Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Christine M***, Beamtin, Wien 9., Alserbachstraße 5/9, vertreten durch Edeltraud D***, Funktionärin der Mietervereinigung Österreichs, Wien 9., Währingerstraße 41, wider den Antragsgegner Max W***, Hauseigentümer, Wien 19., Lannerstraße 24/26, vertreten durch Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs. 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 26. November 1985, GZ 41 R 1156/85-14, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9. September 1985, GZ 41 Msch 9/85-11, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist auf Grund des Mietvertrages vom 5. April 1963 Mieterin der 88 m 2 großen Wohnung top.Nr. 9 in dem dem Antragsgegner gehörenden Haus Wien 9., Alserbachstraße 5. Gemäß § 3 Z 3 des Mietvertrages ist nach Abänderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung ein neu zu vereinbarender Mietzins zu zahlen.
Gestützt auf die vorerwähnte Bestimmung des Mietvertrages schrieb der Antragsgegner der Antragstellerin ab dem 1. August 1984 - von der Zugehörigkeit der Wohnung zur Kategorie B (§ 16 Abs. 2 Z 2 MRG) und von einer Nutzfläche von (unrichtig) 91 m 2 ausgehend - einen monatlichen Hauptmietzins von 1.665,30 S (anstatt wie bisher 85,30 S) vor.
Nachdem die Entscheidung der Schlichtungsstelle durch Anrufung des Erstgerichtes seitens des Antragsgegners außer Kraft getreten war, stellte das Erstgericht mit Sachbeschluß fest, daß durch die Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von je 1.665,30 S zum 1. August 1984 sowie zum 1. September 1984 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um monatlich je 1.580 S überschritten worden sei; es trug dem Antragsgegner gemäß § 37 Abs. 4 MRG auf, der Antragstellerin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution einen Betrag von 3.160 S zuzüglich 10 % Umsatzsteuer und 4 % Zinsen seit 4. Oktober 1984 zurückzuerstatten. Da im § 3 Z 3 des Mietvertrages kein objektiv bestimmbarer zukünftiger Mietzins vereinbart worden sei, stünden die Übergangsbestimmungen der §§ 43 f. MRG, nach denen Altmietzinse - von einzelnen Ausnahmen abgesehen - in der ursprünglichen Höhe erstarrt seien, einer Anhebung dieser Mietzinse auf die nach dem Mietrechtsgesetz zulässig gewordene Höhe entgegen; die fehlende Bestimmbarkeit könne im Wege der Vertragsergänzung nicht nachgetragen werden. Hätten sich die Parteien mit der Frage des Außerkrafttretens oder der Änderung der Zinsbeschränkungen befaßt, dann hätten sie ohne weiteres auch die Grundsätze für den neu zu vereinbarenden Mietzins (etwa den höchstzulässigen, den ortsüblichen und dergleichen) vereinbaren können. Hätten sie dies unterlassen, dann könne die in Rede stehende Klausel nur als unverbindliche Absichtserklärung aufgefaßt werden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge und erklärte den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es führte aus:
Wohl seien nach der Rechtsprechung schon vor dem Zeitpunkt einer Lockerung oder Liberalisierung der Mietzinsbildungsvorschriften geschlossene Vereinbarungen für den Fall des Wegfalles oder der Aufhebung des Verbotes einer freien Mietzinsvereinbarung als zulässig anzusehen, wenn das gesetzliche Verbot nur die Zeit des Vertragsabschlusses erfasse. Hiebei müsse jedoch die Einigung über den aufschiebend bedingten zukünftigen Zins bereits im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses vorliegen, der vereinbarte freie Zins also bestimmt oder objektiv bestimmbar sein. Diese Voraussetzung sei in der Rechtsprechung dann bejaht worden, wenn im Vertrag als zukünftiger Zins ein unter Hinweis auf Vergleichsobjekte angemessener Mietzins, ein volkswirtschaftlich gerechtfertigter Zins, ein ortsüblicher Zins oder der höchstzulässige Mietzins angeführt gewesen sei (vgl. MietSlg. 36.131). Zutreffend habe das Erstgericht erkannt, daß die vorliegende Vertragsbestimmung, in welcher sich der Mieter verpflichtet habe, nach Abänderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung einen (nicht näher umschriebenen) neu zu vereinbarenden Mietzins zu zahlen, diesen Anforderungen an die objektive Bestimmbarkeit eines aufschiebend bedingten zukünftigen Zinses nicht entspreche. Ob die vorliegende vertragliche Vereinbarung aber als ausreichend bestimmbar angesehen werden könnte, um den Mieter für verpflichtet zu halten, einer Abänderung seines Vertrages in Richtung seiner Verpflichtung zur Zahlung des Kategoriezinses seiner Wohnung zuzustimmen, was der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 1 Ob 633/85 in einem ähnlich gelagerten Fall bejaht habe, könne hier dahingestellt bleiben, weil der Antragsgegner ein solches nur im streitigen Verfahren zu erledigendes Begehren nicht gestellt, sondern ohne Abschluß der im Mietvertrag vorgesehenen neuen Vereinbarung einseitig den Mietzins erhöht habe, wozu er aber nach den vorstehenden Erwägungen jedenfalls nicht berechtigt gewesen sei. Der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof sei für zulässig zu erklären gewesen, weil die Frage, ob die vorliegende Vertragsklausel einen Vermieter zur einseitigen Anhebung des Mietzinses ohne Abschluß einer neuen Vereinbarung berechtige, von grundsätzlicher Bedeutung sei, und in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung bisher noch keine einhellige Beantwortung gefunden habe.
