TE OGH 1986/4/8 5Ob34/86

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Veröffentlicht am 08.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Elisabeth H***, Wien 9., Löblichgasse 6/4, vertreten durch Edeltraud D***, Funktionärin der Mietervereinigung Österreichs, Wien 9., Währingerstraße 41, wider die Antragsgegner 1. Dr. Leopold K***, 2. Dr. Theresia K***, beide Hauseigentümer, wohnhaft in Wien 9., Wilhelm Exner-Gasse 15, beide vertreten durch Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 26. November 1985, GZ 41 R 1135/85-12, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9. September 1985, GZ 41 Msch 6/85-9, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist auf Grund des Mietvertrages vom 19.7.1968 Mieterin der 91 m 2 großen Kategorie C-Wohnung top. Nr. 4 in dem den Antragsgegnern gehörenden Haus Wien 9., Löblichgasse 6. Der Hauptmietzins beträgt S 98,34 monatlich. § 3 Z 3 des Mietvertrages lautet:

"Wird der Hauptmietzins durch gesetzliche Vorschriften erhöht oder findet im Haus eine Erhöhung zwecks Bestreitung der Kosten ordnungsgemäßer oder unbedingt notwendiger Erhaltungsauslagen statt, die den vereinbarten Mietzins übersteigt, so verpflichtet sich der Mieter, die diesen Erhöhungen entsprechenden Mehrbeträge zu entrichten."

Gestützt auf die vorerwähnte Bestimmung des Mietvertrages schrieben die Antragsgegner der Antragstellerin ab dem 1.9.1984 einen monatlichen Hauptmietzins von S 1.565,20 vor. Nachdem die Entscheidung der Schlichtungsstelle infolge Anrufung des Erstgerichtes durch die Antragsgegner außer Kraft getreten war, stellte das Erstgericht mit Sachbeschluß fest, daß das gesetzlich zulässige Zinsausmaß der Antragstellerin gegenüber zum 1.9.1984 und zum 1.10.1984 durch die Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von je S 1.565,20 um monatlich je S 1.466,86 überschritten worden sei. Es trug den Antragsgegnern gemäß § 37 Abs 4 MRG auf, der Antragstellerin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution einen Betrag von S 2.933,72 zuzüglich 10 % Umsatzsteuer und 4 % Zinsen seit 11.10.1984 zurückzuerstatten.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Auf Grund es § 3 Z 3 des Mietvertrages könne eine Erhöhung des Hauptmietzinses nicht stattfinden. Die Mietzinsbildung richte sich weiterhin nach altem Recht, allerdings mit 1.1.1982 versteinert. Dieser Grundsatz ergebe sich eindeutig aus dem Fehlen jeglichen "gesetzlichen" Hauptmietzinses im Mietrechtsgesetz sowie aus § 43 Abs 2 MRG, welcher die Prüfung der Gültigkeit bestehender Vereinbarungen nach altem Recht anordne. Nach § 45 Abs 1 MRG sei der Erhaltungsbeitrag als Differenz auf zwei Drittel des Kategoriemietzinses (§ 16 Abs 2 MRG) von dem im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 1.1.1982 entrichteten Mietzins aus zu berechnen. Dies bedeute grundsätzlich ein Erstarren des zuletzt entrichteten Hauptmietzinses samt den diesem gleichzustellenden Mietzinsbestandteilen. Da es keinen "gesetzlichen" Hauptmietzins gebe, könne somit im gegenständlichen Fall der Mietzins nicht erhöht werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner nicht Folge und erklärte den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es führte aus:

Die Antragsgegner meinten, die von ihnen zur Begründung ihrer Mietzinsanhebung herangezogene Vertragsklausel beziehe alle Fälle ein, in denen durch gesetzliche Änderungen auch indirekt eine Erhöhung des Hauptmietzinses eintrete. Dies sei durch das Mietrechtsgesetz geschehen, in welchem nach der Intention des Gesetzgebers das gesetzliche Kriterium der Friedenskrone durch jenes der Angemessenheit ersetzt worden sei. Dieser Auffassung sei jedoch nicht beizupflichten. Zutreffend habe das Erstgericht - gestützt auf Würth-Zingher, MRG 2 Anm. 1 zu § 43 - erkannt, daß das Mietrechtsgesetz nicht einen (neuen, höheren) gesetzlichen Hauptmietzins im Sinne des vor seinem Inkrafttreten geltenden Mietengesetzes geschaffen und für die sogenannten

