TE OGH 1986/4/9 1Ob507/86

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Veröffentlicht am 09.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Verlassenschaftssache Anna K***, verstorben am 13. März 1985, infolge Revisionsrekurses der Astrid H***, Beamtin, Telfs, Saglweg 19, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 27. November 1985, GZ 2 b R 241/85-29, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 17. Oktober 1985, GZ 3 A 182/85-26, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Anna K*** ist am 13.3.1985 verstorben. Sie hinterließ zwei eigenhändige Testamente vom 17.7.1983 und vom 3.2.1979. In beiden Testamenten setzte sie zwar ihren Bruder Siegmund H*** als Alleinerben ein, im Testament vom 17.7.1983 vermachte sie aber der Rekurswerberin die Eigentumswohnung EZ 1970 II KG Hötting, Innsbruck, Ampfererstraße 42, samt Inventar. Am 25.6.1985 fand in der Kanzlei des Gerichtskommissärs eine Tagsatzung zur Verlassenschaftsabhandlung statt. Nach dem Inhalt des darüber aufgenommenen Protokolls, das von Siegmund H*** und der Rekurswerberin, nicht aber vom Gerichtskommissär unterfertigt worden war, wurde von Siegmund H*** das Testament vom 17.7.1983 dem Inhalt und der Form nach als rechtswirksam anerkannt; Siegmund H*** gab nach Belehrung über die verschiedenen Arten und Wirkungen der Erbserklärungen die unbedingte Erbserklärung ab. In der Tatsatzung vom 23.7.1985 bestritt Siegmund H*** aber die Gültigkeit des Testamentes vom 17.7.1983. Es bestünden Zweifel, ob die Erblasserin dieses Testament unbeeinflußt errichtet habe. Außerdem habe sich die Erblasserin vertraglich verpflichtet, ihm die Wohnung zu überlassen. Das Erstgericht stellte fest, daß zum erblasserischen Nachlaß keine Erbserklärung abgegeben worden sei, ordnete die Versiegelung der Eigentumswohnung der Erblasserin an und wies den Antrag der erblasserischen Nichte Astrid H***, ihr eine Amtsurkunde zur Verbücherung der ihr vermachten Eigentumswohnung auszustellen ab. Es stellte fest, daß entgegen dem Inhalt des vor dem Gerichtskommissär am 25.6.1985 aufgenommenen aber von diesem nicht unterfertigten Protokoll, Siegmund H*** seine Erbserklärung tatsächlich nicht abgegeben habe. Das Protokoll über die Abhandlungstagsatzung sei bereits auf einer Textspeichermaschine vorbereitet gewesen. Die Unterfertigung des Protokolles durch den Gerichtskommissär sei deshalb unterblieben, weil der Gerichtskommissär habe feststellen müssen, daß das vorbereitete Protokoll mit den Ergebnissen der Abhandlungstagsatzung nicht übereingestimmt habe.

Rechtlich ging es davon aus, daß die unrichtige Protokollierung keine Wirkungen entfalten könne. Da der erblasserische Bruder die Gültigkeit des Testamentes vom 17.7.1983 bezweifle, könne derzeit eine Amtsurkunde nach § 178 AußStrG nicht ausgestellt werden. Die Versiegelung des Nachlasses sei nach § 38 AußStrG anzuordnen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Astrid H*** nicht Folge. Ihre Rekurslegitimation sei zwar auch insoweit zu bejahen, als sie die Feststellung des Erstgerichtes, es sei keine Erbserklärung abgegeben worden, bekämpfe. Ein Vermächtnisnehmer sei dann Beteiligter des Verlassenschaftsverfahrens, wenn durch eine Verfügung des Verlassenschaftsgerichtes unmittelbar in seine Vermögensrechte eingegriffen werde. Siegmund H*** vertrete unter anderem den Standpunkt, daß die Verlassenschaft nicht ausreiche, um die Verbindlichkeiten abzudecken. Demnach wäre nach § 692 ABGB ein verhältnismäßiger Abzug von den Legaten vorzunehmen; dieser Einwand würde auch die Ausstellung einer Bestätigung nach § 178 AußStrG verhindern. Sollte aber eine unbedingte Erbserklärung abgegeben worden sein, könne sich der erbserklärte Erbe nicht mehr darauf berufen, daß die Verlassenschaft nicht ausreiche. Daraus folge, daß durch die Entscheidung, wonach keine Erbserklärung vorliege, tatsächlich in die Rechte der Vermächtnisnehmerin eingegriffen werde. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes habe aber der erblasserische Bruder eine Erbserklärung tatsächlich nicht abgegeben. Die Ausstellung einer Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG könne dann nicht erfolgen, wenn die Erben die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung ernstlich bestritten haben; der Vermächtnisnehmer müsse dann sein Recht im Rechtsweg durchsetzen. Eine solche ernsthafte Bestreitung der Gültigkeit des Kodizills liege vor. Da eine Einigung darüber, daß die Rekurswerberin über die Eigentumswohnung der Verstorbenen verfügen könne, nicht aktenkundig sei, sei auch die Versiegelung des Nachlasses zu Recht angeordnet worden.

