Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ö*** C***-I*** A***,
1010 Wien, Herrengasse 12, vertreten durch Dr. Ludwig Kammerlander, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Karl L***, Hotelier, nunmehr Pensionist, 1150 Wien, Jadengasse 6/5, wegen 669.420 S s.Ng., infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 4. Februar 1985, GZ. R 41/85-156, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Aspang vom 7. Jänner 1985, GZ E 1/83-153, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Liegenschaften EZ 115 und 482 KG Mönichkirchen, deren Grundstücke als Alpenhotel benützt wurden, wurden im Zuge dieses Zwangsversteigerungsverfahrens zunächst im Frühjahr 1981 ohne Zubehör mit 5,527.502,-- S, das Zubehör mit 214.505,-- S bewertet. Diese Schätzwerte von zusammen 5,742.007,-- S wurden den ersten Versteigerungsbedingungen und dem ersten Versteigerungsedikt zugrundegelegt (ON 14, 15, 17, 20 und 22).
Am 29.7.1981 wurden die beiden Liegenschaften um das Meistbot von 3,015.000,-- S Johann und Leopoldine S*** zugeschlagen (ON 33 und 37).
Auf Antrag des Verpflichteten wurde auf Kosten und Gefahr der säumigen Ersteher am 19.4.1982 rechtskräftig die Wiederversteigerung dieser Liegenschaften bewilligt (ON 49), doch wurde bei dem auf den 13.10.1982 anberaumten Wiederversteigerungstermin kein Anbot gestellt. Deshalb stellte das Erstgericht "die mit seinem Beschluß ON 49 bewilligte Exekution durch Wiederversteigerung der beiden Liegenschaften" unter Berufung auf § 151 EO ein (ON 77). Das Rekursgericht hob diesen Einstellungsbeschluß auf Rekurs der betreibenden Partei ersatzlos auf (ON 81).
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der säumigen Ersteher mit Beschluß vom 9.3.1983, 3 Ob 2/83-88, nicht Folge. Er führte unter anderem aus, daß das Exekutionsgericht in einem solchen Fall die im § 154 Abs. 1 Satz 2 EO genannten Beteiligten von der Ergebnislosigkeit des Wiederversteigerungstermins mit dem Beifügen in Kenntnis zu setzen habe, daß sie innerhalb eines Monats nach dieser Verständigung die Anberaumung eines neuen Wiederversteigerungstermins beantragen können. Werde innerhalb dieser Frist kein solcher Antrag gestellt, dann sei anzunehmen, daß alle Beteiligten dem Unterbleiben eines weiteren Wiederversteigerungstermins zustimmen. Die Exekution durch Zwangsversteigerung sei von amtswegen mit der Wirkung einzustellen, daß wegen derselben vollstreckbaren Forderung vom betreibenden Gläubiger vor Ablauf eines halben Jahres eine neuerliche Versteigerung nicht beantragt werden kann. Diese Rechtsfolgen seien den Beteiligten bei der Verständigung vom erfolglosen Wiederversteigerungstermin bekanntzugeben.
Bereits am 31.12.1982 hatte die betreibende Partei die Anberaumung eines neuerlichen Versteigerungstermins und die Anberaumung eines neuerlichen Schätzungstermins beantragt und letzteres damit begründet, daß die Liegenschaften durch die längere Nichtbenützung einen weiteren Wertverlust erlitten hätten und auf dem Liegenschaftssektor, insbesondere bei Betrieben der Hotelbranche seit der letzten Liegenschaftsschätzung ein starker Preisverfall eingetreten sei (ON 84).
