TE OGH 1986/4/3 7Ob536/86

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Veröffentlicht am 03.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H***, Pensionist in Wien 19., Grinzingerstraße 54/36/2, vertreten durch Dr. Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Berta H***, Pensionistin in Wien 19., Schegargasse 13-15/4/5, vertreten durch Dr. Adolf Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. November 1985, GZ 16 R 272/85-77, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 9. März 1985, GZ 10 Cg 7/81-71, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nach rechtskräftigem Ausspruch der Ehescheidung aus dem Grunde des § 55 Abs 1 EheG ist im zweiten Rechtsgang nur noch die Schuldfrage strittig.

Der Erstrichter sprach mit Endurteil aus, daß das Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe den Kläger trifft. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Nach den von der zweiten Instanz übernommenen Tatsachenfeststellungen des Erstrichters war die Beklagte im Jahre 1978 noch berufstätig, der Kläger schon Pensionist. Während er sich tagsüber vorwiegend in der Wohnung aufhielt, dort aber nur das allernötigste machte, ging er abends häufig ohne die Beklagte aus und kam von Gasthausbesuchen oft alkoholisiert, gelegentlich erst am nächsten Morgen, nach Hause. Sowohl dieses Verhalten als auch seine Neigung zum Alkohol führten immer wieder zu Streitigkeiten. Der Kläger nahm überdies zu einer anderen Frau, die er im Pensionistenclub kennengelernt hatte, von der Beklagten nicht gebilligte Beziehungen auf. Auch dieser Umstand sowie die Tatsache, daß der Kläger in ein Vaterschaftsverfahren verwickelt war, führten zu Streitigkeiten. Am 6. Juni 1978 veranlaßte der Kläger die Einbringung einer Scheidungsklage, die am 3. Juli 1978 bei Gericht einlangte. Dazwischen kam es am 11. Juni 1978 zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen, die zum Einsatz der Funkstreife führte. Beide Ehegatten wiesen leichte Verletzungen auf. Im Spätsommer 1978 zog der Kläger zu seinen Eltern, ohne das vorher anzukündigen. Der nachträglich angegebene Grund, die Eltern betreuen zu müssen, entsprach nicht den Tatsachen. Die Beklagte billigte das Verlassen der ehelichen Wohnung nicht. Sie fragte den Kläger wiederholt, ob er zurückkomme, was der Kläger jedoch verneinte. Wenn die Beklagte versuchte, telefonisch mit ihm Kontakt herzustellen, legte er den Hörer auf. Als der Kläger am 2. Oktober 1978 (im Ersturteil unrichtig: 2. Juli 1978) Sachen aus der Ehewohnung wegschaffen wollte, kam es zu einer weiteren tätlichen Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten (deretwegen nur gegen den Kläger Strafantrag gestellt wurde). Im Strafverfahren wurden beide freigesprochen.

Nach der Rechtsansicht beider Vorinstanzen habe der Kläger durch seine häufigen nächtlichen Gasthausbesuche und seine Neigung zum Alkohol sowie die wenngleich nicht als ehebrecherisch oder erotisch nachgewiesene Beziehung zu einer anderen Frau schwere Eheverfehlungen begangen. Die Beteiligung der Beklagten an den Streitigkeiten und zweimaligen Tätlichkeiten sei im Zusammenhang mit diesen Verfehlungen zu sehen und falle für die Zerrüttung der Ehe nicht ins Gewicht, zumal die beiden letztgenannten Vorfälle bereits nach der Veranlassung der Einbringung der Scheidungsklage durch den Kläger stattfanden und dieser die eheliche Gemeinschaft grundlos aufgegeben und trotz der Versuche der Beklagten nicht wieder aufgenommen habe. Eine Abtreibung durch die Beklagte im Jahre 1962 liege weit weit zurück und sei für die Zerrüttung der Ehe ebenfalls ohne Bedeutung, zumal der Kläger das erwartete Kind nur deshalb in die Welt sezten wollte, um es als Beweismittel für eine vermutete Untreue seiner Frau zu benützen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung ist nicht berechtigt.

Bei der Beurteilung, ob der die Scheidung der Ehe nach § 55 EheG begehrende Kläger die Zerrüttung der Ehe allein oder überwiegend verschuldet habe, ist das Gesamtverhalten beider Ehegatten während der ganzen Dauer der Ehe einschließlich verziehener oder verjährter Eheverfehlungen (Schwind, Eherecht 2 235, 284; Schwind-Ehrenzweig, Familienrecht 3 68 f) zu berücksichtigen (EFSlg. 41.288, 41.291 ua). Nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanzen ist die Zerrüttung der Ehe der Streitteile auf schwere Eheverfehlungen des Revisionswerbers zurückzuführen, nämlich die völlige Vernachlässigung der Beklagten in deren Freizeit, die Neigung zum Alkoholkonsum mit häufigen Gasthausbesuchen und auch die von der Beklagten mißbilligte Beziehung zu einer anderen Frau. Die Streitigkeiten zwischen den Ehegatten hatten nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen in diesen Verfehlungen des Mannes ihre leicht erklärbare Ursache. Dazu kommt, daß es der Kläger war, der die eheliche Gemeinschaft auflöst und sich dem Wunsch der Beklagten nach einer Wiederaufnahme der Gemeinschaft widersetzt hat. Der Hinweis des Revisionswerbers, daß er habe ausziehen müssen, um seine Eltern zu pflegen und weil er von der Beklagten schwer mißhandelt worden sei, weicht in unzulässiger Weise von den Tatsachenfeststellungen des Erstrichters ab, zumal auch die Gründe und das Ausmaß der Beteiligung an der einen gegenseitigen Tätlichkeit nicht festgestellt wurden. Nach der zutreffenden Beurteilung des Berufungsgerichtes fällt dabei noch ins Gewicht, daß diese Tätlichkeit bereits nach der Veranlassung der Einbringung der Scheidungsklage erfolgte und demnach für die Zerrüttung der Ehe nicht mehr ausschlaggebend sein konnte. Dasselbe trifft umso mehr für die Abtreibung im Jahr 1962 zu, die der Revisionswerber überdies in erster Instanz nicht einmal zum Gegenstand einer Replik auf das Begehren der Beklagten nach einem Schuldausspruch gemacht hat. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E08239

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00536.86.0403.000

Dokumentnummer

JJT_19860403_OGH0002_0070OB00536_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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