Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 8.April 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider (Berichterstatter) und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Breycha als Schriftführers, in der Strafsache gegen Karl P*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 3, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 17.Oktober 1985, GZ. 9 a Vr 13.807/84-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Ersten Generalanwaltes Dr. Nurscher, und des Verteidigers Dr. Klein, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO wird das erstgerichtliche Urteil dahin ergänzt, daß dem Angeklagten gemäß dem § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB auch die am 6.Dezember 1984 von 2,40 Uhr bis 13,30 Uhr erlittene verwaltungsbehördliche Verwahrungshaft auf die Strafe angerechnet wird.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr und 10 (zehn) Tage herabgesetzt wird.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 17.Jänner 1956 geborene Fernmeldemonteur Karl P*** des Verbrechens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 3, 128 Abs. 1 Z. 4, 129
Z. 1 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Als Verbrechen des schweren Diebstahls (Punkt I./ des Urteilsspruches) liegt dem Angeklagten zur Last, nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
1. in der Nacht zum 26.November 1983 ein rotbraunes Lederetui, ein Autoradio Marke "Pioneer", zwei Boxen, etwa 8 Musikkassetten und zwei Sonnenbrillen in einem nicht näher bestimmbaren Gesamtwert dem Josef F*** durch Einbruch in dessen Personenkraftwagen mit dem polizeilichen Kennzeichen W 652.956;
2. in der Zeit zwischen dem 24.September und dem 29.Oktober 1984 ein Radio Marke "Philips" im Wert von ca. 2.000 S unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit als Hilfsarbeiter geschaffen worden war, zum Nachteil seines Auftraggebers Gerhard S***;
3. am 4. oder 5.Dezember 1984 einen Kombikraftwagen Marke "Ford Granada 2600" mit dem polizeilichen Kennzeichen W 693.187 im Wert von ca. 35.000 S dem Unternehmen B*** KG.
Der Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung (Punkt II.) bezieht sich auf anläßlich des zu Punkt I.1. beschriebenen Diebstahls erbeutete Dokumente des Josef F***, die der Angeklagte bei sich behielt.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte in den Diebstahlsfakten mit Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung. Gegen den Schuldspruch zu Punkt I.2. (S***) bringt der Beschwerdeführer, gestützt auf den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO vor, es hätte zur Widerlegung seiner Verantwortung, Gerhard S*** (oder dessen Sekretärin) habe ihm die Erlaubnis erteilt, das Radiogerät zu benützen, der Einvernahme dieses Zeugen bedurft.
Dem ist zu erwidern, daß (formale) Voraussetzung für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels nach dem § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO u.a. eine erfolglos gebliebene Antragstellung des Beschwerdeführers in der dem Urteil vorangehenden Hauptverhandlung bildet. Diese formelle Voraussetzung fehlt im vorliegenden Fall, denn auf die Einvernahme des Zeugen S*** wurde in der Hauptverhandlung ausdrücklich verzichtet (S. 146); weitere Beweisanträge wurden nicht gestellt (S. 148). Die Nichtausschöpfung aller möglichen - gar nicht beantragten - Beweismittel vermag weder den vom Beschwerdeführer geltend gemachten noch einen anderen Nichtigkeitsgrund herzustellen.
Unter Bezugnahme auf den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO bringt der Angeklagte vor, das Schöffengericht habe im Faktum I.1. (F***) entgegen seiner Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung festgestellt, er habe das Auto des Josef F*** aufgebrochen und daraus die im Urteil angeführten Gegenstände gestohlen. Das Geständnis vor der Polizei, das allein Grundlage für diese Annahme des Schöffengerichtes sein könne, sei aber nur dadurch zustandegekommen, daß man dem Angeklagten für den Fall weiteren Leugnens die Festnahme in Aussicht gestellt habe. Die Formulierung dieses "Geständnisses" spreche "eher für die Formulierungskunst des betreffenden Beamten als für die Wahrheit des sogenannten Geständnisses" (S. 175, 176). Auch in den Fakten I.2. und 3. (S*** und B***) stütze das Erstgericht die Annahme des Diebstahlsvorsatzes, den der Angeklagte stets geleugnet habe, nur auf offenbar unzureichende Gründe.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kann auch insoweit nicht gefolgt werden:
