TE OGH 1986/4/10 13Os41/86

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Veröffentlicht am 10.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.April 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jagschitz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johannes Anton LAA wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1 StGB. und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 7.November 1985, GZ. 9 d Vr 6116/85-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Über die Berufung wegen Strafe wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Der am 10.Dezember 1948 geborene Johannes Anton LAA wurde des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1 StGB. (I) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. (II) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien (I) zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr 1985 Anton H*** durch gefährliche Drohung, nämlich die Androhung von Schlägen, wobei er den Ring eines Kletterseils an einem Finger hatte, mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung zu einer diesen am Vermögen schädigenden Handlung zu nötigen versucht, indem er von H*** die Übergabe eines Betrags von 100 S forderte, und (II) am 3.April 1985 Johann L*** durch Schläge und Fußtritte gegen den Körper vorsätzlich verletzt (eine blutende Wunde und Schwellungen im Bereich des linken Auges). Den Schuldspruch wegen versuchter Erpressung bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4 und 5 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die über ihn verhängte Freiheitsstrafe mit Berufung. Darüber hinaus hatte der Angeklagte das - den Prozeßgesetzen gegen Urteile der Kollegialgerichte fremde und daher zurückzuweisende - Rechtsmittel der Berufung wegen Schuld (bloß) angemeldet (s.S. 184).

Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. rügt der Beschwerdeführer, daß dem von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung "zum Beweis für seine Unschuldigkeit" (S. 160/161) gestellten Antrag auf Vernehmung jenes Polizeibeamten, der ihn am 1. April 1985 am Wachzimmer Stephansplatz vernommen hat, nicht entsprochen wurde. Auf Grund des Zusammenhangs und (vor allem) der Behandlung des Antrags - entgegen der Vorschrift des § 238 Abs. 2 StPO. erst - im Urteil (S. 174/175) ist dem Beweisantrag der Sinn zu unterlegen, daß H*** schon bei seiner polizeilichen Befragung am 1.April 1985 (durch den selben Beamten, der auch den Angeklagten vernahm) Gelegenheit gehabt hätte, den dem Schuldspruch I zugrunde liegenden Vorfall zu schildern.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge schlägt nicht durch.

Insoweit der Nichtigkeitswerber mit dem Beweisantrag die Unglaubwürdigkeit des Zeugen H*** unter Beweis stellen wollte, ist ihm zu entgegnen, daß das Schöffengericht diesen von ihm persönlich vernommenen Zeugen ohnehin als wenig glaubwürdig bezeichnete (S. 170/171; 172) und die wesentlichen Urteilsfeststellungen zur versuchten Erpressung auf Grund der - in freier Beweiswürdigung für glaubwürdig erachteten - Angaben des Zeugen Horst B*** traf (S. 171/172). Mithin erweist sich der Beweisantrag als unerheblich. Dazu kommt, daß ein genauer, wohl aber im Frühjahr 1985 gelegener Tatzeitpunkt gar nicht ermittelt werden konnte, sodaß auch nicht feststeht, ob sich das Tatgeschehen (I) vor, am oder nach dem 1. April 1985 ereignet hat. Darauf wies das Erstgericht bei Behandlung des Beweisantrags (wie schon angeführt, erst in den Urteilsgründen - s. abermals S. 174/175) zutreffend hin. Der hier unterlaufene Verstoß gegen die Vorschrift des § 238 Abs. 2 StPO. begründet für sich allein - der in der Beschwerde vertretenen Meinung zuwider - keine Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. Wenn nämlich - wie im vorliegenden Fall - trotz Unterlassens der Protokollierung eines Zwischenerkenntnisses eindeutig beurteilt werden kann, daß durch das Unterbleiben einer beantragten Beweisaufnahme Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt wurden, scheidet eine Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. aus, ob nun die Vorschrift des § 238 Abs. 2 StPO. verletzt wurde oder nicht. Dazu kommt, daß hier die Beschlußfassung über den Beweisantrag widerspruchslos vorbehalten (s.S. 161) und die Begründung für die Unterlassung der beantragten Beweisaufnahme in den Urteilsgründen ohnehin nachgetragen wurde (vgl. u.a. Mayerhofer-Rieder 2 Nr. 1 bis 3 zu § 238 StPO. und Nr. 70 zu § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO.).

In seiner Mängelrüge verweist der Beschwerdeführer auf einen Widerspruch in den Angaben des - wie schon erwähnt, vom Schöffengericht als glaubwürdig beurteilten - Zeugen Horst B***, auf den das Erstgericht bei Begründung der Glaubwürdigkeit des genannten Zeugen nicht (ausdrücklich) einging. Vor dem Untersuchungsrichter sprach der Zeuge B*** am 14.Juni 1985 von mehreren Geldforderungen des Angeklagten gegenüber H*** (S. 60), in der Hauptverhandlung am 3.Oktober 1985 nur von einem solchen (drohenden) Verlangen (S. 145).

Dem ist zu erwidern, daß B*** sowohl beim Untersuchungsrichter als auch in der Hauptverhandlung Angaben über den von der Anklageschrift erfaßten Vorfall machte. Weitere (erpresserische) Geldforderungen waren nicht Gegenstand der Anklage und damit auch nicht der Hauptverhandlung und des Urteils. Hatte der - anwaltlich vertretene - Angeklagte dem nunmehr behaupteten Widerspruch in den Angaben des Zeugen B*** vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung Bedeutung beigemessen, so wäre es seine Aufgabe gewesen, durch geeignete Fragen - und allenfalls eine weitere Antragstellung - zur Aufklärung oder näheren Untersuchung des Widerspruchs beizutragen. Wenn ferner B*** vor dem Untersuchungsrichter von wiederholten Drohungen sprach (S. 60) und in der Hauptverhandlung dazu angibt, "es selber nur einmal gehört zu haben" (S. 145), schließt das nicht aus, daß er von weiteren Drohungen durch H*** informiert worden war, was sich auch eindeutig aus den Urteilsgründen ergibt, wo die Glaubwürdigkeit dieser Informationen für B*** erörtert wird (S. 171/172). Der behauptete Widerspruch liegt daher in Wahrheit nicht vor.

Wegen des im Nichtigkeitsverfahren bestehenden Neuerungsverbots kann auf einen vom Beschwerdeführer erst im Rechtsmittel erwähnten, gar nicht aktenkundigen, erst nach Urteilsfällung in erster Instanz entstandenen und daher nicht den Gegenstand der Hauptverhandlung bildenden, in der Dezemberausgabe einer Zeitschrift veröffentlichten Artikel über das Bettlermilieu, in dem angeblich auch auf die Zeugen B*** und H*** Bezug genommen wird, nicht Bedacht genommen werden. Aus den aufgezeigten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet (wie auch die Schuldberufung: siehe oben) schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO.).

Für die Erledigung der Berufung wird mit abgesonderter Verfügung ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung angeordnet werden (§ 296 Abs. 3 StPO.).

Anmerkung

E08099

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00041.86.0410.000

Dokumentnummer

JJT_19860410_OGH0002_0130OS00041_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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