TE OGH 1986/4/23 9Os64/86

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Veröffentlicht am 23.04.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Horak, Dr.Lachner sowie Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Enzenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann S*** und andere wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Johann S***, Herbert B*** und Erwin B*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 14.Oktober 1985, GZ 23 Vr 856/78-136, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Über die Berufungen der Angeklagten wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der 31-jährige Johann S***, der 27-jährige Herbert B*** und der 39-jährige Erwin B*** des Verbrechens des vesuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB, Herbert B*** in der Erscheinungsform des § 12 StGB, (im zweiten Rechtsgang abermals) schuldig erkannt. Darnach haben

1. Johann S*** und Erwin B*** im Juli und August 1977 in Linz in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) dadurch, daß

a) Johann S*** eine Kraftfahrzeugschadenanzeige, in welcher er wahrheitswidrig angab, er sei in einer unübersichtlichen Kurve zu weit links gefahren, sodaß der entgegenkommende, dem Erwin B*** gehörige und von Herbert B*** gelenkte LKW ausweichen mußte und an einer Felswand anstreifte, seinem Haftpflichtversicherer WIENER A*** V*** AG vorlegte und

b) Erwin B*** in der Folge durch Vorlage von Rechnungen und Kostenvoranschlägen von der genannten Versicherung einen Betrag von 254.338 S als Schadenersatz forderte, mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten den Erwin B*** unrechtmäßig zu bereichern, versucht, Verantwortliche der genannten Versicherung durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über ein Schadensereignis zu einer Handlung, nämlich zur Leistung von Schadenersatz in der Höhe von 254.358 S zu verleiten, die die genannte Versicherung im angeführten, somit in einem 100.000 S übersteigenden Betrag am Vermögen schädigen sollte;

2) Herbert B*** im Juli oder August 1977 in Pischelsdorf oder einem anderen Ort Österreichs dadurch, daß er sich bereit erklärte, gegenüber der erwähnten Versicherung die unter Punkt 1 beschriebene falsche Darstellung des Schadensereignisses zu bestätigen, zur Ausführung der unter Punkt 1 beschriebenen strafbaren Handlung beigetragen.

Die von den Angeklagten aus den Z 5 und 10, von Herbert und Erwin B*** auch aus der Z 4 und von Johann S*** überdies aus der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind teils offenbar unbegründet, teils entbehren sie einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Der Verfahrensrüge (Z 4) der Angeklagten Herbert und Erwin B*** zuwider konnte die von ihrem Verteidiger in der Hauptverhandlung am 14.Oktober 1985 beantragte Einvernahme des Zeugen Josef H*** zum Beweis dafür (Bd II S 322), "daß diesem im Zeitpunkt der Errichtung der Schadensanzeige bekannt war, daß der Angeklagte S*** bei der Firma B*** angestellt war, weiters, daß diesem auch als Zeugen dieses Unfalles der Lenker Herbert B*** und N. L*** bekannt waren und weiters, daß auf Grund des am gleichen Tage erstellten Gutachtens des Sachverständigen E*** der Schaden mit 50.000 S veranschlagt wurde", in der Tat sanktionslos unterbleiben. Denn es ist der (im Urteil nachgetragenen; vgl. Bd II S 361) Begründung des ablehnenden Zwischenerkenntnisses durchaus beizutreten, wonach "es nicht wesentlich ist, ob der beantragte Zeuge wußte, daß S*** bei B*** arbeitet beziehungsweise angestellt ist und daß ihm Herbert B*** und L*** (als Zeugen) bekannt waren"; ferner trifft zu, daß es "auch zur Schadenshöhe von 50.000 S der Befragung des H*** (als "Zeugen vom Hörensagen") nicht bedürfe, da zur Feststellung des Schadens außer den vorgelegten Urkunden die Aussage des (Zeugen) E*** (als unmittelbare Beweisquelle) vorlag und diese zweifelsfrei war".

Wenn die Beschwerde vermeint, durch die Einnahme des beantragten Zeugen "hätte auch der Beweis erbracht werden können, daß der Schade vom Sachverständigen E*** mit 50.000 S veranschlagt wurde, während der Sachschade tatsächlich 115.000 S betrug, was zwingend den Schluß zulasse, daß zu diesem Zeitpunkt bereits die Vorschäden berücksichtigt und diese dem Zeugen E*** bekannt waren", muß darauf nicht weiter eingeganegn werden, weil bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrages und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen ist (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 , § 281 Abs. 1 Z 4, Nr. 40 f.) und das zuletzt angeführte Beweisthema dem Antrag (Bd II S 322) nicht einmal andeutungsweise zu entnehmen ist.

In ihren Mängelrügen (Z 5) reklamieren sämtliche Beschwerdeführer schwergewichtig eine Unvollständigkeit der Begründung, die darin gelegen sein soll, daß das Erstgericht die Aussage des Gendarmeriebeamten K*** mit Stillschweigen übergangen habe, die ein gewichtiges Indiz für die Richtigkeit der Verantwortung der Angeklagten, daß zwei Unfälle stattfanden, darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge geht fehl.

