TE OGH 1986/4/8 2Ob14/86

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Veröffentlicht am 08.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann A***, Pensionist, 2650 Payerbach, Neunkirchnersiedlung 11, vertreten durch Dr. Johannes Schuster, Rechtsanwalt in Gloggnitz, wider die beklagten Parteien 1. Ewald P***, Elektriker, 2671 Küb, Pettenbach 40, 2. WIENER S*** W***

V***, 1010 Wien, Schottenring 30, beide vertreten

durch Dr. Gertrud Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 375.515,58 s. A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 12.Dezember 1985, GZ 17 R 266/85-43, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wr.Neustadt vom 17.Juli 1985, GZ 3 Cg 1488/83-38, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben dem Kläger zur ungeteilten Hand die mit S 9.344,89 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 859,54 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 19.November 1981 bei einem Zusammenstoß des von ihm gelenkten PKWs mit einem vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen, bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW schwer verletzt. Er stellt ein Leistungsbegehren über S 572.741,15 s.A. sowie ein Renten- und Feststellungsbegehren. Das Erstgericht fällte hinsichtlich des Feststellungsbegehrens ein Teilanerkenntnisurteil und sprach dem Kläger auf der Grundlage einer Verschuldensteilung von 3:1 zu seinen Gunsten den Betrag von S 433.283,25 s.A. sowie eine monatliche Rente von S 3.450,-- zu; das darüberhinausgehende Leistungs- und Rentenbegehren wies es ab. Das erstgerichtliche Urteil wurde vom Berufungsgericht als Teilurteil teilweise bestätigt und teilweise abgeändert, im übrigen aber aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Im Revisionsverfahren werden von der beklagten Partei nur noch der Zuspruch an Schmerzengeld (rechnungsmäßig S 700.000,--), an Verunstaltungsentschädigung (rechnungsmäßig S 100.000,--) sowie an Kosten einer Haushaltshilfe (monatlich S 3.000,--) aus dem Revisionsgrunde des § 503 Abs1 Z 4 ZPO bekämpft. Die beklagten Parteien halten ein Schmerzengeld von (rechnungsmäßig) S 400.000,--, eine Verunstaltungsentschädigung von (rechnungsmäßig) S 70.000,-- sowie an Kosten einer Haushaltshilfe monatlich S 2.000,-- für angemessen und beantragen demgemäß die Abänderung des berufungsgerichtlichen Teilurteiles.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Nach den unbekämpften erstgerichtlichen Feststellungen hat der unverheiratete Kläger beim Unfall - er war damals 24 Jahre alt - vor allem eine perforierende Verletzung beider Augen erlitten, wodurch sein Sehvermögen derart herabgesetzt ist, daß er im praktischen Leben als blind betrachtet werden muß. Mit dem linken Auge kann er lediglich Handbewegungen erkennen und Finger zählen, der Sehrest am rechten Auge beträgt 10 %. Vom augenärztlichen Standpunkt ist er nicht in der Lage, Verrichtungen im Haushalt, wie Zubereitung von Speisen und Aufräumearbeiten, vorzunehmen, sodaß er insoweit hilflos erscheint. In der Zeit vom Februar 1982 bis Juli 1985 hat er für eine Haushaltshilfe monatlich S 3.000,-- aufgewendet. An physischen Schmerzen hatte der Kläger 15 Tage starke, 30 Tage mittelstarke und 90 Tage leichte Schmerzen zu ertragen.

Das Erstgericht hielt ein Schmerzengeld von S 700.000,--, die Verunstaltungsentschädigung wegen Verminderung der Heiratsaussichten des Klägers in der begehrten Höhe von S 100.000,-- und die monatlichen Kosten einer Haushaltshilfe von S 3.000,-- (täglich 2 Stunden a S 50,--) für angemessen. Unter Berücksichtung des Mitverschuldens von einem Viertel, beim Schmerzengeld eines weiteren Viertels wegen Verletzung der Gurtenanlegepflicht, und unter Bedachtnahme auf die von den beklagten Parteien geleisteten Teilzahlungen sprach es dem Kläger ein restliches Schmerzengeld von S 253.750,--, eine restliche Verunstaltungsentschädigung von S 22.500,-- und an Kosten einer Haushaltshilfe für 3 Jahre den Betrag von S 81.000,-- zu.

Das Berufungsgericht trat hinsichtlich der vorgenannten Ansprüche der erstgerichtlichen Beurteilung bei. Der Ansicht der Berufungswerber, im Hinblick auf eine entsprechende Relation zu Schmerzengeldzusprüchen bei Querschnittgelähmten erscheine lediglich ein Schmerzengeld von S 400.000,-- gerechtfertigt, sei zu entgegnen, daß einerseits die Unterschiede zwischen dauernder Blindheit und dauernder Angewiesenheit auf den Rollstuhl keineswegs so gravierend seien wie die beklagten Parteien meinten, andererseits die für Querschnittlähmungen zugesprochenen Beträge bereits die Höhe von 1 Million erreichten. Auch der Einwand, der Kläger sei durch seine Erblindung nicht hilflos und könne bestimmte Handlungen im Bereich seines Privatlebens ausführen, vermöge nichts an dieser Einschätzung zu ändern, da die gravierenden Einschränkungen in der Lebensgestaltung und der Lebensfreude des Klägers hiedurch nicht gemindert würden. Auch die Verunstaltungsentschädigung sei in der begehrten und zugesprochenen Höhe von S 100.000,-- gerechtfertigt, da die Heiratschancen des Klägers sehr weitgehend eingeschränkt erschienen. Hinsichtlich der Kosten einer Haushaltshilfe komme es nach der Rechtsprechung nicht auf eine Hilflosigkeit im Sinne der speziellen Voraussetzungen des § 105 a ASVG an. Entgegen der Ansicht der beklagten Parteien sei die Abweisung des diesbezüglichen Antrages des Klägers durch den Sozialversicherungsträger somit nicht entscheidend und der erstgerichtliche Zuspruch der festgestellten Auslagen für täglich zwei Arbeitsstunden einer Haushaltshilfe a S 50,-- zu billigen.