Am 2.2.1983 legte die betreibende Partei die Ablichtung ihres Brandschadenberichtes vom 19.1.1983 an die A*** Österreichische Versicherung AG vor. Danach wurden durch die Polizze Nr. 7/2/02942258 der genannten Aktiengesellschaft auf dem Grundstück in Mönichkirchen 89 versicherte Sachen am 6.1.1983 von einem Brandschaden betroffen. Die letzte fällige Versicherungsprämie sei am 5.11.1982 vollständig bezahlt worden. Der Versicherungsnehmer habe seine Rechte aus dem Vertrag an Dritte, nämlich an die betreibende Partei abgetreten (Vinkulierung) (ON 87). Mit Beschluß vom 7.4.1983, ON 90, bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei gegen die verpflichtete Partei zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 1,633.231,02 S samt 12 % Verzugs- und Zinseszinsen seit 22.3.1983 und der Kosten von 720,-- S, die Zwangsversteigerung der beiden Liegenschaften durch Beitritt zum führenden Zwangsversteigerungsverfahren. Mit Beschluß vom 13.4.1983, ON 91, ordnete das Erstgericht zur Durchführung der mit seinem Beschluß vom 19.4.1982 bewilligten Wiederversteigerung der beiden Liegenschaften deren Schätzung an, die am 4.5.1983 vorgenommen wurde. Im Schätzungsprotokoll ist unter anderem festgehalten, daß der seinerzeitige Ersteher Johann S*** den Hotelbetrieb vom 13.9.1981 bis Ende August 1982 geführt habe. Am 6.1.1983 habe im Hotel ein Brand gewütet, der Nebengebäude, wie Wirtschaftstrakt, Personalwohnungen und das Hallenbad, vernichtet, aber auch Teile des Hauptgebäudes beschädigt habe (ON 98). Im Schätzungsgutachten vom 22.6.1983 wurde der Verkehrswert der beiden Liegenschaften ohne Zubehör mit 3,701.800,-- S, der des Zubehörs mit 146.807,-- S angegeben (ON 102).
Auf Grund dieser Schätzung wurden die beiden Liegenschaften in der genannten Höhe, insgesamt also mit 3,848.607,-- S bewertet. Gegen die ihnen bekanntgegebenen Schätzwerte wurden von den Beteiligten keine Einwendungen erhoben (ON 104).
Diese Schätzwerte nahm die betreibende Partei auch in die neuen Versteigerungsbedingungen ON 107 auf, die im Versteigerungsedikt vom 5.9.1983 genehmigt wurden (ON 109).
Am 3.11.1983 wurden die beiden Liegenschaften um das Meistbot von 2,110.000,-- S Rudolf W*** zugeschlagen (ON 120 und 129). Mit Beschluß vom 16.4.1984, ON 138, stellte das Erstgericht den Ausfall am Meistbot einschließlich der Kosten der Wiederversteigerung mit 957.092,60 S fest und sprach aus, daß die betreibende Partei und jede sonst auf das Meistbot gewiesene Person zur Hereinbringung dieses Betrages, soweit er nicht aus dem von den säumigen Erstehern Johann und Leopoldine S*** erlegten Vadium von 574.201,-- S und den durch Belassung von Darlehensforderungen der betreibenden Partei im Gesamtbetrag von 1,782.010,-- S berichtigt werde, nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf das übrige Vermögen "des Erstehers" - gemeint: der Erstersteher - zugunsten der Verteilungsmasse Exekution führen könnten.
