Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1.) Dr. med. Georg G***, Arzt, 2.) Mag. Stefanie G***, Apothekerin, beide Wien 19., Döblinger Hauptstraße 60, beide vertreten durch Mag. Walter K***, Sekretär der Mietervereinigung Österreichs, Wien 18., Gentzgasse 45, wider den Antragsgegner S*** E*** Vaduz, Liechtenstein, vertreten durch Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs.1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 17. Dezember 1985, GZ. 41 R 1252/85-9, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 4. Oktober 1985, GZ. 5 Msch 40/85-6, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragsteller sind aufgrund des Mietvertrages vom 4.6.1962 Mieter der 286 m 2 großen Kategorie B-Wohnung top.Nr.3 in dem dem Antragsgegner gehörenden Haus Wien 19., Döblinger Hauptstraße 60. Der Jahresfriedenszins 1914 dieser Wohnung beträgt 4.100 Kronen. Gemäß § 3 Z 3 des Mietvertrages ist nach Abänderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung ein neu zu vereinbarender Mietzins zu zahlen. Gemäß § 17 des Mietvertrages wurde ein Zuschlag von 1 S je Friedenskrone zum gesetzlichen Hauptmietzins vereinbart. Mit rechtskräftigem Sachbeschluß vom 19.12.1983, 5 Msch 15/82-19, stellte das Erstgericht fest, daß hinsichtlich der gegenständlichen Wohnung ab dem 1.5.1982 die Einhebung eines Erhaltungsbeitrages von 2.462,66 S monatlich zuzüglich zum bisherigen Hauptmietzins von 683,34 S zulässig ist.
Gestützt auf § 3 Z 3 des Mietvertrages und die zu 2 Ob 513/84 ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes schrieb der Antragsgegner den Antragstellern zum 1.6.1984 einen Hauptmietzins von 4.194 S und ab dem 1.7.1984 unter Zugrundelegung der Nutzfläche von 286 m 2 und der Wohnungskategorie B einen monatlichen Hauptmietzins von 5.234 S vor.
Nachdem die Entscheidung der Schlichtungsstelle durch Anrufung des Erstgerichtes seitens des Antragsgegners außer Kraft getreten war, stellte das Erstgericht mit Sachbeschluß fest, daß der Antragsgegner den Antragstellern gegenüber durch die Einhebung von 4.194 S anstelle von 3.489,20 S als Hauptmietzins zuzüglich Erhaltungsbeitrag zum Zinstermin 1.6.1984 das gesetzliche Zinsausmaß um 704,80 S und durch die Einhebung von 5.234 S anstelle von 3.489,20 S als Hauptmietzins zuzüglich Erhaltungsbeitrag zu den Zinsterminen 1.7.1984 bis einschließlich 30.6.1985 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um 20.937,80 S überschritten hat.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Da der Hauptmietzins im vorliegenden Fall bereits bei Mietvertragsabschluß zulässigerweise frei vereinbart worden sei, habe das Mietrechtsgesetz hier nicht zu einer Abänderung der gesetzlichen Mietzinsbildungsvorschriften geführt. Selbst wenn der Hauptmietzins bei Mietvertragsabschluß nicht frei vereinbart worden wäre, würde § 3 Z 3 des Mietvertrages nicht dazu ausreichen, den Hauptmietzins ohne Willenseinigung der Parteien zu erhöhen, weil diese Mietvertragsklausel keinen Anhaltspunkt hinsichtlich der Höhe des neuen Hauptmietzinses enthalte.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners, der sich nur gegen den die Zinstermine 1.7.1984 bis 30.6.1985 betreffenden Überschreitungsausspruch des Erstgerichtes wendete, nicht Folge und erklärte den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es führte aus:
Gemäß § 16 Abs.2 und 3 MG in der zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses (4.6.1962) geltenden Fassung sei die Zinsvereinbarung von den Zinsbildungsvorschriften des Mietengesetzes ausgenommen gewesen, weil der Jahresmietzins für 1914 2.000 Kronen überstiegen habe. Hätte aber schon damals ein höherer als der gesetzliche Zins vereinbart werden können, so wäre die fomularmäßige Anpassungsklausel schon bei ihrem Abschluß jeden sinnvollen Parteiwillens entkleidet gewesen. Überdies sei in wohl bewußter Kenntnis der zu diesem Zeitpunkt freien Mietzinsvereinbarung ohnehin ein Zuschlag von 1 S je Friedenskrone zum gesetzlichen Hauptmietzins vereinbart worden. Damit sei aber schon damals die dem Parteiwillen zugrunde liegende Klausel ausgenützt worden.
