn in den von ihm der Zeugin M*** versetzten Ohrfeigen eine leichte Körperverletzung zu erblicken wäre, müßte er diesbezüglich gemäß § 259 Z 4 StPO freigesprochen werden, weil geradezu ein "Schulbeispiel des § 42 StGB" vorliege. Damit wird jedoch der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig ausgeführt, da ein Schuldspruch nach § 83 Abs. 1 oder 2 StGB nicht vorliegt und der vom Erstgericht auf Grund der getroffenen Tatsachenfeststellungen (an denen bei Ausführung einer Rechtsrüge festgehalten werden muß) angenommene Tatbestand nach § 204 StGB schon wegen der ein Jahr Freiheitsstrafe übersteigenden Strafdrohung für die Anwendung des § 42 StGB ex lege nicht in Betracht kommt.

Der Zweitangeklagte Otto E*** bekämpft aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO zunächst die - durch die dem Erstgericht als Feststellungsgrundlage dienenden Angaben der Zeugin (S 115 in Verbindung mit S 12) jedoch ohnedies gedeckte und daher hinreichend begründete - Urteilsannahme, daß die gegen Ulrike M*** zum Zwecke der Nötigung geübte Gewalt nicht nur in Faustschlägen, sondern auch in Tritten (gegen das Gesicht und den Körper) bestanden habe. Entgegen dem Beschwerdevorbringen handelt es sich dabei überdies um keine entscheidende Tatsache, da die im Sinne des § 204 StGB tatbildliche Gewaltausübung bereits durch Schläge eines der einverständlich zusammenwirkenden Täter, wie sie der Angeklagte W*** sogar ausdrücklich zugibt, hergestellt ist. Das weitere Beschwerdevorbringen, es sei die Alkoholsucht der Zeugin M*** zu wenig berücksichtigt worden, trifft nicht zu, weil das Urteil diese Tatsache ohnedies gewürdigt und in den Kreis seiner Überlegungen einbezogen hat (S 131).

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge gegen das Schuldspruchfaktum 1./ versagt daher zur Gänze.

Berechtigung kommt hingegen den Beschwerdeausführungen dieses Angeklagten zu, soweit sie sich unter dem Gesichtspunkt der Z 5 und - der Sache nach - auch der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gegen den Schuldspruch zu Punkt 2./ des Urteilssatzes wegen § 107 Abs. 1 StGB wenden. Otto E*** bringt dazu vor, daß dem Urteil ein Mißverständnis zugrundeliege. Wohl habe er in der Hauptverhandlung zugegeben und sich in laienhafter Ausdrucksweise auch "schuldig bekannt", gegenüber dem Zeugen Leopold K***-W*** geäußert zu haben, er werde ihm ein paar "Fotzen" geben. Diese Äußerung sei aber weder vor Johann W*** (gegen den sich dem Schuldspruch zufolge die Drohung richtete) erfolgt, noch für dessen Ohren bestimmt gewesen, und sei deshalb auch nicht als mittelbare gefährliche Drohung zu beurteilen.

Tatsächlich erklärte sich der Beschwerdeführer dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls zufolge zur gefährlichen Drohung teilweise schuldig und setzte hinzu, daß er zu Johann W*** selbst nichts gesagt habe (S 108, 113, 119). In der Folge führte er aus, sich schuldig zu fühlen, daß er zu "Leo" (also dem Zeugen Leopold K***-W***) gesagt habe, er hätte eine Wut, er habe "ihn" aber nicht mit dem Umbringen bedroht, sondern nur mit Mißhandlungen. Dies habe er auch zu anderen Personen gesagt. Er habe "Leo" lediglich ein Paar "Fotzen" angedroht und fühle sich der Drohung mit Mißhandlung schuldig (S 120).

