TE OGH 1986/4/3 6Ob552/84

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Veröffentlicht am 03.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Jensik, Dr.Schobel und Dr.Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*** W*** Aktiengesellschaft, Wien 23., Altmannsdorferstraße 329, vertreten durch Dr.Wilhelm Rosenzweig und Dr.Otto Dietrich, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Peter S***, kaufmännischer Angestellter, Wien 13., Riedelgasse 40, vertreten durch Dr.Herbert Schachter und Dr.Peter Kerschbaum, Rechtsanwälte in Wien, wegen 413.000 S samt Nebenforderungen (Revisionsgegenstand 350.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7.November 1983, GZ14 R 169/83-44, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 30.Mai 1983, GZ40 b Cg 198/79-39, in Ansehung des Revisionsgegenstandes bestätigt und im übrigen abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird stattgegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte als Neugläubigerin vom Beklagten die Rückzahlung mehrerer darlehensweise vom Altgläubiger zugezählten Beträge im eingeschränkten Gesamtbetrag von 413.000 S. Die Klägerin berief sich dazu vor allem auf eine vom Beklagten dem Altgläubiger ausgestellte Bestätigung. Sie unterließ aber jedes konkrete Prozeßvorbringen über Anlaß, Zeit und Ort, Art der Darlehenszuzählung und insbesondere über die jeweiligen Rückzahlungsabsprachen. Sie brachte in Erwiderung des Einwendungsvorbringens vor, der Beklagte und zwei weitere Personen hätten den Altgläubiger "als Aushängeschild verwendet", um Forderungen eines Reisebüros abzudecken, der Altgläubiger sei auf Grund eines Notariatsaktes vom 18. August 1977 zur Abdeckung herangezogen worden; daraus hafte auch der Beklagte anteilig; er habe sich verpflichtet, dem Altgläubiger die - nicht näher bezeichneten - auf ihn entfallenden "Schadenersatzbeträge zu refundieren".

Der Beklagte bestritt jede Darlehenszuzählung und wendete ein, daß ausschließlich Darlehensforderungen Gegenstand der Abtretung gewesen seien. Hilfsweise behauptete er vollständige Rückzahlung der klageweise geltend gemachten Beträge. Er brachte vor, er habe für den Altgläubiger Bürgschaften übernommen, sei aus diesen Erklärungen auch in Anspruch genommen worden, er habe daher gegen den Altgläubiger Rückgriffsforderungen, nicht umgekehrt. Der Beklagte konkretisierte seine Forderungen gegen den Altgläubiger aber nicht und machte sie auch nicht zum Gegenstand einer prozeßrechtlichen Aufrechnungseinwendung.

Das Erstgericht gab dem eingeschränkten Klagebegehren im Teilbetrag von 350.000 S samt 4 % Zinsen seit 11.September 1979 statt und wies das auf Zahlung eines weiteren Betrages von 63.000 S samt Nebenforderungen gerichtete Mehrbegehren ab.

Die Abweisung blieb unbekämpft.

Das Berufungsgericht bestätigte nach Beweiswiederholung das erstinstanzliche Urteil in dessen stattgebenden Aussprüchen.

Aus dem dabei zugrunde gelegten Sachverhalt ist hervorzuheben:

Der Altgläubiger wurde im Jahre 1977 als Mitarbeiter von einer Versicherungsgesellschaft aufgenommen und dem dort als Organisationsleiter tätigen Beklagten unterstellt. Der Beklagte nahm mit dem Altgläubiger außerberuflich persönliche und wirtschaftliche Beziehungen auf. Er befand sich ständig in finanziellen Schwierigkeiten. Der Altgläubiger stellte ihm wiederholt Geldbeträge als Darlehen zur Verfügung. Die Zuzählung erfolgte teils durch Hingabe von Bargeld, teils durch Begebung von Schecks, teils durch übergabe von Sparbüchern. Mangels Bestätigungen darüber drohte die Lage unüberschaubar zu werden.

Im Sommer 1978 unterschrieb der Beklagte eine vom Altgläubiger handschriftlich verfaßte Bestätigung mit folgendem Wortlaut:

"Ich bestätigte von Hr.... (Altgläubiger)....folgende Summen erhalten zu haben

S 100.000,-- Scheck bar

S 50.000,-- Scheck bar

S 20.000,-- bar

S 10.000,-- bar

S 45.000,-- Scheck M***

S 70.000,-- Sparbuch Volvo

S 295.000,--.

