TE OGH 1986/4/8 4Ob47/85

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Veröffentlicht am 08.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Anton Haschka und Franz Erwin Niemitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann T***, Angestellter, Spielfeld, Gersdorf Nr.18, vertreten durch Dr. Harold Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei

B T I Befestigungstechnik Gesellschaft mbH in Braunau am Inn, Laaber Holzweg 42, vertreten durch Dr. Florian Lackner, Rechtsanwalt in Braunau am Inn, wegen restl. S 64.576,45 brutto sA (Revisionsstreitwert S 64.128,10) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 13.Dezember 1984, GZ 2 Cg 56/84-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Leibnitz vom 12.Juni 1984, GZ Cr 32/83-22, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.553,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 600,-- Barauslagen und S 268,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der beklagten Partei seit 19.Februar 1979 als Handelsreisender im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Am 10. Mai 1983 wurde er fristlos entlassen.

Mit der Behauptung, daß diese Entlassung ohne rechtfertigenden Grund ausgesprochen worden sei, beantragte der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von S 72.000,-- burtto sA an restlichem Entgelt, Kündigungsentschädigung (einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen), Urlaubsentschädigung und Abfertigung.

Die beklagte Partei hat dieses Begehren nur dem Grunde nach bestritten. Sie habe das Arbeitsverhältnis vorzeitig aufgelöst, weil der Kläger in den Tagesberichten, zu deren Übersendung an die beklagte Partei er verpflichtet gewesen sei, laufend falsche Angaben über seine Arbeitszeit und über die von ihm besuchten Kunden gemacht habe; überdies habe er in den letzten Wochen keine Wochenberichte mehr übermittelt, den Musterkoffer trotz Aufforderung nicht zurückgestellt und das vertraglich festgesetzte Umsatzsoll nicht erreicht.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens habe der Geschäftsführer der beklagten Partei die Entlassung des Klägers verspätet ausgesprochen. Auf die Entlassungsgründe sei daher nicht einzugehen. Dieses Urteil wurde von der beklagten Partei fristgerecht mit Berufung angefochten. In der mündlichen Berufungsverhandlung hat der Kläger sein Zahlungsbegehren auf S 64.576,45 brutto sA eingeschränkt; die beklagte Partei stellte dieses Begehren der Höhe nach außer Streit.

Das Berufungsgericht bestätigte - insoweit rechtskräftig - den Zuspruch von S 448,35 brutto sA an den Kläger und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 64.128,10 brutto sA ab. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs1 Z 3 ArbGG von neuem durch und nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Als Handelsreisender der beklagten Partei hatte der Kläger Kunden in einem Teil der Steiermark und im südlichen Burgenland zu besuchen. Er war verpflichtet, seiner Arbeitgeberin Tages- und Wochenberichte über seine Tätigkeit einzusenden; er verfaßte jedoch trotz schriftlicher Abmahnung nur Tages- und keine Wochenberichte. Der Kläger machte wohl Wochenplanungen, legte aber - ebenso wie die meisten anderen Vertreter - trotz Abmahnung auch sie der beklagten Partei nicht immer vor. Das vorgeschriebene Umsatzsoll wurde nur von drei oder vier Vertretern erreicht, nicht aber vom Kläger, obgleich dieser in der Steiermark den besten Umsatz der vier dort tätigen Vertreter hatte.