Im Faktum F*** schenkte das Schöffengericht dem Geständnis, das der Angeklagte vor der Polizei abgelegt hatte, Glauben und tat spätere, diese Einlassung abschwächende oder gar widerrufende Aussagen vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung als bloße Schutzbehauptung ab (S. 157 bis 161). Gegen diesen Akt freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) vermag der Beschwerdeführer nichts ins Treffen zu führen, was in seiner Bedeutung den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO verwirklichen könnte. Das in Rede stehende Beschwerdevorbringen erweist sich als im Nichtigkeitsverfahren unzulässige und daher unbeachtliche Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung. Aber auch im Faktum S*** (I.2.) ist die (Urteils-)Feststellung, der Angeklagte habe sich das Radiogerät unter Bruch des Gewahrsams der Firma S*** zugeeignet, durch die vom Schöffengericht verwerteten Verfahrensergebnisse gedeckt. Denn der Beschwerdeführer erklärte, es sei ihm die Sache weder geschenkt noch ein Einbau ins Auto erlaubt worden (S. 161; 144, 145). Zum Faktum I.3. (B***) hinwieder leitete das Schöffengericht aus der Planmäßigkeit des Verhaltens mit schlüssiger und im Akteninhalt gedeckter Begründung ab, daß der Angeklagte das Fahrzeug nicht bloß unbefugt gebrauchen, sondern sich das Auto - zumindest aber dessen wertvollste Bestandteile - zueignen wollte (S. 162, 163). Wiewohl es hier - wenig präzise - vom Fahrzeug und dessen Bestandteilen spricht (S. 156), brachte das Schöffengericht den Umständen nach erkennbar zum Ausdruck, daß sich der Angeklagte das Fahrzeug oder dessen (wertmäßig wichtigste) Bestandteile zueignen wollte; so gesehen ist auch hierin ein Widerspruch oder eine Undeutlichkeit der Urteilsgründe vom Gewicht des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO nicht zu erblicken.
Gestützt auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a und 10 StPO bringt die Beschwerde zum Schuldspruch I.2. (Faktum S***) vor, der Firmenchef habe nach den Feststellungen des Schöffengerichtes dem Angeklagten die Erlaubnis zur Benützung des Radioapparats erteilt; diese Erlaubnis habe den vorübergehenden Einbau des Apparates in das Auto des Beschwerdeführers erfaßt. Im ungünstigsten Fall wäre darin eine Unterschlagung nach dem § 134 Abs.2 StGB zu erblicken.
Die Rechtsmeinung des Angeklagten ist unrichtig.
Das Schöffengericht ging in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt davon aus, daß die Erlaubnis, das Radiogerät zu benützen, sich auf den Bereich der Firma H*** & S*** bezog, den Einbau (des Apparates) in das Auto aber nicht umfaßte (S. 161). Diese Feststellung beruht nicht nur auf den Angaben des Zeugen S*** vor der Polizei (S. 47), sondern auch auf der Verantwortung des Angeklagten (S. 72, 73, 75, 144, 155). Daraus folgerte das Schöffengericht rechtlich zutreffend, daß die Firma H*** & S*** den Obergewahrsam an dem Radioapparat behielt. Die (weit über die Dauer des Dienstverhältnisses hinausreichende) Verwendung des Radioapparates durch Einbau in das Auto wurde als Zueignungshandlung aufgefaßt, durch die der Angeklagte den Obergewahrsam brach. Die Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers als Dienstdiebstahl erweist sich somit als rechtsrichtig (vgl. hiezu Kienapfel, BT II, RN 65, 87, 89 und 90 zu § 127 StGB). Die in der Beschwerde zur Erwägung gestellte Betrachtung der Tat als Unterschlagung nach dem § 134 Abs. 2 StGB scheitert daran, daß der Beschwerdeführer den Urteilsfeststellungen zufolge das Gut nicht ohne Zueignungsvorsatz in seinen Gewahrsam brachte, sondern es sich unter Bruch des abgestuften Obergewahrsams des Geschädigten zueignete, sohin alle Tatbestandsmerkmale des Diebstahls erfüllte. Weil ihm die Sache aber auch nicht anvertraut worden war - was eine völlige Aufgabe des Gewahrsams des Dienstgebers vorausgesetzt hätte (vgl. Kienapfel BT II § 133 RN 26, 27) -, kann die Tat auch nicht als Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 StGB beurteilt werden. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer an seinem Arbeitsplatz einen anderen Radioapparat zurückließ (S. 45, 47), bedurfte schon deshalb keiner weiteren Erwähnung, weil dieses (alte) Gerät ersichtlich geringerwertig als jenes war, das sich der Angeklagte angeeignet hatte.