Eine Gegenforderung meinerseits besteht nicht. Die von mir zusätzlich ausgestellte Bestätigung über S 100.000,-- ist in dieser Aufstellung enthalten und somit ungültig. Es gilt der Betrag von S 295.000,--". Noch vor seiner Inhaftierung vom 3.Oktober 1978, wahrscheinlich noch vor dem 6.September 1978, ergänzte der Altgläubiger die Bestätigung durch Fortführung der Zusammenstellung in folgender Weise:

"+ 10.000,-- Aufzahlung Sparbuch Volvo

+ 25.000,-- Scheck

+ 5.000,-- bar

+ 50.000,-- bar

385.000,--

- 135.000,-- S***...

250.000,--"

Neben diesen Betrag setzte der Beklagte wie schon unter den ersten Text seine Unterschrift. Vor beiden Unterschriftsleistungen sagte der Altgläubiger zum Beklagten sinngemäß: "Das hast Du bis jetzt gekriegt". Der Beklagte unterschrieb jeweils ohne Einwand. Außer den in der Bestätigung erwähnten Beträgen von zusammen 385.000 S zählte der Altgläubiger dem Beklagten im September 1978 drei weitere Beträge im Gesamtbetrag von 100.000 S als Darlehen zu, und zwar am 6.September durch Übergabe des Schecks mit der Nr.2247 über einen Betrag von 20.000 S, am 11.September durch Übergabe des Schecks mit der Nr.2249 über einen Betrag von 50.000 S und am 14. September durch übergabe des Schecks mit der Nr.5834 über einen Betrag von 30.000 S.

135.000 S übersteigende Bürgenrückgrifforderungen des Beklagten gegen den Altgläubiger stellte das Berufungsgericht nicht fest. Der Altgläubiger hat der Klägerin mit der Abtretungserklärung vom 22.Juli 1979 zur teilweisen Gutmachung eines strafgerichtlich festgestellten Vermögensschadens die ihm gegen den Beklagten aus dem Titel der Darlehensgewährung zustehenden, mit 680.000 S bezifferten Forderungen zahlungshalber abgetreten.

Daraus folgerte das Berufungsgericht in rechtlicher Berurteilung:

In der schriftlichen Erklärung des Beklagten über den Saldobetrag von 250.000 S liege ein konstitutives Anerkenntnis. Wollte man die Erklärung bloß als widerlegbare Wissenserklärung werten, sei davon auszugehen, daß dem Beklagten der Gegenbeweis gegen den Urkundeninhalt nicht gelungen sei.

Der Beklagte ficht das bestätigende Berufungsurteil wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf vollständige Klageabweisung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Klägerin strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber unterstellt seine Ausführungen zum zweiten Punkt der Revision dem "Revisiongrund gemäß § 503 (1) Zif.1 ZPO". Er folgert aus seinen Ausführungen, daß das Berufungsverfahren an einem Mangel leide, der eine erschöpfende Erörterung der Streitssache verhindert habe. Der sachliche Gehalt der Ausführungen liegt im Vorwurf unvollständiger, einseitiger Berücksichtigung des Inhaltes von Strafakten bei der Würdigung der im Berufungsverfahren aufgenommenen Beweise. Damit steht fest, daß nicht eine Nichtigkeit im Sinne des § 503 Abs1 Z 1 ZPO, sondern ein sonstiger erheblicher Mangel des Berufungsverfahrens gemäß § 503 Abs1 Z 2 ZPO geltend gemacht wurde und in der ziffernmäßigen Bezeichnung des Anfechtungsgrundes ein Schreibfehler unterlaufen ist. Der gerügte Verfahrensmangel liegt allerdings nicht vor, weil das Berufungsgericht weder einen konkreten Beweisantrag des Rechtsmittelwerbers überging, noch eine ihm obliegende Pflicht zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung hintansetzte, sondern die in seinen Entscheidungsgründen erwähnten Stellen des Strafaktes lediglich zur Darlegung seiner Erwägungen zur kritischen Würdigung der im Rechtsstreit selbst aufgenommenen Beweise erwähnte. Der vom Revisionswerber geltend gemachte Sotffsammlungsfehler ist daher nicht zu erkennen.

Auch die gerügten Aktenwidrigkeiten liegen nicht vor. Das Berufungsgericht hat die im Punkt 1 lit a und lit c (1) der Revision erwähnte Aussage bei seinen Sachverhaltsfeststellungen keineswegs in einem vom protokollierten Inhalt abweichenden Sinne zugrunde gelegt, sondern auf Grund der nicht offenbar denkgesetzwidrig dargelegten Erwägungen teilweise als sachlich unrichtig erachtet. Das war ein vom Revisionsgericht nicht überprüfbarer Akt der Beweiswürdigung.