In ihrer Forderungsanmeldung meldete die betreibende Partei im Rahmen der Nebengebührenkaution unter Kosten unter anderem eine am 17.6.1983 bezahlte Versicherungsprämie von 32.031,90 S und eine am 17.10.1983 bezahlte Versicherungsprämie von 5.055,-- S an (ON 139). In ihrem Rekurs gegen den Beschluß ON 138 brachten Johann und Leopoldine S*** im wesentlichen vor, daß die wiederversteigerten Liegenschaften infolge der zwischen dem Zuschlag an die Rekurswerber und der Wiederversteigerung eingetretenen Brandschäden eine erhebliche, den Rekurswerbern nicht anzulastende Wertminderung erlitten hätten. Da die Feuerversicherung 1 Mill. S an die betreibende Partei ausgezahlt habe, müsse sich diese diesen "Ertrag" gutschreiben. Die Rekurswerber beantragten die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Beschlusses oder dessen Aufhebung zwecks Verfahrensergänzung und neuerlicher Beschlußfassung. Das Rekursgericht hob den angefochtenen Beschluß aus Anlaß des erwähnten Rekurses als nichtig (§ 477 Abs. 1 Z. 9 ZPO) auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung im Sinn des § 155 Abs. 2 EO auf. Dabei führte es unter anderem aus, daß die Versicherungssumme dem zweiten Meistbot hinzuzurechnen sei und mit die Verteilungsmasse bilde. Sie hafte nach § 155 Abs. 1 EO nur für den Ausfall am Meistbot, die Kosten und für sonstige Schäden. Die Versicherungssumme dürfe vom Exekutionsgericht jedoch anläßlich der Beschlußfassung im Sinn des § 155 Abs. 2 EO nur dann als haftungsmindernd berücksichtigt werden, wenn die ausgezahlte Versicherungssumme zugunsten der Verteilungsmasse beim Exekutionsgericht erlegt sei, von diesem also darüber verfügt werden könne. Diesbezügliche Anregungen des Exekutionsgerichtes wären zweckmäßig. Wenn der Feuerversicherer oder die Person, welche die Versicherungssumme in Händen habe, nicht freiwillig bereit sei, diese beim Exekutionsgericht zu erlegen, werde dieses die Brandschadenvergütung in diesem Verfahrensstadium bei der Berechnung des Ausfalls am Meistbot nicht zu berücksichtigen haben. Die Leistungsunwilligkeit des Feuerversicherers beziehungsweise das Untätigwerden der Berechtigten diesem gegenüber könne nämlich die Beschlußfassung über den Meistbotsausfall weder dauernd verhindern noch verzögern. In diesem Fall werde es Sache der hinsichtlich der Versicherungssumme Berechtigten sein, allenfalls im Prozeßwege darauf zu dringen, daß die Entschädigungssumme in die Verteilungsmasse geleistet werde, damit dieser Betrag durch das Exekutionsgericht nach Maßgabe der §§ 216 ff. EO verteilt werde. Das Argument der Rekurswerber, die durch den Brandschaden verursachte Wertminderung könne ihnen nicht angelastet werden, sei nicht stichhaltig, weil eine Verschlechterung der Liegenschaft nach dem Zuschlag auf die Haftung des säumigen Erstehers selbst dann keinen Einfluß habe, wenn eine neuerliche Schätzung stattgefunden habe. Nach § 156 Abs. 1 EO gehe nämlich mit dem Zuschlagstag die Gefahr auf den Ersteher über. Er könne sich dieser Rechtslage nicht dadurch entziehen, daß er mit der Erfüllung der Versteigerungsbedingungen, der Zahlung des Meistbots säumig werde (ON 143).