In der Revision wird hinsichtlich des Schmerzengeldes die in der Berufung vorgetragene Argumentation wiederholt und darauf hingewiesen, daß beim Kläger, der noch ein junger Mann sei, keine völlige, sondern nur eine praktische Erblindung vorliege, weshalb zur Abgeltung seines unfallsbedingten Ungemachs und der entzogenen Lebensfreuden ein Betrag von S 400.000,-- hinreichend erscheine. Diesem Standpunkt kann nicht beigetreten werden. Das Argument, der Kläger sei noch ein junger Mann - er war zum Unfallszeitpunkt erst 24 Jahre alt - spricht nicht für, sondern gegen die Revisionswerber, denn gerade dadurch wird den Kläger umsomehr und für einen umso größeren Teil seines Lebens das Leid der Erblindung treffen. Im übrigen hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung 2 Ob 59/84, welcher ebenfalls die praktische Erblindung eines jungen Menschen zugrundelag, bereits ausgeführt, es könne nicht allgemein gesagt werden, daß ein Vergleich mit dem Los eines Querschnittgelähmten einen Erblindeten jedenfalls begünstigt erscheinen lasse, denn diesem sei ebenso, wenngleich in anderen Bereichen, die Führung eines normalen Lebens versagt und er bleibe letztlich in der Existenzerhaltung ebenfalls von der Hilfe Dritter abhängig. Das aus dem mit der praktischen Erblindung für einen jungen Menschen verbundenen Verlust eines erheblichen Teiles der Daseinsfreuden und körperlichen und geistigen Entfaltungsmöglichkeiten folgende seelische Leid stelle zweifellos ebenfalls ein Ungemach von ganz außerordentlicher Schwere dar. Im damals zugrundeliegenden Falle, in welchem die Erblindung unter den Verletzungsfolgen weit im Vordergrund stand, wurde ein Schmerzengeld von S 800.000,-- zuerkannt. Die vorliegendenfalls mit S 700.000,-- erfolgte unterinstanzliche Schmerzengeldbemessung steht damit durchaus in Einklang, weil auch der Kläger noch weitere, wenngleich geringfügigere, Verletzungen erlitten hat und eine Anpassung der Schmerzengeldbeträge an den jeweiligen Geldwert erforderlich erscheint.

Die Zuerkennung des vom Kläger für seine verminderten Heiratschancen begehrten Betrages von S 100.000,-- durch die Unterinstanzen ist ebenfalls zu billigen. Daß selbst ein bloß teilweiser Verlust der Sehfähigkeit eine Verunstaltung darstellt, durch die das Fortkommen eine Behinderung erfahren kann, wurde bereits ausgesprochen (EFSlg. 33.780; 8 Ob 82/81). Es steht auch außer Zweifel, daß ein praktisch blinder junger Mann für eine Frau ganz wesentlich weniger attraktiv ist als ein körperlich unversehrter Lebenspartner und daß der Kläger in den Möglichkeiten, eine passende, auch auf seinen schwer beeinträchtigten Körperzustand die erforderliche Rücksicht nehmende Ehefrau zu finden, erheblich beschränkt erscheint. Entgegen der Ansicht der Revisionswerber liegt in der Verminderung der Heiratschancen grundsätzlich eine Verhinderung des besseren Fortkommens im Sinne des § 1326 ABGB. Des Nachweises einer bestimmten, durch die Verunstaltung entgangenen Heiratschance bedarf es nicht, vielmehr genügt die bloße Möglichkeit einer Verminderung der Heiratschancen überhaupt (siehe die bei Dittrich-Tades ABGB 32 bei § 1326 unter E 59 abgedruckten E). Die Bemessung der Verunstaltungsentschädigung mit S 100.000,-- ist unter den gegebenen Umständen somit gerechtfertigt. Der Zuspruch von monatlichen Kosten von S 3.000,-- für eine Haushaltshilfe wird von den Revisionswerbern ausdrücklich nur dahin bekämpft, der Kläger sei grundsätzlich zu allen häuslichen Verrichtungen selbst in der Lage, sodaß er lediglich für 10 Wochenstunden einer Haushaltshilfe bedürfe, was einem monatlichen Betrag von S 2.000,-- entspreche.

Mit diesen Ausführungen entfernt sich die Revision von den unterinstanzlichen Feststellungen und erscheint demgemäß nicht gesetzmäßig ausgeführt. Festgestellt ist, daß der Kläger vom augenärztlichen Standpunkt aus nicht in der Lage erscheint, Verrichtungen im Haushalt, wie Zubereitung von Speisen und Aufräumearbeiten, vorzunehmen. Er bedarf demnach aber zweifellos für diese Tätigkeit täglich durch 2 Stunden einer Hilfe. Da die Revisionswerber für eine solche selbst von einem angemessenen Stundenlohn von S 50,-- ausgehen, erscheint auch der unterinstanzliche Zuspruch von S 3.000,-- für monatliche Kosten der Haushaltshilfe zutreffend.

Der insgesamt ungerechtfertigten Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E07993

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00014.86.0408.000

Dokumentnummer

JJT_19860408_OGH0002_0020OB00014_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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