"Altverträge" - von wenigen Ausnahmen (Ermäßigung nach § 44 MRG, Erhaltungsbeitrag nach § 45 MRG, Zinsanhebung bei Eintritt bestimmter naher Angehöriger nach § 46 MRG) abgesehen - eine mit 1.1.1982 eintretende Versteinerung der Mietzinsbildung nach altem Recht normiert habe. Eine Änderung des Zinsniveaus in dem von den Antragsgegnern vermeinten generellen Sinn habe das Mietrechtsgesetz für Altverträge nicht geschaffen; dies werde schon aus den Übergangsregelungen der §§ 45, 46 MRG deutlich, die im Falle des Zutreffens der von den Antragsgegnern vermeinten Intentionen des Gesetzgebers ihres Sinngehaltes als Ausnahme- und Sonderbestimmungen beraubt wären. Sei dem Mietrechtsgesetz aber eine Änderung des "gesetzlichen" Zinses in dem von den Antragsgegnern verstandenen Sinn nicht zu entnehmen, dann sei auch die in der Vertragsklausel für eine Verpflichtung der Mieter zur Zahlung eines höheren als des vereinbarten Hauptmietzinses gesetzte Bedingung nicht eingetreten. Der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof sei für zulässig zu erklären gewesen, weil die Frage, ob dem Mietrechtsgesetz in den Bestimmungen des § 16 MRG in Verbindung mit § 43 MRG eine Erhöhung des gesetzlichen Zinses entnommen werden könne, von grundsätzlicher Bedeutung sei und in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung - soweit überblickbar - noch keine einhellige Beantwortung erfahren habe. Gegen den rekursgerichtlichen Sachbeschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Feststellungsantrag der Antragstellerin abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Die Antragsgegner ziehen in dritter Instanz nicht mehr in Zweifel, daß sie auf Grund des Mietrechtsgesetzes allein nicht berechtigt wären, der Antragstellerin anstelle des bisher auf der Friedenskronenbasis (§ 2 Abs 1 lit a MG) vorgeschriebenen Hauptmietzinses einen solchen nach der Wohnungskategorie (§ 16 Abs 2 MRG) vorzuschreiben (vgl. dazu Würth-Zingher, MRG 2 , 193 f. Anm. 1 zu § 43; Würth in Rummel, ABGB,

Rdz 3 und 4 zu § 43 MRG). Sie beharren aber auf ihrem Standpunkt, auf Grund der in § 3 Z 3 des Mietvertrages enthaltenen Anpassungsklausel hiezu berechtigt zu sein. Die zu enge Auslegung dieser Klausel durch die Vorinstanzen verstoße gegen den Auslegungsgrundsatz, daß (auch) Verträge so auszulegen seien, daß (tunlichst) nicht (wesentliche) Teile von ihnen ihren Sinn verlieren. Wäre die von den Vorinstanzen gefundene Auslegung richtig, dann bestünde nämlich die Pflicht des Mieters zur Zahlung des höheren Hauptmietzinses ohnehin schon auf Grund der neuen Rechtslage. Die in Rede stehende Klausel sei daher auf alle Fälle zu beziehen, in denen durch eine Änderung der Rechtslage eine Änderung des Zinsniveaus bewirkt werde. Dies sei durch das Mietrechtsgesetz geschehen, in welchem nach der Intention des Gesetzgebers das gesetzliche Kriterium der Friedenskrone durch jenes der Angemessenheit (Kategorie) ersetzt worden sei. Die durch das Bundesgesetz vom 12.12.1985, BGBl. 559, geschaffene Bestimmung des § 16 a MRG wirke auf die verfahrensgegenständlichen Zinsvorschreibungen nicht zurück.

