Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*** Aktiengesellschaft, Schaan, Liechtenstein, vertreten durch Dr. Rudolf Jahn und Dr. Harald Jahn, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Christine S***, Geschäftsfrau in Grieskirchen, Oberer Stadtplatz 7, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Patentverletzung (Streitwert im Provisorialverfahren 400.000 S) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 26.August 1985, GZ 4 R 164, 165/85-49, womit die Beschlüsse des Handelsgerichtes Wien vom 15. Jänner 1981, GZ 18 Cg 122/80-13, und vom 14.Mai 1985, GZ 18 Cg 31/85-32, aufgehoben wurden, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Rekurse der Beklagten gegen die erstgerichtlichen Beschlüsse ON 13 und ON 32 zurückgewiesen werden.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 15.916,65 S bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin 2.880 S Barauslagen und 1.185,15 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Inhaberin der österreichischen Patente Nr. 285.405 und Nr. 290.366, betreffend "Werkzeughalter für Bohrhämmer".
Mit der Behauptung, daß die Beklagte durch den Vertrieb von Bohrern einer bestimmten, in der Klage näher beschriebenen Ausführungsform diese beiden Patente verletzt habe, stellte die Klägerin zugleich mit der am 14.Oktober 1980 überreichten, auf Unterlassung, Rechnungslegung und Zahlung eines angemessenen Entgelts gerichteten Klage den Antrag, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung das Feilhalten und den Vertrieb der beanstandeten Bohrer zu untersagen. In ihrer Äußerung zu diesem Sicherungsantrag (ON 3) bestritt die Beklagte vor allem die Wiederholungsgefahr, weil die Klägerin eine ihr von der Beklagten angebotene Unterlassungsverpflichtung angenommen habe. Die behauptete Patentverletzung liege im übrigen nicht vor; auch seien die beiden Klagepatente mangels Neuheit und Erfindungshöhe nichtig.
Für dieses Vorbringen bot die Beklagte (Gegen-)Bescheinigungsmittel an, welche sie, soweit es sich um Urkunden handelte, mit dem Äußerungsschriftsatz vorlegte. Die Klägerin antwortete darauf mit einem als "Gegenäußerung" bezeichneten Schriftsatz (ON 5), in welchem sie den Sicherungsantrag durch neues Sach- und Bescheinigungsvorbringen zu den Einwendungen der Beklagten ergänzte.
Das Erstgericht erließ am 13.November 1980 antragsgemäß die einstweilige Verfügung (ON 6). Gegen diesen Beschluß, welcher ihr zugleich mit einer Gleichschrift der "Gegenäußerung" der Klägerin am 26. November 1980 zugestellt wurde, erhob die Beklagte fristgerecht Rekurs (ON 10) und Widerspruch (ON 9). Nachdem das Rekursgericht dem erstgenannten Rechtsmittel mit Beschluß vom 23.Dezember 1980 (ON 12) nicht Folge gegeben hatte, wies das Erstgericht den Widerspruch mit Beschluß vom 15.Jänner 1981 (ON 13) mangels der Voraussetzungen des § 397 Abs 1 EO als unzulässig zurück. Dieser Beschluß wurde nach der Aktenlage und dem Ergebnis der später durchgeführten Erhebungen (ON 41 S 177, ON 42) entgegen der ursprünglichen Zustellverfügung des Erstgerichtes (S 100) zunächst keinem der beiden Parteienvertreter zugestellt; die Zustellung an den Beklagtenvertreter wurde erst auf dessen Antrag vom 3.Juni 1985 (ON 34) am 12.Juni 1985 nachgeholt.
In der Zwischenzeit war das Hauptverfahren mit Beschluß vom 28. Jänner 1981 (ON 14 S 103) bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Österreichischen Patentamtes über die Nichtigkeit der beiden Klagepatente unterbrochen worden. Nachdem das Patentamt die beiden Patente für nichtig erklärt und der Oberste Patent- und Markensenat diese Endentscheidungen bestätigt hatte, stellte die Beklagte am 8. bzw. 10. Mai 1985 den Antrag, a) das unterbrochene Verfahren fortzusetzen (ON 30) und b) über ihren Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ON 6
mündlich zu verhandeln und zu entscheiden, hilfsweise die einstweilige Verfügung infolge der Nichtigerklärung der beiden Klagepatente endgültig aufzuheben (ON 31).
