TE OGH 1986/4/23 9Os60/86

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.04.1986
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.April 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Enzenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Alfred F*** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 5. Februar 1986, GZ 11 a Vr 747/85-54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung des Angeklagten wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 21jährige Alfred F*** (zu 1.) des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB, (zu 2. und 4.) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und (zu 3.) des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er (1.) am 28.März 1985 Helga S***, die er bereits zwölf Tage zuvor am Körper verletzt hatte, durch gefährliche Drohung, nämlich durch die telefonische Äußerung: "Wenn du nicht hinkommst, zerschneide ich dir das Gesicht und es wird dir schlecht gehen, solange ich noch heraußen bin!" zu einer Handlung, nämlich zu einem Treffen mit ihm am nächsten Tag im Gasthaus L*** genötigt, wobei er die Nötigung beging, indem er mit einer auffallenden Verunstaltung drohte; (2.) Helga S*** vorsätzlich am Körper verletzt und zwar a) am 16.März 1985, indem er sie vorerst über mehrere Gangstufen stieß und sodann, als sie auf dem Boden lag, mit den Fäusten schlug und mit beiden Füßen trat, wodurch Helga S*** einen Bluterguß über dem linken Auge und ein Hämatom über dem Jochbein rechts sowie Schwellungen im Gesicht erlitt, b) am 31. März 1985, indem er sie, als sie sich eben bückte, ins Gesicht trat, wodurch S*** eine Blutung unter der Bindehaut des linken Auges erlitt; (3.) am 23.Jänner 1985 fremde bewegliche Sachen, nämlich sieben Packungen (Zigaretten) der Marke "Johnny" und drei Packungen der Marke "Camel" im Gesamtwert von 309 S der Eigentümerin des Cafes "ALT K***" mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und (4.) in Gesellschaft mit dem abgesondert verfolgten Michael N*** am 24.Jänner 1985 im bewußten und gewollten Zusammenwirken Tristan L*** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihn vorerst mit der Faust in das Gesicht schlug und anschließend, nachdem ihn beide zu Boden gezerrt hatten, beide mit den Fäusten schlugen, wodurch Tristan L*** eine offene Weichteilverletzung im Bereich des linken Ellenbogengelenkes mit kleiner Muskelläsion und eine offene Schleimbeutelverletzung am linken Ellenbogen erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten aus den Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO der Sache nach allein gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der schweren Nötigung erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist teils offenbar unbegründet, teils entbehrt sie einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist es rechtlich irrelevant, daß Annemarie S*** ihre Schwester Helga zur Anzeigeerstattung veranlaßte und es konnte demnach eine Erörterung dieses Umstandes sanktionslos unterbleiben. Gleiches gälte an sich auch mit Bezug darauf, ob Annemarie S*** glaubte, der Angeklagte werde eine erhebliche Verunstaltung ihrer Schwester in die Tat umsetzen; entgegen der insoweit aktenwidrigen Beschwerde hat aber Annemarie S*** (vgl. S 456 f) niemals bekundet, sie habe nicht geglaubt, daß der Angeklagte ihre Schwester erheblich verunstalten werde. Den entsprechenden Angaben der Helga S*** in der Hauptverhandlung hingegen hat das Schöffengericht - soweit die Genannte erklärte, sich nicht gefürchtet und dem Angeklagten nicht zugetraut zu haben, daß er ihr das Gesicht zerschneiden werde - mit hinreichender Deutlichkeit den Glauben versagt und sich bei den gegenteiligen Konstatierungen unmißverständlich auf die Bekundungen der Genannten vor der Gendarmerie (S 254), auf die Angaben der Annemarie S*** (wonach der Helga S*** die Drohung des Angeklagten nicht egal war; S 456), auf die Aussage des einvernehmenden Gendarmeriebeamten G*** (wonach Helga S*** Angst vor dem Angeklagten hatte und mitteilte, daß sie sich fürchte; S 457 f) und darauf gestützt, daß Helga S*** 12 Tage vor der fraglichen Drohung vom Angeklagten durch Schläge verletzt worden war (vgl. zu all dem S 472). Den Ausführungen zur Mängelrüge zuwider hat das Erstgericht einen (ursächlichen) Zusammenhang zwischen der oben angeführten Drohung des Angeklagten und dem als erwiesen angenommenen Umstand, daß Helga S*** darnach seinem Verlangen Folge leistete, festgestellt. Daß diese im Wege einer Schlußfolgerung aus dem Verhalten der Bedrohten gewonnene Urteilsannahme lebensfremd oder denkunrichtig sei, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Mit dem in diesem Zusammenhang erhobenen Einwand, "es bliebe ja durchaus möglich, daß sich Helga S*** mit dem Angeklagten traf, ohne hiezu genötigt worden zu sein", macht er keinen formalen Begründungsmangel geltend. Vielmehr begibt er sich damit auf das ihm im schöffengerichtlichen Verfahren verwehrte Gebiet der Beweiswürdigung; wird doch vom Gesetz nicht gefordert, daß die vom Gericht aus den von ihm getroffenen Feststellungen gezogenen Schlußfolgerungen denkgesetzlich die einzig möglichen wären, beziehungsweise berechtigten nicht nur zwingende sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu Tatsachenfeststellungen, sofern sie nur nicht den Denkgesetzen widersprechen (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 § 258 Nr. 20 ff). Da die Beschwerde im übrigen konkrete, einer derartigen Schlußfolgerung im Wege stehende Verfahrensergebnisse, die das Gericht mit Stillschweigen übergangen habe, gar nicht bezeichnet, liegt insoferne keine vom Obersten Gerichtshof sachlich auf ihre Berechtigung zu prüfende Rüge im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO vor.