Am 17.9.1984 teilte der Verwalter der versteigerten Liegenschaften, Mag. Ekkehard I*** mit, daß die Brandschadensversicherungs-Polizze Nr. 7/2/02942258 der AUSTRIA Österreichische Versicherung AG zugunsten der betreibenden Partei vinkuliert worden sei. Für die betreibende Partei hätte bei Eintritt eines Versicherungsfalls die Wahlmöglichkeit bestanden, die Versicherungssumme ihrer Hypothekarforderung gutzubringen oder sie für den Wiederaufbau des Objekts zu verwenden. In Abrechnung des Schadensfalles vom 6.1.1983 habe die betreibende Partei nach Verhandlung mit der Versicherung die Versicherungssumme von etwa 1 Mill. S ihrer Hypothekarforderung gegen den Verpflichteten gutgebracht und den Forderungssaldo entsprechend reduziert (ON 144). Am 23.10.1984 präzisierte die betreibende Partei, von der AUSTRIA AG 1,100.000,-- S als Entschädigungsbetrag für den Brandschaden am Versteigerungsobjekt erhalten zu haben. Davon habe sie für die Abbruchkosten des abgebrannten Gebäudeteiles Baumeister Ing. W*** 103.368,-- S überwiesen. Die betreibende Partei sei auch durch den Verpflichteten ermächtigt gewesen, die Entschädigungssumme entgegenzunehmen und habe sie zur Verringerung der Verbindlichkeit des Verpflichteten verwendet und diese bei der Forderungsanmeldung berücksichtigt. Die Entschädigungssumme wäre der betreibenden Partei auf Grund der Grundbuchsordnung und ihrer Forderungen auch bei einer Verteilung nach den §§ 216 ff. EO zur Gänze zugeflossen. Die betreibende Partei habe in ihrer Funktion als Pfandgläubigerin die fälligen Feuerversicherungsprämien überwiesen, nur dadurch sei das Objekt feuerversichert gewesen. Ohne die Prämienzahlungen der betreibenden Partei wäre die Versicherung im vorliegenden Fall leistungsfrei geworden. Da die Entschädigungssumme bereits eingenommen und verbucht sei, sei eine Herausgabe an das Exekutionsgericht nicht möglich, wäre aber auch nicht sinnvoll, weil nur die betreibende Partei zum Zuge kommen könnte (ON 147). Daraufhin ersuchte das Erstgericht die betreibende Partei, den Entschädigungsbetrag von 1,100.000,-- S zur Einbeziehung in die Berechnung des Ausfalls am Meistbot so zur Verfügung zu stellen, daß es das ausschließliche Zugriffsrecht darüber habe. Sollte die betreibende Partei diesem Ersuchen nicht nachkommen, möge sie bekanntgeben, wann und in welcher Form die Vinkulierung des Versicherungsvertrages erfolgt sei (ON 149).
Am 12.11.1984 beantragten Johann und Leopoldine S***, den vom Erstgericht bestellten Verwalter der Liegenschaften zu veranlassen, die Entschädigungssumme an das Exekutionsgericht einzuzahlen und diese sodann bei der Feststellung eines allfälligen Ausfalls zu berücksichtigen (ON 150).
Am 28.12.1984 verwies die betreibende Partei auf ihr schon erwähntes Schreiben ON 147 und legte die Umstände der Vinkulierung und weiters dar, daß sie in den Versicherungsvertrag eingetreten und daher Versicherungsnehmer sei (ON 152).
Mit dem Beschluß vom 7.1.1985, ON 153, stellte das Erstgericht den Ausfall am Meistbot wie folgt fest:
1. (Differenz zwischen dem
Meistbot vom 29.7.1981
- 3,015.000,- S - und dem
Meistbot vom 3.11.1983
- 2,110.000,-- S) 905.000,-- S
2. 4 % Zinsen von 753.750,- S
(Viertel des Meistbotes)
für 14 Tage (§ 152 Abs.1
und 3 EO) 1.156,44 S
3. Kosten des Wiederverstei-
gerungsverfahrens insgesamt 52.032,40 S
daher insgesamt 958.188,84 S
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In der Begründung führte das Erstgericht unter anderem aus, bei der Feststellung des Ausfalls sei auf die erzielten, nicht die erzielbaren Meistbote abzustellen; Investitionen des säumigen Erstehers könnten daher nicht berücksichtigt werden. Auf die Entschädigungssumme habe der Ersteher keinen Anspruch. Er habe trotz aufrechten Versicherungsverhältnisses die Bezahlung der Versicherungsprämie verweigert und damit die Leistungsfreiheit des Versicherers in Kauf genommen. Überdies habe er seine Rechte als Versicherungsnehmer an den betreibenden Gläubiger abgetreten. Das Vorgehen des Pfandgläubigers sei daher durch die §§ 100 bis 102 Versicherungsvertragsgesetz gedeckt. Auch daß der Pfandgläubiger den Entschädigungsbetrag "zur Gänze" (?) dem Debetkonto des Verpflichteten gutgebracht habe, sei gesetzlich gedeckt, weil der Gläubiger damit nur von einem ihm eingeräumten Wahlrecht Gebrauch gemacht habe. Der betreibende Gläubiger hätte auch die Möglichkeit gehabt, die Hinterlegung des Entschädigungsbetrages beim Exekutionsgericht zu begehren, dann wäre dieser Betrag in die Berechnung des Ausfalls einzubeziehen gewesen. Da dieser Betrag jedoch dem Zugriff des Exekutionsgerichtes entzogen sei, könne es darüber nicht verfügen. Den früheren Erstehern stehe es frei, ihre Ansprüche gegen den betreibenden Pfandgläubiger im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen. Auch alle sonst durch die Saumsal der säumigen Ersteher verursachten Schäden seien im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen.