Zu diesen Ausführungn ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Am 1.1.1986 trat das Bundesgesetz vom 12.12.1985, BGBl. 559, mit dem unter anderem das Mietrechtsgesetz geändert worden ist, in Kraft. Gemäß Abs 1 des durch dieses Gesetz in das Mietrechtsgesetz eingefügten § 16 a sind Vereinbarungen in einem vor dem 1.1.1982 geschlossenen Vertrag, die eine Erhöhung des Hauptmietzinses für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses vorsehen, rechtsunwirksam, wobei unter diesen Vereinbarungen auch solche zu verstehen sind, in denen sich der Mieter für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses zum Abschluß einer neuen Mietzinsvereinbarung verpflichtet hat. Um eine solche Vereinbarung handelt es sich auch bei dem § 3 Z 3 des gegenständlichen Mietvertrages. Nach Art. IV Z 7 des Bundesgesetzes vom 12.12.1985, BGBl. 559, ist § 16 a MRG auch auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetz noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen streitigen und außerstreitigen Verfahren anzuwenden. Damit wird, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals entschieden hat (6 Ob 660/85, 5 Ob 112/85, 8 Ob 633/85 ua.), in eindeutiger Weise eine Rückwirkung des § 16 a MRG auf die den genannten Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalte angeordnet (ebenso Rieder in der 120. Sitzung des NR.,

Sten. Prot. der 16. GP 10.626 rSp unten; ImmZ 1986, 28 Punkt 1 lit d; Würth-Zingher, MRG 86, 39 Anm. 3 zu § 16 a MRG, Tschugguel in ÖJZ 1986, 100 ff.; noch weitergehend Zingher in ÖJZ 1986, 97 ff.; vgl. ferner Hanel in JBl 1986, 162 ff.). Die von den Antragsgegnern zitierten, Dauerrechtsverhältnisse betreffenden Entscheidungen (MGA 2 32 , Entscheidungen Nr. 13 und 14 zu § 5 ABGB) stehen dieser Auffassung nicht entgegen, weil sie nur in Ermangelung einer anderen Anordnung des Gesetzgebers gelten, die hier eben vorliegt. Auch die spezielle Regelung der Kostenfolgen in Art. IV Z 7 Satz 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 12.12.1985, BGBl. 559, vermag an der dargelegten Rückwirkungsanordnung nichts zu ändern (vgl. dazu den Bericht des Justizausschusses, 800 BlgNR 16. GP 3, welcher darauf hinweist, daß die Klage auch noch im Verfahren zweiter und dritter Instanz unter Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen werden

kann - § 483 Abs 3 zweiter Satz und § 513 ZPO -, daß dies analog auch im Rekursverfahren gilt - Fasching, Lehrbuch, Rdz 1250 - und daß auch im Außerstreitverfahren die Zurücknahme des verfahrenseinleitenden Antrages in jeder Lage des Verfahrens zulässig ist - 2 Ob 598/82). Die von Iro in RdW 1986, 37 f. geäußerte Rechtsansicht, Zinsanpassungsklauseln bzw. daran anknüpfende Mietzinsvereinbarungen seien nach § 16 a MRG generell, also auch in am 1.1.1986 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren, nur hinsichtlich der nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 12.12.1985, BGBl. 559, liegenden Zinsperioden unwirksam, träfe nach Meinung des Obersten Gerichtshofes nur dann zu, wenn sich der Gesetzgeber auf die allgemeine Anordnung des Inkrafttretens des genannten Gesetzes mit 1.1.1986 (Art. IV Z 1) beschränkt und die spezielle Anordnung für die am 1.1.1986 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (Art. IV Z 7) unterlassen hätte. Gegen diese spezielle Anordnung bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes keine Bedenken; es ist nicht unsachlich, im Bereich noch nicht rechtskräftig abgeschlossener Verfahren die Rückwirkung zwingender gesetzlicher Vorschriften zu normieren, eine Rückwirkung solcher Vorschriften auf rechtskräftig entschiedene Fälle aber nicht vorzusehen (vgl. Hanel in JBl 1986, 164).

Die angefochtene Entscheidung ist daher schon im Hinblick auf die soeben dargelegte neue Rechtslage zu bestätigen, ohne daß es noch erforderlich wäre, zu untersuchen, ob diese Entscheidung auch der alten Rechtslage entsprochen hätte.

Es war daher dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E07899

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00034.86.0408.000

Dokumentnummer

JJT_19860408_OGH0002_0050OB00034_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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