Mögen auch nach der Rechtsprechung schon vor dem Zeitpunkt einer Lockerung oder Liberalisierung der Mietzinsbildungsvorschriften für den Fall des Wegfalles oder der Aufhebung des Verbotes einer freien Mietzinsvereinbarung geschlossene Vereinbarungen als zulässig anzusehen seien, wenn das gesetzliche Verbot nur die Zeit des Vertragsabschlusses erfasse, so müsse doch die Einigung über den aufschiebend bedingten zukünftigen Zins bereits im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses vorliegen, der vereinbarte freie Zins also bestimmt oder objektiv bestimmbar sein. Diese Voraussetzung sei in der Rechtsprechung dann bejaht worden, wenn im Vertrag als zukünftiger Zins ein unter Bedachtnahme auf Vergleichsobjekte angemessener Mietzins, ein volkswirtschaftlich gerechtfertigter Mietzins, ein ortsüblicher Mietzins oder der höchstzulässige Mietzins angeführt worden seien (MietSlg.36.131). Die vorliegende Vertragsbestimmung, mit welcher sich die Antragsteller verpflichtet hätten, nach Abänderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung einen (nicht näher umschriebenen) neu zu vereinbarenden Mietzins zu zahlen, entspreche diesen Anforderungen an die objektive Bestimmbarkeit eines aufschiebend bedingten zukünftigen Mietzinses nicht.
Ob die vorliegende vertragliche Vereinbarung aber als ausreichend bestimmbar angesehen werden könnte, um die Antragsteller für verpflichtet zu halten, einer Abänderung ihres Vertrages in Richtung ihrer Verpflichtung zur Zahlung des Kategoriezinses ihrer Wohnung zuzustimmen, was der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen 1 Ob 633/85 und 2 Ob 670/84 grundsätzlich in einem ähnlich gelagerten Fall bejaht habe, könne hier dahingestellt bleiben, weil der Antragsgegner ein solches nur im streitigen Verfahren zu erledigendes Begehren nicht gestellt, sondern ohne Abschluß der im Mietvertrag vorgesehenen neuen Vereinbarung einseitig den Mietzins erhöht habe, wozu er aber nach den vorstehenden Erwägungen jedenfalls nicht berechtigt gewesen sei.
Der weitere Rekurs sei für zulässig zu erklären gewesen, weil die Frage, ob die vorliegende Vertragsklausel einen Vermieter ohne Abschluß einer neuen Vereinbarung zur einseitigen Anhebung des Mietzinses berechtige, von grundsätzlicher Bedeutung sei.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den bestätigenden Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners, der zwar zulässig, aber nicht berechtigt ist.
