TE OGH 1986/4/3 7Ob531/86

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Veröffentlicht am 03.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paula M***, Gries, Ritten 108, vertreten durch Dr. Johann Paul Cammerlander, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Franz A***, Bäckermeister, Gries, Ritten 106, vertreten durch Dr. Christine Brandl und Dr. Georg Gschnitzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Schließen eines Gatters (Streitwert S 30.000 s.A.), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 21. November 1985, GZ, 1 aR 532/85-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 14. Juni 1985 16 C 2436/84-7, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 4.915,70 (darin S 428,70 an Umsatzsteuer und S 200,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 3.309,75 (darin S 257,25 an Umsatzsteuer und S 480,- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens beim Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 46 KG Gries am Brenner, zu deren Gutsbestand unter anderem die Grundstücke 48 und 208/3 gehören. Der Beklagte ist zu 6/8-Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft der EZ 45 KG Gries am Brenner, zu deren Gutsbestand unter anderem die Grundstücke 47/1 und 204/3 gehören. Das Grundstück 47/1 grenzt im Norden unmittelbar an das Grundstück 208/3; das Grundstück 204/3 schließt im Westen an diese beiden Grundstücke an. Auf dem Grundstück 208/3, und zwar an der Grenze zum Grundstück 47/1, besteht die Dienstbarkeit des Fahrweges und des Fußsteiges zugunsten jenes Grundstückes bis zum Grundstück 204/3 in der Breite von 3 m (Außerstreitstellungen AS 8, 12 und 17). Die Klägerin bringt vor, die beschriebene Zufahrt habe vereinbarungsgemäß eingefriedet werden sollen, doch habe sich durch viele Jahre keine Notwendigkeit hiezu ergeben. Da schließlich aber die Durchfahrt wiederholt auch von Unberechtigten benützt worden sei, habe die Klägerin ein Gatter angebracht und den Beklagten gebeten, dieses nach der Durchfahrt immer zu schließen. Im Gegensatz zu seinen Miteigentümern weigere sich der Beklagte, dies zu tun, und lasse das Gatter nach der Durchfahrt immer offen stehen. Die Klägerin stelle deshalb das Begehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, das Gatter nach jeder Durchfahrt zu schließen. Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, es fehle ihm die Passivlegitimation, da er nur 6/8-Eigentümer der berechtigten Liegenschaft sei, sämtliche Miteigentümer des herrschenden Grundstückes aber notwendige Streitgenossen seien. Auf dem Grundstück 47/1 befinde sich seit mehr als 50 Jahren ein Bäckereibetrieb, den derzeit der Beklagte führe. Bei der bestehenden Dienstbarkeit handle es sich um die Zu- und Abfahrt zum Bäckereibetrieb, die seit jeher von sämtlichen Kunden, Lieferanten, sowie vom Beklagten und seinen Angestellten teils zu Fuß, teils mit Fahrzeugen ausgeübt worden sei. Die Errichtung des Gittertores stelle eine unzumutbare Erschwerung der Ausübung der Dienstbarkeit dar. Der Beklagte sei nicht in der Lage, nach jeder abfahrenden Kundschaft oder jedem zufahrenden Lieferanten das Gitter zu öffnen und wieder zu schließen.