Denn ausgehend davon, daß das Lichtbild in Band I Seite 187 links unten keine schweren Beschädigungen des Führerhauses zeigt, das Chassis des Lastkraftwagens unbestrittenermaßen durch den Autobahnunfall überhaupt nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde und das Ausmaß der Beschädigung des Plastikaufbaus für die Fahrtüchtigkeit des Kraftwagens ersichtlich ohne Belang ist, kann der an die Aussage des Zeugen "das Führerhaus war leicht beschädigt. Ich kann mich nur ganz vage erinnern" anschließende Satz: "So groß war die Beschädigung nicht; ich hätte ihn ansonsten auch gar nicht weiterfahren lassen" keineswegs so verstanden werden, wie die Beschwerden ihn interpretiert haben wollen, nämlich dahin, daß K*** meinte, so groß wie auf dem Lichtbild seien die Schäden nicht gewesen, denn dann hätte er den Lenker gar nicht weiterfahren lassen. Vielmehr kann im Kontext der Gesamtaussage des Zeugen K*** - der ja am Ende seiner Vernehmung auf ausdrückliches Befragen nach der Größe des Loches im Aufbau erklärte, das könne er nicht mehr genau sagen - der zitierte Satz beziehungsweise das Wort "so" zwanglos nur so verstanden werden, daß K*** damit die Bedeutung "allzu", "besonders", oder "sehr" verband. Unter diesem Aspekt mußte aber diese bloß eine persönliche Wertung wiedergebende und zudem keine entscheidende Tatsache betreffende Aussage nicht im einzelnen gewürdigt werden und haftet mithin die behauptete Unvollständigkeit dem Urteil nicht an.

Der Beschwerde des Angeklagten S*** zuwider gilt dies aber auch in Ansehung der Aussage des Zeugen T***, des Lenkers des beim Autobahnunfall angefahrenen Lastkraftwagens. Denn angesichts dessen, daß er in der Hauptverhandlung am 14.Oktober 1985 (vgl. Bd II S 305 ff.) erklärt hatte, die Schäden am LKW B*** könnten so gewesen sein, wie sie aus den Lichtbildern auf Seite 187 ersichtlich seien und daß er seine Beobachtungen bei Dunkelheit mit einer Taschenlampe gemacht hatte - was im Urteil erwähnt wurde; vgl. Bd II S 354 - mußte seine Schadensbeschreibung vor der Gendarmerie (Bd I S 51) nach der in § 270 Abs. 2 Z 5 StPO normierten gedrängten Begründungspflicht nicht im Detail erörtert werden; vielmehr genügte es - wie das Erstgericht es tat; vgl. abermals Bd II S 354 - festzuhalten, daß er den Schaden etwas kleiner in Erinnerung hatte als auf den Lichtbildern zu ersehen ist.

Der Erwiderung auf die weiteren Ausführungen in den Mängelrügen ist generell vorauszuschicken, daß ein Grund für die Abkehr von starren Beweisregeln und die Einführung der freien Beweiswürdigung die Erkenntnis ist, daß sich die Gesamtheit der Umstände nicht restlos analysieren läßt, die dem Gericht die Überzeugung von der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit einer Person vermitteln und daß sich dieser Eindruck und alle dafür maßgebenden Einzelumstände nicht in Worte fassen lassen, weshalb den Vorschriften der §§ 258 und 270 Abs. 2 Z 5 StPO Genüge getan ist, wenn das Gericht erklärt, es habe auf Grund seines persönlichen Eindruckes die Überzeugung von der Glaubwürdigkeit einer Person gewonnen (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 § 258 Nr 88, § 270, Nr 134 ff., § 281 Z 5 Nr 5 ff.). Grundlegend ist ferner, daß dann, wenn das Gericht mit unbedenklicher Begründung einem Angeklagten (oder Zeugen) den Glauben an die Richtigkeit einer bestimmten von ihm aufgestellten Behauptung versagt hat, es nicht gehalten ist, Beweise aufzunehmen oder Umstände zu erörtern, für deren Erheblichkeit die Richtigkeit dieser als unglaubwürdig abgelehnten Behauptung Voraussetzung wäre (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO, § 281 Z 4 Nr. 67).

So besehen haben die Tatrichter der Verantwortung der Angeklagten und den Aussagen der Zeugen S***, E*** und D*** mit durchaus hinreichender Begründung (vgl. Bd II S 344 ff.) den Glauben versagt und erweisen sich die weitwendigen, die Bewertung der einzelnen Beweismittel einer Kritik unterziehenden Beschwerdeausführungen als im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung, auf die nicht weiter einzugehen ist.

