Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma D*** & P***, Gesellschaft mbH, Wien 3., Arsenal, Objekt 12, vertreten durch Dr. Robert Amhof und Dr. Heinz Damian, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Herausgabe (Streitwert S 350.000,--) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 21. November 1985, GZ 17 R 119/85-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 8. März 1985, GZ 6 Cg 283/84-7, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.617,85 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten S 514,35 Umsatzsteuer und S 960,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Begründung:
Am 2. April 1981 wurde eine an die klagende Partei adressierte, aus den USA stammende Sendung von Zeitschriften zum Teil beschlagnahmt. Mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom Schöffengerichtes vom 9. März 1982, 1 b Vr 619/81-18, wurde gemäß § 33 Abs 2 MedienG im selbständigen Verfahren auf Einziehung der den Gegenstand dieser Klage bildenden Druckwerke erkannt, weil durch deren in gewinnsüchtiger Absicht versuchte Einfuhr nach Österreich der objektive Tatbestand des Vergehens nach § 15 StGB, § 1 Abs 1 lit b PornG hergestellt worden sei. Die klagende Partei hatte sich als Einziehungsbeteiligte in erster Instanz am Verfahren beteiligt. Ihre gegen das Einziehungserkenntnis gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 5. Mai 1983, 13 Os 90/82, EvBl 1984/32, zurückgewiesen. Der Oberste Gerichtshof führte aus, § 444 Abs 1 StPO sei in einem Verfahren nach § 41 Abs 1 MedienG nicht anwendbar. Nach § 41 Abs 5 MedienG sei nur der Medieninhaber zur Hauptverhandlung zu laden, die klagende Partei sei aber als Importeur der Druckwerke nicht Medieninhaber im Sinne des § 1 Abs 1 Z 8 MedienG. Unbeschadet dessen stehe es ihr in allfälliger Verfolgung eines Rechtes auf die eingezogenen Exemplare frei, ihre Ansprüche auf diese Gegenstände oder deren Kaufpreis noch binnen 30 Jahren nach der Entscheidung gegen den Bund im Zivilrechtsweg, für den, weil es um eine Entscheidung gehe, die zwar von dem Beweis, nicht aber von der Zurechnung einer strafbaren Handlung abhänge, keine Bindung gemäß § 268 ZPO bestehe, geltend zu machen (§ 444 Abs 2 StPO); der Regelungsinhalt des § 41 Abs 1 und 5 MedienG schließe für seinen Bereich nur die Anwendung des § 444 Abs 1 StPO, nicht aber die des § 444 Abs 2 StPO aus.
Die klagende Partei begehrt die Herausgabe der im Einziehungserkenntnis angeführten Magazine, in eventu den Zuspruch des Betrages von S 350.000 s.A. Unter Zitierung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 5. Mai 1983, 13 Os 90/82, erklärt sie ausdrücklich, keinen Amtshaftungsanspruch geltend zu machen. Sie begehre die sachenrechtliche Herausgabe der zufolge Rechtswidrigkeit des Einziehungserkenntnisses nach wie vor in ihrem Eigentum stehenden Exemplare der Druckschriften.
Die beklagte Partei erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges; es könnte nur ein Amtshaftungsanspruch gegeben sein, ein Aufforderungsverfahren sei nicht eingeleitet worden. Das Erstgericht erklärte seine Unzuständigkeit, hob das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Würden Behörden in Vollziehung der Gesetze im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig, könne ein zivilrechtlicher Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn ihn eine gesetzliche Bestimmung gewähre. Nach dem Vorbringen in der Klage sei die Beschlagnahme der Druckwerke durch Organe der Zollbehörde in Ausübung der Vollziehung der Gesetze, also im Rahmen der Hoheitsverwaltung, erfolgt. Die Geltendmachung der Forderung im ordentlichen Rechtsweg sei der klagenden Partei daher untersagt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteige; das Verfahren sei erst nach Rechtskraft des Beschlusses fortzusetzen. Die Einziehung der Druckwerke mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien sei im Rahmen der Hoheitsverwaltung erfolgt. Soferne daraus Schadenersatzansprüche abgeleitet würden, könnten sie nur im Rahmen der Amtshaftung geltend gemacht werden. Zu prüfen sei, ob Sonderbestimmungen der klagenden Partei das Recht einräumten, unabhängig von einem Organverschulden privatrechtliche Ansprüche im Zivilrechtsweg durchzusetzen. Hiefür kämen die Bestimmungen der §§ 379 und 444 StPO in Frage. § 444 Abs 2 StPO räume Personen, die Rechte an den