Zum Faktum I.1. (F***) wird, den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs 1 Z. 10 StPO relevierend, eingewendet, die Tat sei eine bloße Fundunterschlagung (§ 134 Abs. 1 StGB), weil das Erstgericht, der Verantwortung des Beschwerdeführers folgend, davon hätte ausgehen müssen, daß es sich nur um die Aneignung einer von einem anderen aus dem Auto des F*** gestohlenen "herrenlos" auf der Straße stehenden Sache handle. Mit diesem Vorbringen entfernt sich der Beschwerdeführer aber von den Feststellungen des Schöffengerichtes, die ihn bei Ausführung des materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO binden. Das Schöffengericht konstatierte nämlich, daß der Angeklagte das Auto des F*** selbst aufbrach und hieraus mit Bereicherungsvorsatz die im Spruch angeführten Gegenstände an sich nahm (S. 157 bis 161). Die erst vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung vorgebrachte Verantwortung, den Diebstahl habe ein anderer verübt, wurde als unglaubwürdig abgelehnt. Diese Feststellungen übergeht der Beschwerdeführer und führt somit sein Rechtsmittel insoweit nicht der Prozeßordnung gemäß aus, sodaß sich ein Eingehen darauf erübrigt. Der Angeklagte vermag auch mit seinem Begehren, Faktum I.3. als unbefugten Gebrauch eines Fahrzeuges nach dem § 136 Abs. 1 StGB zu beurteilen (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO), nicht durchzudringen, weil er erneut die (Urteils-)Feststellungen übergeht: Das Schöffengericht leitete aus verschiedenen, im angefochtenen Urteil detailliert wiedergegebenen Umständen ab, daß der Angeklagte von allem Anfang an nicht bloß darauf aus war, das Fahrzeug unbefugt zu gebrauchen, sondern vielmehr mit dem Vorsatz handelte, sich das Auto oder zumindest wesentliche und wertvolle Bestandteile zuzueignen (S. 162, 163). Diese Annahme wird durch den vom Schöffengericht erwähnten Umstand gestützt, daß der Angeklagte, nachdem er das Fahrzeug an einen für die Tatverübung günstigen, weil versteckten Platz gebracht und somit aus dem Gewahrsam des Eigentümers entzogen hatte, durch Demontage von Bestandteilen (im Wert von 6.000 S) erst damit "begann" (S. 162), seine Beute in Sicherheit zu bringen. Aus den aufgezeigten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugen, daß das Urteil im Grund des § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB an (nicht gerügter) Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO leidet, die sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkt und deshalb im Sinn des § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen zu beheben war. Der Angeklagte erlitt nämlich außer der ihm vom Erstgericht angerechneten Vorhaft am 6.Dezember 1984 auch noch eine polizeiliche Verwahrungshaft, und zwar von 2,40 Uhr bis 13,30 Uhr (S. 9, 31, 35, 49).
Das Landesgericht verhängte nach dem § 129 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB und gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 10.Juni 1985, AZ. 16 U 976/85 (100 Tagessätze zu je 150 S, im Uneinbringlichkeitsfall 50 Tagessätze Freiheitsstrafe, wegen des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 StGB) eine zusätzliche Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Hiebei wertete es die Wiederholung der Diebstahlshandlungen, das Zusammentreffen mehrerer Delikte, die auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen und den relativ raschen Rückfall des Angeklagten nach seiner bedingten Entlassung aus dem letzten Strafvollzug (rund einen Monat vor der neuerlichen Delinquenz) als erschwerend, hingegen das zumindest teilweise abgelegte Geständnis und die Sicherstellung eines großen Teils des Diebsgutes als mildernd.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an. Diesem Rechtsmittel kommt Berechtigung zu. Wenngleich die zusätzlich reklamierten Milderungsumstände (Unbesonnenheit, verlockende Gelegenheit im Schuldspruchfaktum I.3. und Notlage wegen Ehescheidung, Unterhaltsverpflichtungen und sonstiger Exekutionen) nicht gegeben sind, erweist sich die (zusätzliche) Freiheitsstrafe auf der Grundlage der vom Erstgericht zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe reduktionsbedürftig. Ungeachtet der dem Berufungswerber anzulastenden schulderschwerenden Umstände (Vorstrafenbelastung in Verbindung mit dem raschen Rückfall und Tatwiederholung) erscheinen die demgegenüber gegebenen Milderungsumstände, nämlich ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung und - insbesondere - die fast vollständige Zustandebringung des Diebsgutes, derart gravierend, daß der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von vierzehn Monaten bei gemeinsamer Aburteilung der vom angefochtenen Urteil erfaßten Straftaten und jener zu 16 U 976/85 des Strafbezirksgerichtes Wien für angemessen erachtet, sodaß sich im vorliegenden Fall eine Zusatzfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Tagen ergibt. In diesem Sinn war der Berufung ein Erfolg zuzuerkennen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.
Anmerkung
E08077European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00036.86.0408.000Dokumentnummer
JJT_19860408_OGH0002_0110OS00036_8600000_000