Im einzelnen sei lediglich hervorgehoben, daß die Nichtauschöpfung möglicher Beweisquellen, die der Angeklagte S*** im Zusammenhang mit der Aussage des Zeugen D*** rügt, niemals mit der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO geltend gemacht werden kann (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO § 281 Z 5 Nr 82 ff.) und die Z 4 dieser Gesetzesstelle gleichfalls ausscheidet, weil in der Hauptverhandlung keine entsprechenden Anträge gestellt wurden. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Angaben des Zeugen S*** über Verschmutzung und Zerreißung des Fleisches sowie darüber, daß Herbert B*** (der Lenker des Lastkraftwagens) ihm Mitteilungen über einen stattgehabten Unfall machte, konnte hingegen nach den obigen Grundsätzen deshalb sanktionslos unterbleiben, weil die Tatrichter dem Zeugen S*** ersichtlich generell den Glauben versagt hatten (vgl. Bd II S 351). Dazu kommt, daß S*** in der Hauptverhandlung vom 29.Juli 1983 den Ausdruck "frische Verschmutzung" durch Beisätze (siehe Bd I S 515) derart relativiert hatte, daß er faktisch keine Aussagekraft mehr besaß und deswegen auch aus diesem Grund nicht erörterungsbedürftig war. Mit Bezug auf die sich mit der Vorschadensfrage befassenden Bekundungen des Zeugen E*** gilt sinngemäß das oben zur Aussage des Zeugen S*** Gesagte; denn auch hier erachtete der Schöffensenat die Angaben des Zeugen E*** insgesamt für unglaubwürdig (vgl. Bd II S 353) und mußte sich daher mit den Einzelheiten der Aussage nicht weiter befassen.

Ausgehend von der Konstatierung, daß nur ein Unfall stattgefunden habe und davon, daß gegenüber der Versicherung ein Betrag von 254.358,40 S geltend gemacht wurde - der sich aus (100.000 S übersteigenden, durch Reparaturrechnungen und Kostenvoranschläge belegten) Schäden am Fahrzeug, der behaupteten Qualitätsminderung des beförderten Fleisches und dem Ausfall für die Stehzeit des LKWs zusammensetzte; vgl. Bd II S 343 - ist es auch rechtlich belanglos, wie hoch der durch den Autobahnunfall verursachte Schaden war.

Unberechtigt ist letztlich aber auch der von den Angeklagten B*** erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit der tatrichterlichen Annahme, nicht nur Erwin B*** sondern auch Herbert B*** habe angegeben, er (und nicht jeweils der andere) habe das beim Autobahnunfall entstandene Loch im Fahrzeugaufbau mit einer Holzplatte (vorläufig) repariert. Denn tatsächlich machte Herbert B*** auch in diese Richtung zielende Angaben (siehe dazu Bd I S 343 und Bd II S 330), in denen die bekämpfte Konstatierung sohin ihre aktenmäßige Deckung findet.

Wenn aber die Angeklagten S*** und Herbert B***

(letzterer auch unter der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO) behaupten, das Urteil gebe für ihren dolus - namentlich auch in Richtung des § 147 Abs. 3 StGB - nur "Scheingründe", genügt es diesen weitgehend unsubstantiierten Vorwürfe zu erwidern, daß aus der Übereinstimmung ihrer der Versicherung gegenüber gemachten falschen Angaben denkrichtig auf eine Absprache und eine gemeinsame Überlegung und aus diesen Umständen wiederum folgerichtig auf einen gemeinsamen Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz geschlossen werden konnte, wobei allein schon das Ausmaß der (aus den beim Akt befindlichen Lichtbildern; vgl. abermals Bd I S 187 ersichtlichen) Schäden, die nach den der A***-V*** vorgelegten Kostenvoranschlägen (vgl. Bd I S 29 und 33) die 100.000 S-Grenze beträchtlich überstiegen, den denkgesetzmäßigen und lebensnahen Schluß darauf zulassen, (auch) Johann S*** und Herbert B*** hätten einen derartigen Schaden bedacht und sich mit ihm zumindest abgefunden (vgl. Bd II S 343 und 363).

Hingegen entbehrt die unter den Z 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO ausgeführte Rüge des Angeklagten S*** zur Gänze einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Indem sie nämlich behauptet, es sei nicht festgestellt worden, daß der Genannte vom Unfall auf der Autobahn überhaupt Kenntnis hatte, er sei subjektiv der Ansicht gewesen, daß Erwin B*** auf die Erbringung der Versicherungsleistung rechtmäßigen Anspruch hätte beziehungsweise er habe gemeint, den Schaden am LKW des Erwin B*** durch seine Fahrweise verursacht zu haben und es mangelte an Feststellungen darüber, inwieweit sich sein (bedingter) Vorsatz auf einen 100.000 S übersteigenden Schaden erstreckte, setzt er sich in unzulässiger Weise darüber hinweg, daß sämtliche Angeklagten - also auch Johann S*** - nach dem Autobahnunfall übereinkamen, einen Verkehrsunfall zu fingieren, daß der Beschwerdeführer daraufhin bei seinem Haftpflichtversicherer eine den Tatsachen nicht entsprechende Unfallsmeldung erstattete (vgl. Bd II S 342) und daß auch er einen 100.000 S übersteigenden Schadensbetrag überlegt und bedacht, ihn ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat (vgl. abermals Bd II S 343 und 363).

Nach dem Gesagten waren mithin die Nichtigkeitsbeschwerden teils als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufungen der Angeklagten wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung abgesprochen werden.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E08468

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00064.86.0423.000

Dokumentnummer

JJT_19860423_OGH0002_0090OS00064_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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