Auch gegen diesen Beschluß erhoben die früheren Ersteher Rekurs, dem das Rekursgericht teilweise Folge gab. Es änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß es vom Meistbot der Versteigerung vom 29.7.1981 von 3,015.000,-- S zuzüglich den Meistbotszinsen von 1.156,44 S nicht nur das Meistbot der Wiederversteigerung von 2,110.000,-- S, sondern auch die nicht für Abbrucharbeiten verwendete Feuerversicherungssumme von 996.632,-- S abzog und daher nur die Kosten des Wiederversteigerungsverfahrens per 52.032,40 S als Ausfall ansah.
Das Rekursgericht meinte, wenn der einzige betreibende Gläubiger erkläre, die an ihn ausgezahlte Feuerversicherungssumme zur Befriedigung der betriebenen Forderung zu verwenden und dies bei der Forderungsanmeldung im Meistbotsverfahren zu berücksichtigen, sei dies im Effekt so zu behandeln, wie wenn die Versicherungssumme bei Gericht erlegt worden wäre und das Meistbot vermehrt hätte. Dann sei es aber recht und billig, diese Versicherungssumme bei der Feststellung des Ausfalls nach § 155 Abs. 2 EO zugunsten der säumigen Ersteher als haftungsmindernd zu berücksichtigen, denn sie vermehre den Befriedigungsfonds für die auf das Meistbot verwiesenen Beteiligten und vermindere so den Ausfall.
Insoweit ein Teilbetrag von 996.632,-- S der Feuerversicherungssumme der Berechnung des Ausfalls am Meistbot zugeschlagen wurde, bekämpft die betreibende Partei den Beschluß des Rekursgerichtes mit auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses gerichtetem Revisionsrekurs.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 78 EO und §§ 528 Abs. 2, 502 Abs. 4 Z. 2 ZPO), aber nicht begründet.
Schon § 338 AGO bestimmte, "daß der Meistbietende die bedungenen Zahlungsfristen genau beobachten soll, widrigens.....das Gut auf Anlangen des Gläubigers sowohl, als des Schuldners, ohne neue Schätzung und mit Anberaumung einer einzigen Frist, auch unter der Schätzung auf seine Gefahr und Unkosten feilzubieten und zu versteigern" ist.