eingezogenen Gegenständen behaupteten und die ihr Recht erst nach Rechtskraft der Entscheidung über den Verfall oder die Einziehung geltend machten, die Möglichkeit ein, ihre Ansprüche binnen 30 Jahren nach der Entscheidung gegen den Bund im Zivilrechtsweg geltend zu machen. Diese rechtliche Möglichkeit sei vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde der klagenden Partei im Einziehungsverfahren ausdrücklich bejaht worden. Der klagenden Partei sei im konkreten Verfahren durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes die Beteiligung am Einziehungsverfahren verwehrt worden, so daß sie nur die Möglichkeit habe, nach Rechtskraft der Entscheidung über die Einziehung ihre Ansprüche im Zivilrechtsweg nach § 444 Abs 2 StPO geltend zu machen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges sind in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Entscheidend ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ohne Einfluß ist es, was die beklagte Partei einwendet oder ob der behauptete Anspruch auch begründet ist. Es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein Anspruch geltend gemacht wird, über den die Zivilgerichte zu entscheiden haben (RZ 1985/78; JBl 1985, 370; JBl 1985, 240; SZ 47/40 uva.). Die klagende Partei hat ausdrücklich erklärt, keinen Amtshaftungsanspruch zu erheben. Sie stützte demnach ihr Klagebegehren nicht darauf, daß die erfolgte Beschlagnahme rechtswidrig und schuldhaft erfolgt sei. Sie macht in erster Linie auch keinen Geldersatz geltend. Der Rechtsgrund, auf den sie ihr Herausgabebegehren stützt, ist vielmehr das von ihr behauptete Eigentum an den eingezogenen Druckwerken. Nach § 444 Abs 2 StPO steht es Personen, die ein Recht auf die von der Einziehung betroffenen Sachen behaupten, wenn sie ihre Rechte erst nach Rechtskraft der Entscheidung über die Einziehung geltend machen, frei, ihre Ansprüche auf den Gegenstand oder dessen Kaufpreis binnen 30 Jahren nach der Entscheidung gegen den Bund im Zivilrechtsweg geltend zu machen. Nach der RV, 934 BlgNR 13. GP 37, ist Voraussetzung für die Erhebung von Zivilrechtsansprüchen solcher Personen, daß sie erst nachträglich von der bereits rechtskräftigen Einziehung des Gegenstandes erfahren oder sich sonst nicht am Verfahren beteiligt haben. Einem Nichtbeteiligten gleichzuhalten ist - entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen
Ansicht - derjenige, der sachenrechtliche Ansprüche an den eingezogenen Gegenständen behauptete, sich aber aus rechtlichen Gründen am Einziehungsverfahren oder auch nur am Rechtsmittelverfahren gegen ein Einziehungserkenntnis nicht beteiligen durfte. Solche rechtlichen Gründe führten zur Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde der klagenden Partei mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 5. Mai 1983, 13 Os 90/82. Der Rechtsweg für ihren Anspruch ist der klagenden Partei dann durch die Bestimmung des § 444 Abs 2 StPO eröffnet. Soweit auch aus einem Verhalten in Vollziehung der Gesetze davon unabhängige Ansprüche geltend gemacht werden können, können sie ohne Rücksicht auf die Verfahrensbestimmungen des Amtshaftungsgesetzes eingeklagt werden (Loebenstein-Kaniak, AHG 2 229). Gewiß hat die Entscheidung EvBl 1984/31 auch dem Eigentümer der von der Einziehung betroffenen Sache die Rechtsstellung eines Einziehungsberechtigten nach § 444 Abs 1 StPO eingeräumt und sind Hartmann-Rieder, Kommentar zum MedienG 236, dieser Auffassung beigetreten. Für die Zulässigkeit des Rechtsweges im vorliegenden Fall kann aber nur von Bedeutung sein, daß der klagenden Partei die Rechte des § 444 Abs 1 StPO durch das Strafgericht verweigert wurden; § 444 Abs 2 StPO muß dann zum Tragen kommen. Die klagende Partei macht auch keine Haftung des Staates, sondern einen von der Strafprozeßordnung ausdrücklich eingeräumten Eigentumsanspruch geltend, für dessen Verfolgung das Amtshaftungsverfahren nicht vorgesehen ist.
Dem Revisionsrekurs ist der Erfolg zu versagen.
Bei der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges handelt es sich um einen selbständigen Zwischenstreit (EvBl 1947/511; 1 Ob 596/82; Fasching, Kommentar II 362). Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50, 52 ZPO.
Anmerkung
E07979European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00003.86.0409.000Dokumentnummer
JJT_19860409_OGH0002_0010OB00003_8600000_000