Rechtliche Beurteilung

Der ao. Revisionsrekurs der Vermächtsninehmerin Astrid H*** ist unzulässig.

Da es sich um einen bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes handelt, ist die Rekurswerberin auf die im § 16 AußStrG genannten Rekursgründe der offenbaren Gesetz- und Aktenwidrigkeit und der Nullität beschränkt. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach einhelliger Rechtsprechung dann vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß ein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers nicht aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (EFSlg. 47.208, 44.642; GesRZ 1983, 218; JBl 1982, 606; SZ 44/180 uva) oder die Entscheidung mit den Grundprinzipien des Rechtes im Widerspruch steht (EFSlg. 47.208, 44.647 uva). Die Beweiswürdigung und die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen sind im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses nicht bekämpfbar (EFSlg. 47.206, 44.640, 44.638 uva). Der Rekurswerberin ist es daher verwehrt, unter Hinweis auf ihre eigene Aussage die Feststellung zu begehren, das Protokoll über die Abhandlungstagsatzung wäre nicht vorbereitet gewesen, es sei vielmehr in Anwesenheit aller Beteiligten vom Gerichtskommissär diktiert und sodann von ihr und von Siegmund H*** unterfertigt worden.

Ein einfacher Verfahrensmangel, so etwa die Rüge, es seien nicht alle Auskunftspersonen einvernommen worden, stellt keine Nullität dar (EFSlg. 47.240, 44.682 uva). Gemäß § 9 Abs 1 Gerichtskommissärsgesetz hat der Notar bei seiner Tätigkeit die für die Gerichte geltenden gesetzlichen Vorschriften sinngemäß anzuwenden. Nach § 215 ZPO ist aber auch gegen ein gerichtliches Protokoll als eine öffentliche Urkunde gemäß § 292 Abs 2 ZPO der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des protokollierten Vorganges zulässig (SZ 48/5; EvBl 1964/281 ua, Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 953). Geht man von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, kann die Beurteilung der Vorinstanzen, ein vom Gerichtskommissär nicht unterfertigtes Protokoll, das tatsachenwidrig die Abgabe einer unbedingten Erbserklärung enthält, entspreche ungeachtet der Unterfertigung durch den Erben nicht den Erfordernissen des § 122 AußStrG, nicht offenbar gesetzwidrig sein. Auch soweit die Vorinstanzen die Versiegelung des Nachlasses anordneten, kann die Revisionsrekurswerberin nicht beschwert sein. Durch die Versiegelung einer Wohnung kann ein Dritter nur dann beschwert sein, wenn er Rechte an der Wohnung des Erblassers behauptet, die schon zum Zeitpunkt des Todes bestanden haben (EFSlg. 42.411; SZ 42/134). Solche Rechte behauptete die Revisionsrekurswerberin, die ursprünglich selbst die Versiegelung der Wohnung beantragte, nicht.

Was die Ausstellung einer Amtsurkunde nach § 178 AußStrG betrifft, liegt die von der Rechtsmittelwerberin behauptete offenbare Gesetzwidrigkeit ebenfalls nicht vor. In einer Phase des Verlassenschaftsverfahrens, in dem weder eine Erbserklärung abgegeben noch ein Verlassenschaftskurator bestellt wurde, ist der von der Rechtsmittelwerberin gestellte Antrag auf Ausstellung einer Amtsurkunde verfrüht.

Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

Anmerkung

E07978

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00507.86.0409.000

Dokumentnummer

JJT_19860409_OGH0002_0010OB00507_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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