Nach § 166 Abs. 2 der Regierungsvorlage zur Exekutionsordnung sollte die Wiederversteigerung unter entsprechender Anwendung der für die erste Versteigerung geltenden Vorschriften, jedoch ohne Anordnung einer neuerlichen Tagsatzung zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen durchgeführt werden. Der neuen Versteigerung sollten vielmehr die für die erste Versteigerung festgestellten Versteigerungsbedingungen mit der Abweichung zugrundegelegt werden, daß bei der Wiederversteigerung auch solche Gebote zu berücksichtigen gewesen wären, welche das für die erste Versteigerung bestimmte geringste Gebot nicht erreichen (Materialien zu den neuen österreichischen Civilprocessgesetzen I 414). Nach dem Antrag des Permanenzausschusses sollte der Text des § 166 Abs. 2 der vorzitierten Regierungsvorlage als § 153 Abs. 2 mit zwei Auslassungen übernommen werden: Im ersten Satz sollte die Wendung "jedoch ohne Anordnung einer neuerlichen Tagsatzung zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen", im zweiten Satz das Wort "vielmehr" entfallen ((Materialien II 130). Diese Streichungen erfolgten in Konsequenz des Antrages des Permanenzausschusses, die in der Regierungsvorlage zwingend vorgesehene Tagsatzung zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen auf die Fälle zu beschränken, in denen der betreibende Gläubiger einen nach dem Gesetz zulässigen Antrag auf Festsetzung abweichender Bedingungen stellt (Materialien II 41).
Durch den gemeinsamen Bericht der Permanenzkommission des Herrenhauses und des Permanenzausschusses des Abgeordnetenhauses wurde § 166 Abs. 2 der Regierungsvorlage in die als § 154 Abs. 3 Gesetz gewordene Fassung gebracht (Materialien II 744). Im gemeinsamen Bericht wurde zur Einigung, bei der Wiederversteigerung immer die Hälfte des Schätzwertes als geringstes Gebot zugrundezulegen, ausgeführt, zunächst sei anerkannt worden, daß bei der Wiederversteigerung in dieser Hinsicht eine klare, durchgreifende Bestimmung vonnöten sei. Da von den eventuellen Erlägen des ersten Erstehers jedenfalls das Vadium oder 10 % des Schätzwertes für den Ausfall hafteten, werde wohl in den meisten Fällen auch bei einem geringsten Gebot, welches die Hälfte des Schätzwertes nicht übersteige, der bei der Wiederversteigerung unter Hinzurechnung des Vadiums und der übrigen Erläge des Erstehers erzielte Gesamtbetrag gar nicht oder nur wenig hinter den zwei Dritteln, die für die erste Versteigerung als Grenze gesetzt seien, zurückbleiben (Materialien II, 661).
(Kastner, Zum Rechte der Wiederversteigerung nach §§ 154 und 155 EO, JBl. 1900, 422 f, weist darauf hin, daß das durch die Bewilligung der Wiederversteigerung eingeleitete Verfahren auch insoferne unselbständig sei, als es sich nach den Versteigerungsbedingungen des Hauptverfahrens richte, mit der einzigen, allerdings notwendigen Ausnahme, daß das geringste Gebot stets die Hälfte des Schätzwertes betrage.)
Hölzel, Wiederversteigerung und erste Versteigerung, beider Wesen und Wirkung, JBl. 1904, 265 f., meint auf Seite 314 f., eine neue Schätzung könne nur unter jenen Voraussetzungen zulässig sein, unter welchen sie nach Rechtskraft der Versteigerungsbedingungen auch vor der ersten Versteigerung noch bewilligt werden könne, also wenn solche Veränderungen der Liegenschaft eintreten, welche ihren Wert merklich verändern, zum Beispiel, wenn nach Rechtskraft der Versteigerungsbedingungen ein Teil der auf der Liegenschaft erbauten Gebäude niedergebrannt wäre. Davon abgesehen, behielten die rechtskräftig festgestellten Bedingungen auch für die Wiederversteigerung Geltung, jedoch mit der Abänderung, daß das geringste Gebot stets die Hälfte des Schätzwertes betrage. (Lehmann, Die Zwangsversteigerung, 317, schreibt, daß der neuen Versteigerung gemäß § 154 Abs. 3 EO die für die erste Versteigerung festgestellten Versteigerungsbedingungen mit der Abweichung zugrundezulegen seien, daß das geringste Gebot stets die Hälfte des Schätzwertes betrage. Da derart im Wiederversteigerungsverfahren jede Änderung der einmal festgestellten Versteigerungsbedingungen unzulässig sei, müsse auf die Verfassung der Versteigerungsbedingungen besondere Sorgfalt verwendet und schon darin für alle Eventualitäten des Wiederversteigerungsverfahrens Vorsorge getroffen werden.)