Das Erstgericht wies die Klage ab und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, der Beklagte sei (nur) Miteigentümer des herrschenden Grundstückes. Die Miteigentümereigenschaft bewirke, daß alle Miteigentümer gemeinsam in Beziehung auf das Ganze wie eine einzige Person angesehen würden. Eine Grunddienstbarkeit werde nicht zugunsten einer einzelnen Person, sondern zugunsten eines bestimmten Grundstückes begründet und ausgeübt. Der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstückes dürfe daher nicht nur einen der Miteigentümer, der eine störende Handlung setze, klagen, sondern er müsse die Klage gegen alle Miteigentümer des Grundstückes, zu dessen Gunsten die Servitut ausgeübt werde, richten. Dies gelte in gleicher Weise für das Begehren auf Feststellung des Nichtbestehens der Servitut wie für das Begehren auf Unterlassung ihrer Ausübung. Da die Rechtslage hinsichtlich aller Miteigentumsanteile gleich sein müsse, könne ein zu fällendes Urteil gegen Miteigentümer einer Liegenschaft nur für alle gleich lauten. Es liege daher eine notwendige Streitgenossenschaft der Miteigentümer des herrschenden Grundstückes nach § 14 ZPO vor. Eine Servitutsklage könne folglich nur gegen alle Miteigentümer eines herrschenden Grundstückes geführt werden.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 15.000,--, jedoch nicht S 300.000,- übersteigt. Zwar könne die Klage eines Liegenschaftseigentümers auf Feststellung des Nichtbestehens einer Dienstbarkeit und auf Unterlassung ihrer Ausübung nur gegen die Gesamtheit aller Miteigentümer des Grundstückes, zu dessen Gunsten die Servitut ausgeübt werde, gerichtet werden, weil ein unterschiedliches rechtliches Schicksal nicht denkbar sei. Die Möglichkeit der Klageführung eines Grundeigentümers gehe aber über die eigentliche Negatorienklage nach § 523 ABGB gegen die Anmaßung einer Dienstbarkeit hinaus. Der Grundeigentümer könne jeden unberechtigten Eingriff in sein Eigentum abwehren. Diesfalls könne die Klage gegen jeden Störer gerichtet werden. Die Klägerin wehre sich nicht gegen das Bestehen einer Servitut, sie wende sich allein gegen behauptete Übergriffe des Beklagten. Der Beklagte sei daher passiv legitimiert. Das Erstgericht werde deshalb die weiteren Behauptungen der Klägerin und die Einwendungen des Beklagten zu prüfen haben. Ein Rechtskraftvorbehalt sei auszusprechen gewesen, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob ein mit der Ausübung einer an sich unbestrittenen Dienstbarkeit verknüpfter Leistungsanspruch gegen einen Miteigentümer der herrschenden Liegenschaft allein erhoben werden könne. Der Beklagte bekämpft den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs und beantragt, ihn aufzuheben und gemäß § 519 Abs 2 ZPO durch Urteil in der Sache selbst zu erkennen, oder dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung aufzutragen. Gegenstand des Rechtsstreites sei die Art und Weise der Ausübung eines Servitutsrechtes und nicht die Beseitigung einer Störung. Der Umfang des Servitutsrechtes könne aber nur gegenüber allen Miteigentümern der herrschenden Liegenschaft einheitlich festgestellt oder gestaltet werden. Die Klage müsse daher gegen alle Miteigentümer des herrschenden Grundstückes gerichtet werden.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs des Beklagten nicht Folge zu geben. Nur der Beklagte weigere sich, das Gatter nach jeder Durchfahrt zu schließen. Die Klage könne daher nur gegen ihn gerichtet werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung bilden Miteigentümer, die eine Grunddienstbarkeit in Anspruch nehmen, bei einer gegen sie gerichteten Eigentumsfreiheitsklage wegen der Unteilbarkeit der Grunddienstbarkeit (§ 485 ABGB) eine notwendige und einheitliche Streitgenossenschaft (Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 4 zu § 523; JBl 1965, 89 ua, zuletzt SZ 56/60). Inhalt und Umfang der Grunddienstbarkeit wirken sich notwendigerweise auf das Eigentum am herrschenden Gut als Ganzes aus, keineswegs nur auf den einen oder anderen Miteigentumsanteil. Eine Klage gegen die Anmaßung einer Grunddienstbarkeit ist deshalb gegen sämtliche Miteigentümer des (angeblich) herrschenden Gutes zu richten, auch dann, wenn die den Anlaß der Klageführung gebende Störung des klägerischen Eigentums nur von einem einzigen Miteigentümer ausgeht (JBl 1965, 89; 7 Ob 161/75 = MietSlg. 27.063; 7 Ob 514/77; SZ 56/60). Daß es sich bei dem den Gegenstand des Verfahrens bildenden Recht um eine Grunddienstbarkeit und nicht um eine nur dem Beklagten persönlich eingeräumte Dienstbarkeit handelt, geht zwar aus der Klage (und aus dem mit dem Schriftsatz der Klägerin ON 4 vorgelegten Bescheid vom 14.10.1948) nicht ausdrücklich hervor. Dies kann jedoch nach dem Wortlaut der eingangs wiedergegebenen, in der Tagsatzung vom 30.4.1985 vorgenommenen Außerstreitstellung (AS 17) nicht zweifelhaft sein.