Der erkennende Senat hat bereits in mehreren Entscheidungen (5 Ob 107/85 = EvBl.1986/26, 5 Ob 113/85, 5 Ob 2/86, 5 Ob 15-17/86, 5 Ob 32/86 ua) zum Ausdruck gebracht, daß der Klausel, es sei nach Abänderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung ein neu zu vereinbarender Mietzins zu zahlen, - wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben - die erforderliche Bestimmbarkeit des zu vereinbarenden Mietzinses als Gültigkeitsvoraussetzung fehlt, weil darin in keiner Weise festgelegt worden ist, nach welchen Kriterien der Hauptmietzins bestimmbar sein solle. Es kann daher entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht gesagt werden, mit dieser Vertragsbestimmung sei bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine Einigung über den zukünftig zu zahlenden Mietzins vorgelegen. Am 1.1.1986 trat überdies das Bundesgesetz vom 12.12.1985 BGBl.559, mit welchem unter anderem das Mietrechtsgesetz geändert worden ist, in Kraft. Gemäß Abs.1 des durch dieses Gesetz in das Mietrechtsgesetz eingefügten § 16 a sind Vereinbarungen in einem vor dem 1.1.1982 geschlossenen Vertrag, die eine Erhöhung des Hauptmietzinses für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses vorsehen, rechtsunwirksam, wobei unter diesen Vereinbarungen auch solche zu verstehen sind, in denen sich der Mieter für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Mietzinses zum Abschluß einer neuen Mietzinsvereinbarung verpflichtet hat. Nach Art.IV Z 7 des Bundesgesetzes vom 12.12.1985 BGBl.559 ist § 16 a MRG auch auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen streitigen und außerstreitigen Verfahren anzuwenden. Damit wird, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals entschieden hat (6 Ob 660/85, 5 Ob 112/85, 8 Ob 633/85 uva), in eindeutiger Weise eine Rückwirkung des § 16 a MRG auf die dem genannten Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalte angeordnet (ebenso Rieder in der 120.Sitzung des NR, Sten.Prot. der
16. GP 10.626 rSp unten; ImmZ 1986, 28 Punkt 1 lit.d; Würth-Zingher, MRK'86,39 Anm.3 zu § 16 a MRG; Tschugguel in ÖJZ 1986,100 ff; noch weitergehend Zingher in ÖJZ 1986,97 ff; vgl. ferner Hanel in JBl.1986,162 ff).
Die vom Antragsgegner zitierten, Dauerrechtsverhältnisse betreffenden Entscheidungen (MGA 2 32 Entsch.Nr.13 und 14 zu § 5 ABGB) stehen dieser Auffassung nicht entgegen, weil sie nur in Ermangelung einer anderen Anordnung des Gesetzgebers gelten, die hier eben vorliegt. Auch die spezielle Regelung der Kostenfolgen in Art.IV Z 7 Satz 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 12.12.1985 BGBl.559 vermag an der dargelegten Rückwirkungsanordnung nichts zu ändern (vgl.dazu den Bericht des Justizausschusses, 800 BlgNR 16.GP 3, welcher darauf hinweist, daß auch noch im Verfahren zweiter und dritter Instanz die Klage unter Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen werden kann, daß dies analog auch im Rekursverfahren gilt und daß auch im Außerstreitrecht die Zurücknahme des verfahrenseinleitenden Antrages in jeder Lage des Verfahrens zulässig ist). Die von Iro in RdW 1986,37 f. geäußerte Rechtsansicht, Zinsanpassungsklauseln bzw. daran anknüpfende Mietzinsvereinbarungen seien nach § 16 a MRG generell, also auch in am 1.1.1986 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren, nur hinsichtlich der nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 12.12.1985 BGBl.559 liegenden Zinsperioden unwirksam, träfe nach Meinung des Obersten Gerichtshofes nur dann zu, wenn sich der Gesetzgeber auf die allgemeine Anordnung des Inkrafttretens des genannten Gesetzes mit 1.1.1986 (Art.IV Z 1) beschränkt und die spezielle Anordnung für die am 1.1.1986 noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (Art.IV Z 7) unterlassen hätte. Gegen diese spezielle Anordnung bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes keine Bedenken; es ist nicht unsachlich, im Bereich noch nicht rechtskräftig abgeschlossener Verfahren die Rückwirkung zwingender gesetzlicher Vorschriften zu normieren, eine Rückwirkung solcher Vorschriften auf rechtskräftig entschiedene Fälle aber nicht vorzusehen (vgl.dazu auch Hanel in JBl.1986,164).
Dadurch, daß § 16 a MRG außerhalb des Anwendungsbereiches des Art.IV Z 7 des Bundesgesetzes vom 12.12.1985 BGBl.559 erst am 1.1.1986 in Kraft getreten ist, wurden im Sinne der eingangs zitierten Rechtsprechung (EvBl.1986/26 u.a.) von Anfang an ungültige Zinsanpassungsklauseln wie die gegenständliche auch nicht bis zum 31.12.1985 (rückwirkend) gültig (5 Ob 24/86, 5 Ob 32/86 ua). Es war daher dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E07900European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00051.86.0415.000Dokumentnummer
JJT_19860415_OGH0002_0050OB00051_8600000_000