Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10.April 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jagschitz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heinrich F*** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts St. Pölten als Schöffengerichts vom 18.Dezember 1985, GZ 16 Vr 968/85-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Rzeszut, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Lukesch zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Heinrich F*** gegen das oben bezeichnete Urteil, mit dem er des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1, erster Fall, StGB schuldig erkannt worden war, wurde mit dem Beschluß des Obersten Gerichtshofs vom 20.März 1986, GZ 13 Os 46/86-6, dem der maßgebende Sachverhalt zu entnehmen ist, bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen.
Gegenstand des Gerichtstags war die Berufung des Angeklagten. Das Schöffengericht verhängte über Heinrich F*** nach § 207 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Dabei war erschwerend nichts, mildernd hingegen die Unbescholtenheit des Angeklagten, zumal die aufscheinenden Vorstrafen tilgbar seien (S. 109). Eine bedingte Strafnachsicht lehnte das Gericht ab, weil einer solchen - wie bei allen Verbrechensdelikten gegen die Sittlichkeit - neben generalpräventiven Erwägungen vorliegend vor allem spezialpräventive Bedenken entgegenstehen, wozu auf die Täterpersönlichkeit zu verweisen sei.
Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte in Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung eine Reduzierung des Strafmaßes und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht.
Rechtliche Beurteilung
Es ist dem Angeklagten zuzugeben, daß die letztlich vom Schuldspruch erfaßte Unzuchtshandlung nicht sonderlich gravierend ist. Das Schöffengericht hat aber auch nur die gesetzliche Mindeststrafe über ihn verhängt. Die vom Berufungswerber für sich in Anspruch genommene außerordentlichen Strafmilderung verlangt u.a. die begründete Aussicht auf das künftige Wohlverhalten des Täters. Bei dieser Zukunftsprognose ist die voraussichtliche Wirkung der ins Auge gefaßten Strafe mitzuberücksichtigen (Leukauf-Steininger 2 § 41 StGB RN. 6). Das (aus den sichergestellten Gegenständen, S. 73, hervortretende) Interesse des Angeklagten an sexuellen Stimulantien legt im Zusammenhang mit der verpönten Annäherung an eine Umündige nahe, daß nur die Androhung einer die gesetzliche Mindeststrafe nicht unterschreitenden Freiheitsstrafe die im § 41 StGB geforderte Aussicht auf ein künftiges Wohlverhalten des Angeklagten gewährt. Bemerkt sei lediglich noch, daß das Erstgericht die Vorliebe des Angeklagten für pornographische Filme keineswegs in einer diesen moralisch abqualifizierenden Weise zur Sprache gebracht hat, sondern als eines der Indizien im Rahmen seiner den Schuldspruch stützenden Argumente (S. 108). Der Vorwurf, das Erstgericht hänge verstaubten Moralbegriffen an (S. 117), geht daher fehl. Soweit sie eine Reduzierung des Strafmaßes begehrt, bleibt der Berufung daher ein Erfolg versagt.
Berechtigt erweist sie sich hingegen, soweit sie die bedingte Strafnachsicht anstrebt. Hier kommt die auf Grund der dem Obersten Gerichtshof vorliegenden Unterlagen (wie schon vom Erstgericht) angenommene Unbescholtenheit des Angeklagten und das längere Zurückliegen der Tat (Tatzeit April 1983) zur Auswirkung, sodaß gerade spezialpräventive Gesichtspunkte keine Vollziehung der Freiheitsstrafe gebieten. Verfehlt wäre es, bei Sittlichkeitsdelikten aus generalpräventiven Gründen generell eine bedingte Strafnachsicht zu versagen. Kommt es doch jeweils sehr entscheidend auf die Art der Straftaten an, die vom Unrechts- und damit auch Schuldgehalt her gesehen sehr verschieden sein können. Die Verfehlung des Angeklagten hält sich eher im unteren Bereich vergleichbarer Kriminalität. Es stehen daher auch generalpräventive Rücksichten der begehrten Maßnahme nicht entgegen.
Anmerkung
E08095European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00046.86.0410.000Dokumentnummer
JJT_19860410_OGH0002_0130OS00046_8600000_000