Den letztgenannten (Haupt-)Antrag wies das Erstgericht mit Beschluß vom 14.Mai 1985 (ON 32) - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14.Juni 1985 (ON 38) - mit der Begründung zurück, daß der Widerspruch der Beklagten schon mit Beschluß vom 15.Jänner 1981 zurückgewiesen worden sei. In der Folge nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 28.Mai 1985 (ON 33) ihre Klage unter Hinweis auf die Nichtigerklärung ihrer beiden Patente unter Anspruchsverzicht zurück; dem damit verbundenen Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung gab das Erstgericht mit dem - den Parteien am 10.Juni 1985 zugestellten und mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen - Beschluß vom 30.Mai 1985 (ON 33 S 154) statt.
Die erstgerichtlichen Beschlüsse ON 32 (Zurückweisung des Antrages auf Verhandlung und Entscheidung über den Widerspruch) und ON 13 (Zurückweisung dieses Widerspruches) wurden von der Beklagten fristgerecht mit Rekurs angefochten (ON 37, 41).
Mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung gab das Rekursgericht diesen Rechtsmitteln Folge und hob die angefochtenen Beschlüsse ersatzlos auf; zugleich sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes jeweils 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Klägerin habe zwar mit Recht darauf verwiesen, daß die Rechtstellung der Beklagten durch eine Überprüfung der beiden Zurückweisungsbeschlüsse nicht mehr berührt werden könne, weil das von ihr angestrebte Rechtsschutzziel der Beseitigung der einstweiligen Verfügung nach deren rechtskräftiger Aufhebung nicht mehr erreicht werden könne. Dennoch müsse das Interesse der Beklagten an einer sachlichen Erledigung ihrer beiden Rechtsmittel bejaht werden, weil sie andernfalls die Kosten des zurückgewiesenen Widerspruches und des gleichfalls zurückgewiesenen Antrages ON 31 im Verfahren nach § 394 Abs 1 EO nicht mehr geltend machen könne. Die Rechtsmittel der Beklagten seien aber auch gerechtfertigt: Gegen die Bewilligung der einstweiligen Verfügung könne gemäß § 397 Abs 1 EO auch dann Widerspruch erhoben werden, wenn das Gericht - wie hier - dem Antragsgegner zwar zunächst die Möglichkeit einer Stellungnahme zum Sicherungsantrag geboten habe, dann aber unter Verwertung eines weiteren Schriftsatzes der gefährdeten Partei, welcher neues Sachund Bescheinigungsvorbringen enthält, über den Antrag auf einstweilige Verfügung entscheide, ohne den Antragsgegner auch zu diesem nachträglichen Vorbringen zu hören. Das müsse auch dann gelten, wenn das neue Sachvorbringen der gefährdeten Partei nur zur Entkräftung der vom Antragsgegner erhobenen Einwendungen dient, der Sicherungsantrag selbst und seine meritorischen Anspruchsgrundlagen aber unverändert bleiben. Da somit weder der Widerspruch des Beklagten noch der Antrag ON 31 unzulässig gewesen seien, müßten die Beschlüsse ON 13 und ON 32 ersatzlos aufgehoben werden.
Gegen den angefochtenen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die erstgerichtlichen Beschlüsse wiederherzustellen, hilfsweise den Rekursen der Beklagten nicht Folge zu geben.
Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Wie das Rekursgericht insoweit richtig erkannt hat, fehlt es an der für die Zulässigkeit jedes Rechtsmittels erforderlichen Beschwer des Rechtsmittelwerbers, wenn das Rechtsmittel seinen eigentlichen Zweck, die Rechtswirkungen der bekämpften Entscheidung durch deren Abänderung oder Aufhebung zu verhindern oder zu beseitigen, nicht mehr erreichen kann; eine bloße abstrakt-theoretische Bedeutung der Rechtsmittelentscheidung kann die Beschwer schon deshalb nicht begründen, weil es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, über nur noch theoretisch bedeutsame Fragen abzusprechen (SZ 49/22; SZ 53/86; RZ 1974, 47; JBl 1976, 438
uva). Daß nach der rechtskräftigen Aufhebung der einstweiligen Verfügung dem Widerspruch der Beklagten nicht mehr stattgegeben werden kann, ist unbestritten; die erforderliche Beschwer der Beklagten kann aber entgegen der Meinung des Rekursgerichtes auch nicht damit begründet werden, daß bei Aufrechterhaltung der Beschlüsse ON 13 und ON 32 ein Zuspruch der Kosten des Widerspruches und des Antrages ON 31 im Verfahren nach § 394 EO ausgeschlossen wäre:
Zu den durch die einstweilige Verfügung verursachten Vermögensnachteilen, welche die gefährdete Partei unter den Voraussetzungen des § 394 Abs 1 EO ihrem Gegner zu ersetzen hat, gehören nach ständiger Rechtsprechung insbesondere auch die dem Antragsgegner entstandenen Verfahrenskosten (SZ 26/201 uva; ebenso Heller-Berger-Stix, Komm. z. EO 4 III 2864), soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (§§ 41 ff ZPO) im Provisorialverfahren notwendig waren (SZ 50/104 = EvBl 1978/55 = ÖBl 1978, 52; ebenso schon EvBl 1935/590; iglS Heller-Berger-Stix aaO). Da also nur solche Kosten Gegenstand eines Ersatzanspruches nach der angeführten Gesetzesstelle sein können, die dem Gegner der gefährdeten Partei nicht schon im Sicherungsverfahren selbst endgültig zu- oder aberkannt worden sind, sind die Kosten eines zurückgezogenen, zurückgewiesenen oder erfolglos gebliebenen Antrages, Rechtsmittels oder sonstigen Rechtsbehelfs im Verfahren nach § 394 Abs 1 EO regelmäßig nicht zu ersetzen (EvBl 1935/590; Heller-Berger-Stix aaO). Das Rekursgericht hat jedoch übersehen, daß eine solche Kostenentscheidung im Provisorialverfahren diesmal nicht vorliegt: Der Beschluß des Erstgerichtes vom 15.Jänner 1981 (ON 13), mit welchem der Widerspruch der Beklagten gegen die einstweilige Verfügung vom 13. November 1980 mangels der Voraussetzungen des § 397 Abs 1 EO zurückgewiesen wurde, ist dem Beklagtenvertreter erst am 12. Juni 1985 zugestellt worden; er war also im Zeitpunkt der rechtskräftigen Beendigung des Sicherungsverfahrens (10.Juni 1985) der Beklagten gegenüber noch gar nicht rechtswirksam geworden (§ 426 Abs 3 ZPO; Fasching, Lehrbuch 739 RN 1597) und steht daher schon aus diesem Grund einer Geltendmachung der Widerspruchskosten nach § 394 Abs 1 EO nicht entgegen. Ob der Widerspruch der Beklagten gegen die einstweilige Verfügung vom 13.November 1980 "zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig", also nicht nur nach § 397 Abs 1 EO zulässig, sondern auch sachlich berechtigt war, wird erst im Verfahren nach § 394 Abs 1 EO - ohne Bindung an den Zurückweisungsbeschluß ON 13 - als Vorfrage zu beurteilen sein. Das gleiche gilt für die Kosten des Fortsetzungsantrages ON 31, dessen Zurückweisung durch den Beschluß ON 32 nach der Aktenlage allein auf der irrigen Annahme des Erstgerichtes beruhte, die vom Beklagten beantragte Entscheidung über den Widerspruch sei schon längst ergangen und der Beklagten gegenüber rechtskräftig geworden. Bei dieser Sachlage war dem Revisionsrekurs der Klägerin Folge zu geben und der angefochtene Beschluß dahin abzuändern, daß die Rekurse gegen die erstgerichtlichen Beschlüsse ON 13 und ON 32 mangels Beschwer der Beklagten als unzulässig zurückgewiesen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50, 52 ZPO in Verbindung mit §§ 78, 402 Abs 2 EO.
Anmerkung
E08016European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0040OB00385.85.0408.000Dokumentnummer
JJT_19860408_OGH0002_0040OB00385_8500000_000