Daß endlich der Angeklagte sehr eifersüchtig war, hätte - als rechtlich irrelevant - unerörtert bleiben können; der Beschwerde zuwider hat das Erstgericht diesen Umstand aber ausdrücklich erwähnt (vgl. S 471), wobei die Tatsache, daß es die Eifersucht nur für den 16. März 1985 hervorhob, infolge der engen Verknüpfung und des nahen zeitlichen Zusammenhanges zwischen Körperverletzung am 16.März und Nötigung am 28.März 1985 (vgl. hiezu S 471 f) nicht ins Gewicht fällt.

Weshalb - wie der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit. a) ausführt - die von ihm geäußerte Drohung unter den gegebenen Umständen objektiv nicht geeignet gewesen sein sollte, der Helga S*** begründete Besorgnisse einzuflößen, wird in der Beschwerde nicht weiter substantiiert und entzieht sich damit einer sachbezogenen Erörterung, zumal das Rechtsmittel auf die tatrichterlichen Erwägungen zu diesem Punkt überhaupt nicht eingeht (vgl. S 475 ff). Mit seiner zur inneren Tatseite aufgestellten Behauptung jedoch, es habe sich bei seinen Worten bloß um eine milieubedingte Unmutsäußerung gehandelt, der das Merkmal der Ernstlichkeit fehlte, bringt er den relevierten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung; übergeht er mit dieser Behauptung doch die schöffengerichtliche Konstatierung, wonach er mit seiner Drohung erreichen wollte, daß Helga S*** in das von ihm bezeichnete Lokal komme und er vermittels der Drohung das angestrebte Ziel auch tatsächlich erreichte (vgl. S 476). Da endlich auch mit der unter der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO aufgestellten Beschwerdebehauptung, die Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes unter § 106 Abs. 1 Z 1 StGB sei unrichtig, bei Drohungen mit auffallender Verunstaltung handle es sich "in den meisten Fällen" um eine bloße Übertreibung und das Erstgericht hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu der Ansicht gelangen müssen, daß lediglich der Tatbestand des § 195 Abs. 1 StGB erfüllt sein könne, mangels jeglicher, die auf den konkreten Fall abgestellten tatrichterlichen Ausführungen zu diesem Punkt (vgl. S 477) mitberücksichtigenden Substantiierung der relevierte Nichtigkeitsgrund nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt wird, war die Beschwerde teils als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung des Angeklagten wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung abgesprochen werden.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E08297

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00060.86.0423.000

Dokumentnummer

JJT_19860423_OGH0002_0090OS00060_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten