TE OGH 1986/4/8 14Ob54/86

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Veröffentlicht am 08.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HONProf.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuderna und Dr.Gamerith sowie die Beisitzer Dr.Anton Haschka und Franz E. Niemitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Walter B***, Wien 12., Zanaschkagasse 12/29/3, vertreten durch Dr. Gustav Gruber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Franz B***, Rechtsanwalt in Wien 12., Meidlinger Hauptstraße 1, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Ing. Friedrich D***, Kaufmann in Wien 21., Angererstraße 17, wegen Feststellung (Streitwert 114.284 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 9.Jänner 1986, GZ 44 Cg 228/85-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 21.Juni 1985, GZ 5 Cr 1060/84-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Über das Vermögen des Ing. Friedrich D***, des Inhabers des Unternehmens Ing. Eduard S***, Elektro- und Installationsbüro und -handel, wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien zu Sa 74/83 am 14.September 1983 das Ausgleichsverfahren eröffnet und der beklagte Rechtsanwalt zum Ausgleichsverwalter bestellt. Mit Beschluß desselben Gerichts vom 23.März 1984, S 12/84-1, wurde der Anschlußkonkurs eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß seine Forderung im Konkurs über das Vermögen des Gemeinschuldners Friedrich D*** in der ersten Konkursklasse mit 50.000 S brutto und in der dritten Konkursklasse mit 64.284 S brutto jeweils sA zu Recht bestehe. Zur Begründung bringt er vor, er sei von Ing. Friedrich D*** am 14. November 1983 als kaufmännischer Leiter mit einem Monatsbruttogehalt von 20.000 S angestellt worden. Da er am 1. Dezember 1983 das Arbeitsentgelt für den November nicht erhalten habe, habe er eine Nachfrist gesetzt und sei nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist am 17.Dezember 1983 vorzeitig ausgetreten. Es stehe ihm ein Anspruch an restlichem Gehalt in der Höhe von 22.000 S, ferner Kündigungsentschädigung bis 31.März 1984 im Betrag von 68.000 S, Sonderzahlungen in der Höhe von 16.000 S sowie Urlaubsabfindung von 8.284 S, jeweils brutto sA, zu. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Gemeinschuldner habe mit dem Kläger kein Arbeitsverhältnis begründet; selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, wäre es mangels der nach dem § 8 Abs 1 AO dann erforderlichen Genehmigung durch den Ausgleichsverwalter rechtsunwirksam gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Im Herbst 1983 war die finanzielle Situation des Ing. Friedrich D*** derart schlecht, daß die Arbeitsverhältnisse der ein höheres Arbeitsentgelt beziehenden Arbeitnehmer beendet werden mußten und die Gehälter der übrigen Arbeitnehmer nicht mehr vollständig und rechtzeitig ausgezahlt werden konnten. Im November 1983 vereinbarten der damalige Ausgleichschuldner und der ihm von früher bekannte, arbeitslose Kläger, daß dieser dem Gemeinschuldner bei der Eintreibung von Außenständen behilflich sein solle. Der Beklagte wurde von der Vereinbarung nicht verständigt; er hatte auch nicht zugestimmt. Der Beklagte wurde auch nicht davon informiert, daß der Kläger als Angestellter tätig geworden sei oder Aufträge erhalten habe. Der Beklagte hat dem Kläger nie irgendwelche Aufträge auf Grund eines Arbeitsverhältnisses erteilt. Der Kläger sollte keinen infolge der Insolvenz des Gemeinschuldners ausscheidenden Arbeitnehmer ersetzen.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger mit dem Gemeinschuldner überhaupt ein Arbeitsverhältnis vereinbart habe. Selbst wenn ein solches begründet worden sein sollte, hätte es, um rechtswirksam zu sein, gemäß dem § 8 Abs 2 AO der Genehmigung durch den Ausgleichsverwalter bedurft, weil es infolge Begründung eines neuen Dienstpostens den Rahmen eines gewöhnlichen Geschäftes überschreite. Da der Kläger selbst zugegeben habe, die mit 2.000 S erfolgte Anmeldung bei der Krankenkasse sei "eine Linke gewesen", könne er sich nicht auf guten Glauben berufen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und billigte dessen rechtliche Beurteilung.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß der Kläger in seiner Berufung und durch deren Vortrag auch in der Berufungsverhandlung ausdrücklich die Ladung und Vernehmung der vom Erstgericht vernommenen Zeugen und Parteien vor dem Berufungsgericht beantragt hatte. Das Berufungsgericht war daher nicht berechtigt, anstelle der unmittelbaren Vernehmung dieser Personen die vor dem Erstgericht aufgenommenen Protokolle zu verlesen. Eine solche Verlesung ist nach dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG nur dann zulässig, wenn nicht wenigstens eine der Parteien gegen die Verlesung Einsprache erhebt. Der ausdrückliche Antrag einer Partei, die Zeugen und/oder Parteien vor das Berufungsgericht zu laden und zu vernehmen, ist einer solchen Einsprache gleichzuhalten. Da der Kläger aber diesen Verfahrensmangel in der Revision nicht gerügt hat, kann er vom Obersten Gerichtshof nicht wahrgenommen werden.

Die Berufung ist jedoch schon infolge Feststellungsmängel berechtigt. Dem Klagebegehren würde allerdings die Berechtigung fehlen, wenn ein - vom Kläger behauptetes und von ihm zu beweisendes - Arbeitsverhältnis gar nicht zustandegekommen wäre. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen reichen aber nicht aus, um das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses beurteilen zu können. Nach den Feststellungen haben der Kläger und der spätere Gemeinschuldner vereinbart, daß der Kläger diesem bei der Eintreibung von Außenständen behilflich sein solle. In welchem Rahmen und zu welchen Bedingungen diese Tätigkeit verrichtet werden sollte und in der Folge verrichtet wurde, insbesondere ob und für welche Zeit der Kläger dazu verpflichtet sein und ein Entgelt erhalten sollte, wurde nicht festgestellt. Alle diese Feststellungen könnten freilich unterbleiben, wenn der vom Kläger behauptete Arbeitsvertrag nicht nur über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausging und daher gemäß dem § 8 Abs 2 AO der Zustimmung des Ausgleichsverwalters bedurft hätte, sondern wenn der Dritte (hier: der Kläger) iSd § 8 Abs 3 AO überdies wußte oder wissen mußte, daß die Rechtshandlung (hier: der Abschluß des Arbeitsvertrages) über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausreichte und der Ausgleichsverwalter die dann erforderliche Zustimmung nicht erteilt hatte. Der Dritte muß erkennen können, daß die Handlung über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgeht und der Ausgleichsverwalter seine Zustimmung nicht erteilt hat. Mußte ihm nur einer dieser beiden Umstände nicht bekannt sein, so tritt die Unwirksamkeit der Rechtshandlung nicht ein. Diese subjektiven Voraussetzungen müssen beim Dritten im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlungen vorhanden sein (SZ 34/143 = Arb. 7435 mwH).

Ob diese - vom Berufungsgericht nicht beachteten - subjektiven Voraussetzungen auf den Kläger zutreffen, kann auf der Grundlage der dürftigen Feststellungen nicht beurteilt werden. Die Frage, ob der behauptete Abschluß des Arbeitsvertrages, falls er überhaupt erfolgt sein sollte, zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Gemeinschuldners gehörte, kann derzeit noch nicht verläßlich verneint werden, sind doch die näheren Umstände der behaupteten Vertragsbeziehungen unbekannt. Ob dem Kläger im Zeitpunkt des behaupteten Vertragsabschlusses bekannt war oder ob er auf Grund näherer Umstände damals wissen mußte, daß der von ihm behauptete Arbeitsvertrag und die nach diesem Vertrag vorzunehmende Eintreibung von Außenständen über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen und der Ausgleichsverwalter seine Zustimmung nicht erteilt hatte, wurde ebenfalls nicht festgestellt. Auch die vom Kläger behauptete Funktion eines kaufmännischen Leiters reicht angesichts des Fehlens jeglicher Feststellungen über die Art und den Umfang seiner Tätigkeiten, soweit diese allenfalls die Hilfe bei der Eintreibung von Außenständen überschritten haben, für die rechtliche Beurteilung nicht aus. Die Frage der relativen Rechtsunwirksamkeit des Arbeitsvertrages, falls ein solcher überhaupt abgeschlossen wurde, kann somit derzeit noch nicht beurteilt werden.

Das angefochtene Urteil war somit aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird das Beweisverfahren in der aufgezeigten Richtung zu ergänzen und die für die rechtliche Beurteilung notwendigen Feststellungen zu treffen haben. Hiebei könnte auch die Frage von Bedeutung sein, ob der Kläger zumindest zu einem Teil die Aufgaben des aus dem Unternehmen ausgeschiedenen Ing. Kurt S*** übernommen hat oder ob er nach den ihm im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannten Umständen diesen Eindruck gewinnen konnte, und ob die vom Erstgericht im Zusammenhang mit der Anmeldung des Klägers bei der Krankenkasse angenommene Schlechtgläubigkeit sich nicht auch auf die erwähnten subjektiven Voraussetzungen auswirkte. Die Unterlassung der Vernehmung des Zeugen Ing. Kurt S*** ist im gleichen Sinn ein Verfahrensmangel. Die Kostenentscheidung ist im § 52 ZPO begründet.

Anmerkung

E07885

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00054.86.0408.000

Dokumentnummer

JJT_19860408_OGH0002_0140OB00054_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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