Walker, Österreichisches Exekutionsrecht 4 , 226, hält eine neuerliche Schätzung nur dann für möglich, wenn "in der Zwischenzeit" eine "bedeutende Wertänderung" der Liegenschaft eingetreten sei.
Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes mit Einschluß des Exekutionsrechtes 2 III 985 lehrt, daß die Wiederversteigerung auf Grund der vorliegenden Schätzung und der beschlossenen Versteigerungsbedingungen stattfinde (der Klammerhinweis aaO. "über ihre Wiederholung S. V b" deutet allerdings darauf hin, daß eine neuerliche Schätzung nicht gänzlich ausgeschlossen sein soll).
Petschek-Hämmerle-Ludwig, Das österreichische Zwangsvollstreckungsrecht 125 führen aus, die Bewilligung der Wiederversteigerung erfolge auf der Grundlage der früheren Versteigerungsbedingungen, die sich nur insoweit ändern können, als das geringste Gebot auch bei Landgütern und Grundstücken mit der Hälfte des Schätzwertes der Liegenschaft samt ihrem Zubehör bemessen werde.
Heller-Berger-Stix II 1226 f. kommentieren, daß die Wiederversteigerung mit Ausnahme der Bestimmung des geringsten Gebots unter Zugrundelegung der bereits genehmigten Versteigerungsbedingungen neu durchzuführen sei. Das gelte insbesondere bei der Bestimmung des Schätzwertes. Es sei "keinesfalls" zulässig, eine neue Schätzung anzuordnen, um ein niedrigeres geringstes Gebot zu erzielen. Anders sei die Lage nur, "wenn aus irgendwelchen Gründen" "eine" Änderung des Werts eingetreten sei.
Der letztzitierte, ziemlich unbestimmte Satz dürfte im Sinn der die neuerliche Schätzung betreffenden Kommentarausführungen (II 1159 f.) zu verstehen sein, die unter Hinweis auf das Fehlen einer diesbezüglichen ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift trotz Rechtskraft der den Schätzwert bestimmenden und die Versteigerungsbedingungen genehmigenden Beschlüsse eine neuerliche Schätzung bei einer wesentlichen und dauernden Änderung des Werts der Liegenschaft für zulässig erachten, etwa bei Zerstörung durch Brand.
Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht 2 181 betont, daß die Wiederversteigerung auf Grund der früheren Versteigerungsbedingungen geschehe, doch betrage das geringste Gebot stets die Hälfte des Schätzwertes.
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 27.3.1907, GlUNF 3734 ausgesprochen, daß bei der Wiederversteigerung von den für die erste Versteigerung festgestellten Bedingungen, abgesehen von der Bestimmung über das geringste Gebot, nicht abgegangen werden kann (allerdings für einen mit dem vorliegenden nicht vergleichbaren Sachverhalt).
Diese höchstgerichtliche Entscheidung zitieren Heller-Trenkwalder, Die österreichische Exekutionsordnung in ihrer praktischen Anwendung 3 511 und auch Heller-Berger-Stix II 1226 Anm. 3 zu der schon dargelegten Kommentarmeinung, daß die Wiederversteigerung mit Ausnahme des geringsten Gebots unter Zugrundelegung der bereits genehmigten Versteigerungsbedingungen neu durchzuführen sei, daß das insbesondere von der Bestimmung des Schätzwertes gelte und es keinesfalls zulässig sei, eine Neuschätzung anzuordnen, um ein niedrigeres geringstes Gebot zu erzielen.