Auch der zu Punkt 1 lit b der Revision erhobene Vorwurf, das Berufungsgericht hätte das Einwendungsvorbringen nach der Klagebeantwortung aktenwidrig zugrunde gelegt, trifft in keiner Weise zu. Das Berufungsgericht hat das Einwendungsvorbringen ohne Abweichungen vom vorgetragenen Inhalt berücksichtigt, soweit in diesem Einwendungsvorbringen allerdings konkrete Tatsachenbehauptungen fehlten, nicht zum Gegenstand von Sachverhaltsermittlungen genommen. Soweit der Rechtsmittelwerber als beklagte Partei seiner Behauptungspflicht in Ansehung von anspruchsaufhebenden oder -hemmenden Umständen nicht nachgekommen ist, sei es, daß er solche Umstände nicht konkret nennen wollte oder konnte, traf das Gericht keine Erhebungspflicht. Die in Rede stehenden Revisionsausführungen vermögen daher nicht nur keine Aktenwidrigkeit, sondern auch keinen Verfahrensmangel oder Feststellungsmangel aufzuzeigen.

Die Ausführungen zu Punkt 1 lit c (2) der Revision vermögen zwar ebenfalls keine Aktenwidrigkeit aufzuzeigen, sondern stellen der Sache nach nur die Bemängelung der vom Revisionsgericht nicht nachprüfbaren Beweiswürdigung dar. Sie weisen aber auf einen Feststellungsmangel hin, der im Zusammenhang mit der Erörterung der rechtlichen Beurteilung darzulegen sein wird.

Die Rechtsrüge ist im Ergebnis berechtigt:

Nach dem zugrundezulegenden Sachverhalt hat der Altgläubiger dem Beklagten (im Rahmen einer nicht näher dargestellten außergerichtlichen beruflichen und wirtschaftlichen Beziehung) Beträge von insgesamt 495.000 S darlehensweise zugezählt und auf diese Gesamtsumme Bürgenrückgriffsforderungen des Beklagten im Betrage von 135.000 S angerechnet. Er hat am 22.Juli 1979 "die ihm zustehenden Beträge.... aus dem Titel der Darlehensgewährung" an die Klägerin abgetreten und den ihm gegen den Beklagten zustehenden Betrag ohne nähere Aufgliederung mit 680.000 S beziffert. Nach den getroffenen Feststellungen besteht kein Zweifel, daß der Altgläubiger sämtliche ihm gegen den Beklagten aus dem Titel des Darlehens zustehenden Forderungen an die Klägerin abgetreten hat, so daß ungeachtet der fehlenden Einzelheiten keine Unbestimmtheit der Abtretungserklärung anzunehmen ist.

Die Klägerin hat zwar in der Klage die Rechtsbehauptung aufgestellt, daß die dem Beklagten darlehensweise zugezählten Beträge "längst zur Rückzahlung fällig" seien. Der Beklagte hat jede Darlehensverpflichtung bestritten.

Im bisherigen Verfahren unterblieb jede Erörterung und auch jede (mangels Außerstreitstellung erforderliche) Feststellung über die zwischen dem Altgläubiger und dem Beklagten getroffenen Absprachen über die Voraussetzungen, den Zeitpunkt und die Art der Rückzahlung der einzelnen darlehensweise zugezählten Beträge.

Die vom Berufungsgericht offenbar unterstellte Fälligkeit mit dem Tag der Klagszustellung könnte nicht auf § 904 ABGB gestützt werden, weil die Fälligkeit eines darlehensweise zugezählten Betrages zur sofortigen Rückzahlung dem jedem Darlehen geschäftstypisch innewohnenden Zweck zuwiderlaufen würde. Es liegen daher Feststellungsmängel vor, die eine Ergänzung der Verhandlung durch Erörterung der jeweiligen Rückzahlungsvereinbarungen, allenfalls der sich aus dem Zweck der Darlehen ergebenden Rückzahlungsvoraussetzungen mit den Parteien und nach deren Stellungnahme und Beweisanboten gegebenenfalls auch durch entsprechende Beweisaufnahmen erforderlich machen.

Aus diesem Grunde war in Stattgebung der Berufung das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E07913

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00552.84.0403.000

Dokumentnummer

JJT_19860403_OGH0002_0060OB00552_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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