Es ist richtig, daß mit der Eigentumsfreiheitsklage nicht nur Servitutsanmaßungen, sondern jeder Eingriff in das Eigentumsrecht abgewehrt werden kann. Dabei bleibt es grundsätzlich dem Eigentümer überlassen, mit welchen Mitteln er einen Eingriff in sein Eigentum abwehren will. Er muß daher auch keineswegs die Feststellung des Nichtbestandes des angemaßten Rechtes beantragen, sondern kann sich mit dem Begehren auf Unterlassung der Dienstbarkeitsausübung - oder einem sinngemäß gleichartigen Begehren, wie es hier gestellt wurde - begnügen. Ist aber die Eigentumsfreiheitsklage auf die Abwehr einer angemaßten Dienstbarkeit gerichtet, so muß sie nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gegen sämtliche Miteigentümer des herrschenden Grundstückes selbst dann gerichtet werden, wenn die den Anlaß der Klageführung gebende Störung des klägerischen Eigentums nur von einem Miteigentümer ausgegangen ist (7 Ob 514/77). Die Frage, gegen wen die Eigentumsfreiheitsklage zu richten ist, bestimmt sich sohin nach dem Inhalt des vom Beklagten ausgeübten und von ihm als Eigentumsbeschränkung in Anspruch genommenen Rechtes (SZ 27/101, 7 Ob 514/77). Das Verfahren ist einerseits abgegrenzt durch die Klagserzählung, andererseits durch die Einwendungen des Beklagten. Bereits aus dem Klagevorbringen im Zusammenhang mit der Außerstreitstellung AS 17 ergibt sich hier, daß sich die Klägerin gegen die Art und Weise, in der der Beklagte die unbestritten zugunsten des Grundstückes 47/1 bestehende Dienstbarkeit des Fahrweges und Fußsteiges ausübt (ohne nämlich das - nach der Behauptung des Beklagten eine unzumutbare Erschwerung der bestehenden Dienstbarkeit darstellende - Gatter nach der Durchfahrt wieder zu schließen) zur Wehr setzen will. Die Klage ist daher gegen die Abwehr einer nach der Klageerzählung angemaßten Art der Servitutsausübung gerichtet. Sie ist aus diesem Grund gegen sämtliche Miteigentümer des herrschenden Grundstückes zu richten. Die Klägerin behauptet nicht, daß die Art der Ausübung des Servitutsrechtes durch den Beklagten gegen den Willen der Miteigentümer erfolge (vgl. SZ 27/101). Das Argument der Klägerin, das Verhalten der Miteigentümer der herrschenden Liegenschaft (außer dem Beklagten) habe zu einer gleichartigen Klageführung wie gegen den Beklagten keinen Grund gegeben, dringt unter den gegebenen Umständen nicht durch (iglS 7 Ob 161/75).

Die Entscheidung 6 Ob 765/82, die das Berufungsgericht zur Stützung seiner Ansicht herangezogen hat (aus den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen MietSlg. 21.173 und 30.062 läßt sich zur Lösung der vorliegenden Frage nichts gewinnen), ist mit dem gegenständlichen Fall nicht vergleichbar, weil hier, wie bereits dargelegt wurde, im Gegensatz zu der genannten Entscheidung schon nach dem Vorbringen klar ist, daß Verfahrensgegenstand der Umfang der vertraglich eingeräumten Dienstbarkeit ist. Da die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit die Klärung der Frage anstrebt, in welcher Weise die zugunsten des Grundstücks 47/1 der KG Gries am Brenner bestehende Dienstbarkeit des Fahrweges und des Fußsteiges ausgeübt werden darf, muß sie ihre Klage gegen alle Miteigentümer des herrschenden Gutes richten, da sie in diesem Rechtsstreit eine einheitliche Streitgenossenschaft bilden. Mit Recht hat deshalb das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen, so daß der Beschluß des Berufungsgerichtes in Stattgebung des Rekurses aufzuheben und gemäß § 519 Abs 2 ZPO die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen war. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E08246

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00531.86.0403.000

Dokumentnummer

JJT_19860403_OGH0002_0070OB00531_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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