Das Urteil stellt nun fest, daß der Angeklagte E*** habe zunächst gegenüber K***-W*** geäußert, er habe eine Wut auf Johann W*** und werde ihm "eine auflegen, wenn er ihn erwische". Beim Verlassen des Lokals habe er darüber hinaus gegenüber Johann W*** aber auch die Äußerung gemacht: "Ich bringe Dich um". Diese Äußerung sei geeignet gewesen, Johann W*** in Furcht und Unruhe zu versetzen und stelle sich im Hinblick auf das Milieu und auf die vom Angeklagten zugegebene Äußerung (gegenüber dem Zeugen K***-W***), nur mit "Fotzen" gedroht zu haben, als Drohung mit einem Eingriff in die körperliche Integrität dar (S 131 f). Wenn das Urteil weiter ausführt, daß "diese" Äußerung der Angeklagte E*** auch zugegeben habe und sich deshalb schuldig bekenne (S 132), so steht dies im Widerspruch zu den wiedergegebenen Aussagen des Angeklagten in der Hauptverhandlung, wonach er eine unmittelbare Drohung gegenüber Johann W*** (sei es mit dem Umbringen oder dem Ohrfeigen) immer in Abrede stellte. Die Feststellung, der Zweitangeklagte habe Johann W*** unmittelbar bedroht, ist somit unzureichend begründet (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO). Im übrigen ist ein Schuldspruch wegen einer Drohung mit dem Umbringen gar nicht erfolgt (siehe S 124). Überdies ist das Urteil jedenfalls undeutlich, weil es zum Gegenstand des Schuldspruches nicht die vom Angeklagten bestrittene, unter Anklage gestellte (S 68) unmittelbare Bedrohung des Johann W*** mit dem Umbringen machte, sondern eine gegenüber dem Zeugen K***-W*** gemachte Äußerung. Hinsichtlich dieser Äußerung fehlt im Urteil aber jede Feststellung darüber, daß der Angeklagte zumindest die Weitergabe dieser Drohung durch den Zeugen K***-W*** an den Zeugen W*** in seinen Vorsatz aufgenommen hatte (vgl. Leukauf-Steininger 2 , § 107 RN 4 und 7; Kienapfel BT I 2 § 107 RN 11 und RN 14) und solcherart Johann W*** mittelbar bedrohen wollte (EvBl. 1975/201). Überhaupt hat das Erstgericht die für die subjektive Seite des Vergehens nach § 107 Abs. 1 StGB erforderliche Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) des Täters, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, nicht festgestellt. Schließlich fehlt auch eine - hinreichend begründete - Feststellung, daß die eingestandene Drohung mit Mißhandlungen, die im allgemeinen nur dem Tatbild des § 115 StGB entspricht (vgl. Leukauf-Steininger aaO § 74 RN 19), vorliegend als Androhung einer Verletzung am Körper im Sinne des § 74 Abs. 1 Z 5 StGB anzusehen ist.

Weil somit die zum Schuldspruch wegen § 107 Abs. 1 StGB getroffenen Feststellungen einerseits mangelhaft begründet sind, andererseits aber auch zur abschließenden strafrechtlichen Beurteilung des bezüglichen Tatverhaltens nicht ausreichen, ist die Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Punkt begründet.

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Otto E*** teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 2./ des Urteilssatzes wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB und demgemäß auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückzuverweisen.

Im übrigen war aber die Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten, ebenso wie die des Angeklagten Harald W***, letztere allerdings zur Gänze, zu verwerfen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Otto E*** auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Harald W*** wurde nach § 204 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt. Bei der Strafbemessung wertete der Schöffensenat die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen als erschwerend, das Teilgeständnis sowie den Umstand, daß die Tat beim Versuch geblieben ist, als mildernd.

Der Angeklagte Harald W*** begehrt in seiner Berufung eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe. Auf seinen erst im Gerichtstag gestellten mündlichen Antrag auf bedingte Strafnachsicht konnte nicht Rücksicht genommen werden, weil dieser Antrag in der schriftlichen Berufungsausführung keine Deckung findet. Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe vollständig erfaßt und zutreffend gewürdigt. Es ist zwar richtig, daß die Vorstrafen des Angeklagten bereits längere Zeit zurückliegen, dennoch mußten die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen bei der Strafbemessung berücksichtigt werden. Die vom Erstgericht ohnehin an der Untergrenze der für diese Straftat angedrohten Strafe ausgemessene siebenmonatige Freiheitsstrafe entspricht dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Angeklagten, sodaß seiner Berufung der Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E07958

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00017.86.0320.000

Dokumentnummer

JJT_19860320_OGH0002_0120OS00017_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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