Im März 1982 forderte die beklagte Partei ihre Handelsreisenden zur Rücksendung der Musterkoffer auf, um diese neu bestücken zu können. Als der Kläger trotz mehrerer Urgenzen dieser Aufforderung nicht nachkam, holte der Geschäftsführer der beklagten Partei, Heinz P***, den Koffer am 9.April 1982 um 12,45 h im Wohnhaus des Klägers ab. Dabei sagte der Kläger zu P***, daß jetzt keine Kunden mehr anzutreffen seien und er deshalb für diesen Tag Schluß mache. Da der Kläger jedoch in seinem Tagesbericht für den 9. April 1982, welchen die beklagte Partei am 14.April 1982 erhielt, als Reiseende 19 Uhr eingetragen hatte, erteilte Heinz P*** seiner Sekretärin Marianne B*** den Auftrag, die vom Kläger eingesandten Tagesberichte durch Kontrollanrufe zu prüfen. Marianne B*** tat dies bei dem am 4.Mai 1982 eingelangten Tagesbericht für den 30.April 1982 in der Weise, daß sie noch am selben Tag jene Kunden anrief, die in dem Bericht als besucht angeführt waren. Dabei erklärte ein Kunde, daß der Kläger schon längere Zeit nicht mehr bei ihm vorgesprochen habe, ein zweiter, daß der Kläger erst am 3. Mai 1982 erschienen sei, und ein dritter, daß der vom Kläger vermerkte Auftrag über S 2.133,-- erst am 3.Mai 1982 erteilt worden sei. Heinz P***, welcher bei diesen Anrufen zugegen war, fuhr anschließend um 17 h nach Wien und kam erst am 7.Mai 1982 um ca. 21 Uhr ins Büro zurück. Vor seiner Abreise gab er seiner Sekretärin den Auftrag, im Fall der Erhärtung des Verdachtes die Kunden zu ersuchen, dem Kläger aufzutragen, bei der beklagten Partei anzurufen. Auf Grund des Tagesberichtes für den 3.Mai 1982, welcher am 5. Mai 1982 bei der beklagten Partei einlangte, führte Marianne B*** abermals Kontrollanrufe durch. Sie erhielt dabei von fünf Kunden, welche der Kläger als am 3.Mai 1982 besucht angeführt hatte, die Auskunft, daß der Kläger bei ihnen nicht vorgesprochen habe. Daraufhin ersuchte sie einen dieser Kunden, dem Kläger für den Fall seines Erscheinens mitzuteilen, er solle die beklagte Partei anrufen. Als der Kläger am 7.Mai 1982 tatsächlich bei diesem Kunden erschien, rief er von dort die beklagte Partei an. Marianne B*** trug ihm auf, sich am folgenden Montag (10.Mai 1982) bei Heinz P*** zu melden. Dieser erfuhr von dem Ergebnis der den 3.Mai 1982 betreffenden Kontrollanrufe am 10.Mai 1982 um 7 Uhr. Als der Kläger sodann bei der beklagten Partei anrief, wurde er von Marianne B*** mit Heinz P*** verbunden; dieser sprach die Entlassung des Klägers aus. Als Marianne B*** im Anschluß daran den Kläger aufforderte, den Firmen-PKW und sämtliche Unterlagen der beklagten Partei zurückzustellen, erklärte der Kläger, daß er sich im Krankenstand befinde. Für diesen Krankenstand am 10.Mai 1982 legte er in der Folge eine ärztliche Bestätigung vor. Am nächsten Tag fuhr Heinz P*** mit einem Sachbearbeiter der beklagten Partei zum Kläger, um das Dienstfahrzeug, die Unterlagen und das Handlager - welches sich in einem desolaten Zustand befand - abzuholen. Nachdem die Mutter des Klägers bei der ersten Vorsprache erklärt hatte, ihr Sohn sei nicht zugegen, wurde der Kläger von Heinz P*** bei einer weiteren Vorsprache an diesem Tag im Krankenbett angetroffen.

In den Tagesberichten hatte der Kläger ua die besuchten Kunden, das Ergebnis seiner Vorsprachen, die ihm erteilten Aufträge, den Beginn und das Ende der Reise sowie die mit dem PKW gefahrenen Kilometer zu vermerken. Er erhielt für jeden Reisetag Diäten in der Höhe von S 110,--, bei einer Tätigkeit von weniger als 12 Stunden für jede Stunde 1/12 dieses Betrages. Grundlage der Diätenabrechnung waren die Tagesberichte der Vertreter. Bis zu einer Strecke von 2800 km im Monat erhielt der Kläger von der beklagten Partei auf Grund der vorgelegten Zahlungsbelege für je 100 km die Kosten für 10 Liter Benzin ersetzt; was darüber hinausging, wurde nicht mehr vergütet. Die Tagesberichte waren also auch für die Abrechnung der Benzinkosten von Bedeutung. Sie hatten vor allem den Sinn, daß man feststellen konnte, wann und wo der betreffende Vertreter der beklagten Partei gearbeitet hatte. Zum Nachweis der von der beklagten Partei ausgezahlten Tagesgebühren wurden die Tagesberichte auch von der Finanzbehörde überprüft. Heinz P*** hatte den Kläger allerdings nie wegen unrichtiger Verfassung der Tagesberichte verwarnt.

Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger zumindest an zwei aufeinanderfolgenden Arbeitstagen unrichtige Angaben über seine Kundenbesuche und seine tatsächliche Reisezeit gemacht und damit seine Arbeitgeberin über das Ausmaß seiner Tätigkeit getäuscht und ihr eine umfangreichere als die tatsächliche Arbeitsleistung vorgespiegelt habe und auch vortäuschen wollte. Er habe für diese Tage die vollen Reisediäten beansprucht, obgleich ihm nach seiner tatsächlichen Arbeitsleistung nur ein geringerer Betrag zugestanden wäre. Durch diese bewußt falschen Angaben habe sich der Kläger des Vertrauens der beklagten Partei in einem solchen Maße unwürdig gemacht, daß dieser eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar gewesen sei (§ 27 Z 1 AngG). Die Ansprüche des Klägers bestünden daher - mit Ausnahme eines Betrages von S 448,35 brutto an restlicher Urlaubsabfindung - nicht zu Recht. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird in seinem abweisenden Teil vom Kläger mit Revision aus den Gründen des § 503 Abs1 Z 3 und 4 ZPO bekämpft. Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, hilfsweise das Urteil der zweiten Instanz dahin abzuändern, daß seinem Klagebegehren im vollen Umfang stattgageben werde.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs3 Satz 2 ZPO); daß der Kläger in seinen Tagesberichten bewußt falsche Angaben gemacht hat, um die beklagte Partei über das Ausmaß seiner Tätigkeit zu täuschen und sich finanzielle Vorteile zu verschaffen, ist eine - zwar erst im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nachgeholte, dennoch aber - der Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogene tatsächliche Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes (EFSlg. 39.780, 42.363 ua).

In seinen Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bezeichnet der Kläger sein Fehlverhalten weiterhin als bloße Ordnungswidrigkeit; die beklagte Partei, welcher eine Weiterbeschäftigung des Klägers zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist zumutbar gewesen wäre, hätte ihn zunächst verwarnen müssen und erst im Wiederholungsfall mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses vorgehen dürfen.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Nach § 27 Z 1 AngG

kann ein Angestellter (ua) dann entlassen werden, wenn er sich einer

Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers

unwürdig erscheinen läßt. Dabei kommt es vor allem darauf an, ob für

den Arbeitgeber vom Standpunkt vernünftiger kaufmännischer

Interessen die gerechtfertigte Befürchtung besteht, daß seine

Belange durch den Angestellten gefährdet seien. Maßgebend ist, ob

durch das Verhalten des Angestellten - und zwar nicht nach dem

subjektiven Empfinden des Arbeitgebers, sondern unter Anlegung eines

objektiven Maßstabes - das Vertrauen des Arbeitgebers so schwer

erschüttert worden ist, daß ihm die Fortsetzung des

Arbeitsverhältnisses auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist

nicht mehr zugemutet werden kann (Arb.9238 = SozM I A d 1109 mwN;

Arb.9624; Arb.9631 = RdA 1979, 116 = ZAS 1981, 14;

Arb. 9862 = SozM I A d 1213; Arb. 10.001, 10.072, 10.212 uva;

Kuderna, Entlassungsrecht 63, 88 f; Martinek-Schwarz, AngG 6 , 604 ff § 27 Anm.12).

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils waren die vom Kläger zu erstellenden Tagesberichte nicht nur die Grundlage der Diätenabrechnung, sondern auch für die Abrechnung der Benzinkosten von Bedeutung; sie sollten darüber hinaus der beklagten Partei die Feststellung ermöglichen, wann und wo der Kläger gearbeitet hatte. Durch seine bewußt falschen Angaben in diesen Berichten hat der Kläger seiner Arbeitgeberin die - bei Vertretern im Außendienst ohnehin nur in beschränktem Ausmaß mögliche - Kontrolle seiner Tätigkeit in einem solchen Maß erschwert, daß für die beklagte Partei die objektiv gerechtfertigte Befürchtung bestehen mußte, ihre geschäftlichen Interessen würden durch ihn nicht mehr ausreichend gewahrt. Der Hinweis der Revision, daß es gerade im Berufszweig des Klägers zu Irrtümern kommen könne, welche dann ihren Niederschlag in entsprechenden Fehleintragungen fänden, geht an der Feststellung des angefochtenen Urteils vorbei, wonach die beanstandeten Eintragungen in den Tagesberichten des Klägers nicht auf bloße Nachlässigkeit zurückgeführt werden können. Der Kläger hat vielmehr in immerhin drei Fällen innerhalb eines kurzen Zeitraums bewußt falsche Angaben gemacht, um seiner Arbeitgeberin eine umfangreichere als die von ihm tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung vorzutäuschen und sich damit zugleich durch die Verrechnung höherer Diäten einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. In diesem Verhalten kann entgegen der Meinung der Revision keine bloße Ordnungswidrigkeit mehr gesehen werden; es verwirklicht vielmehr - auch ohne vorherige, mit der Androhung sofortiger Entlassung verbundene Verwarnung - den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E07878

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0040OB00047.85.0408.000

Dokumentnummer

JJT_19860408_OGH0002_0040OB00047_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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