Andere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu dieser Frage sind - soweit überblickbar - nicht ergangen.
Auch dann, wenn man sich der von einem Teil der Lehre (Hölzel, Walker, Heller-Berger-Stix, vermutlich auch Pollak, jeweils am angegebenen Ort) vertretenen Ansicht anschließt, daß der Wiederversteigerung ausnahmsweise ein anderer Schätzwert der Liegenschaft und ihres Zubehörs zugrundegelegt werden dürfe als der ersten Versteigerung, enthält § 154 Abs. 3 EO doch ausdrücklich die Regel, daß der Wiederversteigerung die für die erste Versteigerung festgestellten Versteigerungsbedingungen mit der einzigen (allfälligen) Abweichung zugrundezulegen sind, daß das geringste Gebot bei der Wiederversteigerung stets, also auch dann, wenn - etwa bei "Landgütern und Grundstücken" oder auf Grund eines diesbezüglichen Antrags mit Zustimmung des betreibenden Gläubigers in den Versteigerungsbedingungen ein höherer Betrag festgestellt worden ist (§ 151 EO), die Hälfte des Schätzungswertes der Liegenschaft und ihres Zubehörs beträgt.
Daraus folgt, daß es im vorliegenden Fall schon deshalb keinen sich bei der Wiederversteigerung ergebenden Ausfall am Meistbot im Sinn des § 155 EO geben kann, weil diese Gesetzesstelle nach ihrem Wortlaut und ihrer Stellung eine "echte" Wiederversteigerung im Sinn des § 154 EO voraussetzt. § 155 EO gilt daher nicht, wenn ein Antrag auf Wiederversteigerung gar nicht gestellt wurde, oder die bewilligte Wiederversteigerung unterbleibt, sei es, daß der säumige Ersteher rechtzeitig den geschuldeten Betrag samt Zinsen erlegt, sei es, daß das Versteigerungsverfahren zulässigerweise eingestellt und dann die Liegenschaft in einem späteren Verfahren zu einem geringeren Meistbot versteigert wird. Die Ansprüche aus einem solchen Verzug sind im Klageweg durchzusetzen, ohne daß ein Verfahren nach § 155 Abs. 2 EO einzuleiten ist (Heller-Berger-Stix II, 1230; JBl. 1969, 447; vgl auch SZ 37/149 und EvBl. 1967/459).
Diesen Fällen ist der vorliegende gleichzuhalten, weil im Hinblick darauf, daß der neuen Versteigerung nicht, wie in § 154 Abs. 3 EO grundsätzlich vorgesehen, die für die erste Versteigerung festgestellten Versteigerungsbedingungen zugrundegelegt wurden, sondern neue Versteigerungsbedingungen, nach denen das geringste Gebot nicht mehr die Hälfte des seinerzeitigen Schätzwertes, also 2,871.003,50 S betrug, sondern die Hälfte des neuen Schätzwertes, somit nur mehr 1,924.303,50 S.
Da den beiden Versteigerungen zwei verschiedene Versteigerungsbedingungen zugrundegelegt wurden, bei denen insbesondere die geringsten Gebote, die jeweils die Hälfte der verschiedenen Schätzwerte betrugen, um 946.700,-- S differierten, lassen sich das Meistbot der ersten und das Meistbot der neuen Versteigerung zueinander nicht so in Beziehung setzen, daß ein Ausfall am Meistbot im Sinn des § 155 Abs. 1, erster Halbsatz EO festgestellt werden könnte.
Dem Revisionsrekurs, in dem beantragt wird, die keinen Ausfall am Meistbot feststellende und daher im Ergebnis richtige Entscheidung des Rekursgerichtes durch Wiederherstellung der einen Ausfall am Meistbot feststellenden Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern, ist daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 74 und 78 EO sowie den §§ 40, 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E07748European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00047.85.0402.000Dokumentnummer
JJT_19860402_OGH0002_0030OB00047_8500000_000