Gegen den rekursgerichtlichen Sachbeschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne einer Abweisung des Feststellungsantrages der Antragstellerin abzuändern.
Die Antragstellerin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Der erkennende Senat hat bereits in mehreren Entscheidungen (5 Ob 107/85 = EvBl 1986/26, 5 Ob 113/85, 5 Ob 2/86, 5 Ob 16 bis 17/86 ua.) zum Ausdruck gebracht, daß der Klausel, es sei nach Abänderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung ein neu zu vereinbarender Mietzins zu zahlen, - wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben - die erforderliche Bestimmbarkeit des zu vereinbarenden Mietzinses als Gültigkeitsvoraussetzung fehlt, weil darin in keiner Weise festgelegt worden ist, nach welchen Kriterien der Hauptmietzins bestimmbar sein solle. Es kann daher entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht gesagt werden, mit dieser Vertragsbestimmung sei bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine Einigung über den zukünftig zu zahlenden Zins vorgelegen. Am 1. Jänner 1986 trat das Bundesgesetz vom 12. Dezember 1985, BGBl. 559, mit dem unter anderem das Mietrechtsgesetz geändert worden ist, in Kraft. Gemäß Abs. 1 des durch dieses Gesetz in das Mietrechtsgesetz eingefügten § 16 a sind Vereinbarungen in einem vor dem 1. Jänner 1982 geschlossenen Vertrag, die eine Erhöhung des Hauptmietzinses für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses vorsehen, rechtsunwirksam, wobei unter diesen Vereinbarungen auch solche zu verstehen sind, in denen sich der Mieter für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses zum Abschluß einer neuen Mietzinsvereinbarung verpflichtet hat. Nach Art. IV Z 7 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. 559, ist § 16 a MRG auch auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen streitigen und außerstreitigen Verfahren anzuwenden. Damit wird, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals entschieden hat (6 Ob 660/85, 5 Ob 112/85, 8 Ob 633/85 ua.), in eindeutiger Weise eine Rückwirkung des § 16 a MRG auf die dem genannten Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalte angeordnet (ebenso Rieder in der 120. Sitzung des NR, Sten.Prot. der 16. GP 10.626 rSp unten; ImmZ 1986, 28, Punkt 1 lit. d; Würth-Zingher, MRG 86, 39 Anm. 3 zu § 16 a MRG; Tschugguel in ÖJZ 1986, 110 ff.; noch weitergehend Zingher in ÖJZ 1986, 97 ff.; vgl. ferner Hanel in JBl. 1986, 162 ff.).
Die vom Antragsgegner zitierten, Dauerrechtsverhältnisse betreffenden Entscheidungen (MGA 2 32 , Entsch. Nr. 13 und 14 zu § 5 ABGB) stehen dieser Auffassung nicht entgegen, weil sie nur in Ermangelung einer anderen Anordnung des Gesetzgebers gelten, die hier eben vorliegt. Auch die spezielle Regelung der Kostenfolgen in Art. IV Z 7 Satz 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. 559, vermag an der dargelegten Rückwirkungsanordnung nichts zu ändern. Die von Iro in RdW 1986, 37 f. geäußerte Rechtsansicht, Zinsanpassungsklauseln bzw. daran anknüpfende Mietzinsvereinbarungen seien nach § 16 a MRG generell, also auch in am 1. Jänner 1986 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren, nur hinsichtlich der nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. 559, liegenden Zinsperioden unwirksam, träfe nach Meinung des Obersten Gerichtshofes nur dann zu, wenn sich der Gesetzgeber auf die allgemeine Anordnung des Inkrafttretens des genannten Gesetzes mit 1. Jänner 1986 (Art. IV Z 1) beschränkt und die spezielle Anordnung für die am 1. Jänner 1986 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (Art. IV Z 7) unterlassen hätte. Gegen diese spezielle Anordnung bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes keine Bedenken; es ist nicht unsachlich, im Bereich noch nicht rechtskräftig abgeschlossener Verfahren die Rückwirkung zwingender gesetzlicher Vorschriften zu normieren, eine Rückwirkung solcher Vorschriften auf rechtskräftig entschiedene Fälle aber nicht vorzusehen (vgl. dazu Hanel in JBl. 1986, 164).
Dadurch, daß § 16 a MRG außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. IV Z 7 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. 559, erst am 1. Jänner 1986 in Kraft getreten ist, wurden im Sinne der eingangs zitierten Rechtsprechung (EvBl 1986/26 ua.) von Anfang an ungültige Zinsanpassungsklauseln wie die gegenständliche auch nicht bis zum 31. Dezember 1985 (rückwirkend) gültig (5 Ob 24/86). Es war daher dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E08030European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00032.86.0408.000Dokumentnummer
JJT_19860408_OGH0002_0050OB00032_8600000_000