TE OGH 1986/4/22 10Os56/86

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Veröffentlicht am 22.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.April 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Breycha als Schriftführer in der Strafsache gegen Erich R*** wegen des Vergehens der unerlaubten Abwesenheit nach § 8 zweiter Fall MilStG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 19.August 1985, GZ 9 c E Vr 484/85-6, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Rzeszut als Vertreter der Generalprokuratur, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Durchführung des Strafverfahrens vor dem Einzelrichter des Kreisgerichtes Krems an der Donau und das Urteil vom 19.August 1985 verletzen das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 11 Z 1, letzter Satz, 31 und 33 JGG.

Dieses Urteil sowie alle darauf beruhenden Verfügungen werden aufgehoben; die Sache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das gemäß § 33 JGG - nach Maßgabe der für Jugendstraftaten iS des § 1 Z 3 JGG und für Jugendstrafsachen iS des § 1 Z 4 JGG geltenden gesetzlichen Sonderbestimmungen - zuständige Landesgericht Linz verwiesen.

Text

Gründe:

Aus dem Akt 9 c E Vr 484/85 des Kreisgerichtes Krems an der Donau ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Der am 11.März 1968 geborene Erich R*** wurde mit Urteil des Einzelrichters des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 19. August 1985, GZ 9 c E Vr 484/85-6 des Vergehens der unerlaubten Abwesenheit nach § 8 zweiter Fall MilStG schuldig erkannt, weil er nach Ablauf einer ihm bis 14.Mai 1985, 24 Uhr gewährten Dienstfreistellung seiner Truppe ferngeblieben ist und sich bis zum 31. Mai 1985, 3 Uhr, sohin für länger als acht Tage dem Dienst entzogen hat. Nach § 8 zweiter Strafsatz MilStG wurde über ihn eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verhängt, die gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Dieses Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.

Rechtliche Beurteilung

Die Durchführung des Strafverfahrens vor dem Einzelrichter des Kreisgerichtes Krems an der Donau und das von diesem gefällte Urteil vom 19.August 1985 stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang. Der Verurteilte Erich R*** hatte sowohl zur Tatzeit, als auch zum Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, weshalb die urteilsgegenständliche Tat als Jugendstraftat iS des § 1 Z 3 JGG sowie das in Rede stehende Strafverfahren hinwieder als Jugendstrafsache iS des § 1 Z 4 JGG zu beurteilen sind.

Demzufolge war gemäß § 31 Abs. 1 JGG zur Durchführung des Strafverfahrens das Schöffengericht in der gemäß § 32 Abs. 2 JGG vorgeschriebenen Besetzung sachlich zuständig (vgl. Heidrich-Zastiera, JGG, Manz 1962, S 122); örtlich zuständig war gemäß § 33 JGG das Landesgericht Linz, da Erich R*** zum Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens seinen Wohnsitz in Linz, Ebenhochstraße 19/2/7 hatte (S 5).

Als Folge der Nichtbeachtung der für Jugendstrafsachen geltenden Verfahrensvorschriften unterblieben auch die in § 26 Abs. 1 JGG vorgesehenen Verständigungen, die Beigabe eines Verteidigers gemäß § 38 Abs. 1 JGG, die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters nach § 39 JGG sowie die Einholung von Jugenderhebungen iS des § 42 JGG. In materiellrechtlicher Hinsicht wäre die Anlaßtat gemäß § 11 Z 1 letzter Satz JGG rechtsrichtig nach der auf die Hälfte herabgesetzten Strafdrohung des § 8 zweiter Strafsatz MilStG zu ahnden gewesen.

Da sich insbesondere die zuletzt dargelegte materiellrechtliche Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt hat, war gemäß § 292 StPO in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes Folge zu geben, das obangeführte Urteil - und demgemäß auch alle darauf beruhenden weiteren Verfügungen - aufzuheben sowie die Erneuerung des gegenständlichen Strafverfahrens anzuordnen und die Sache an das zuständige Landesgericht Linz zu verweisen. Dieses wird nach dem Vorgesagten ungeachtet des Umstandes, daß Erich R*** inzwischen das 18. Lebensjahr vollendet hat - gleichwie auch in jenem Falle, in welchem ein von einem Schöffengericht über einen Jugendlichen gefälltes Urteil im (ordentlichen) Rechtsmittelverfahren aufgehoben wird und die aufgetragene Verfahrenserneuerung erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres des betreffenden Angeklagten erfolgen kann - als Schöffengericht in Jugendstrafsachen zu entscheiden haben, wobei allerdings die Bestimmungen der §§ 38 bis 41 JGG nicht mehr anwendbar sind (vgl. Mayerhofer-Rieder, Nebenstrafrecht, ENr. 1 zu § 38 JGG ua). Auf § 220 (iVm § 41) StPO wird verwiesen.

In diesem Zusammenhang ist überdies noch zu vermerken, daß die bei Mayerhofer-Rieder, Nebenstrafrecht 2 , erster Halbband, ENr. 4 zu § 33 JGG abgedruckte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 15. Jänner 1958, AZ 6 Nds 1125/57 = Rz. 1958, 56 seit dem Inkrafttreten des JGG 1961 überholt ist, weil § 23 JGG 1949 auf das Strafverfahren gegen Jugendliche abstellte, während § 33 JGG 1961 für das Verfahren in Jugendstrafsachen gilt (siehe hiezu Piska, Welche Neuerungen brachte die Zuständigkeitsvorschrift des § 33 JGG 1961 für das Verfahren in Jugendstrafsachen? Rz. 1962, 69 f).

Anmerkung

E08305

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00056.86.0422.000

Dokumentnummer

JJT_19860422_OGH0002_0100OS00056_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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