TE OGH 1986/4/24 7Ob548/86

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Veröffentlicht am 24.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Mag.Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Friedrich M***, Rechtsanwalt, Salzburg,

Imbergstraße 22/1, vertreten durch Dr.Joachim Hörlsberger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Eva S***, Hausfrau, Salzburg, Alpenstraße 24, vertreten durch Dr.Hans Günther Medwed, Rechtsanwalt in Graz, wegen Räumung (Streitwert 6.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 13. November 1985, GZ.32 R 120/85-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 7. Dezember 1984, GZ.18 C 563/83-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird. Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 3.794,44 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 208 S Barauslagen und 326,04 S Umsatzsteuer) sowie die mit 2.196,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 384 S Barauslagen und 164,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer des Hauses Salzburg, Alpenstraße 24, in dem die Beklagte eine links vom Stiegenaufgang gelegen, aus Küche, drei Zimmern, Bad, WC und Kellerabteil bestehende Wohnung ohne Entrichtung eines Entgeltes bewohnt.

Der Kläger begehrt die Räumung dieser Wohnung mit der Begründung, er habe sie der Beklagten prekaristisch gegen jederzeitigen Widerruf überlassen.

Während das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen hat, gab ihm das Berufungsgericht statt. Es hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.

Die Vorinstanzen sind von folgendem wesentlichen Feststellungen ausgegangen:

Die Streitteile nahmen im Sommer/Herbst 1979 intime Beziehungen zueinander auf. Zu diesem Zeitpunkt wohnte die Klägerin in einer Wohnung in Salzburg, Elisabethstraße 6, die ihr von ihrem damaligen Arbeitgeber, der sie vom Wohnungseigentümer gemietet hatte, zur Verfügung gestellt worden war. Hiefür bezahlte sie eine monatliche Miete von 4.500 S, die an den Wohnungseigentümer abgeführt wurde. Auch nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses verblieb die Beklagte weiter in der Wohnung und zahlte auch den genannten Betrag dem Wohnungseigentümer.

Da es dem Kläger nicht angenehm war, bei seinen Besuchen bei der Beklagten in der Elisabethstraße gesehen zu werden, verlangte er von der Beklagten, sie solle dort ausziehen, und eine Wohnung in seinem Haus in der Alpenstraße 24 beziehen. Bezüglich ihrer bisherigen Wohnung war es zu Gesprächen gekommen, in die sich auch der Kläger eingeschaltet hatte. Schließlich zog die Beklagte aus dieser Wohnung aus. Der Kläger bot der Beklagten, noch als sie in ihrer früheren Wohnung wohnte, die nunmehr streitgegenständliche Wohnung an, die jedoch damals vermietet war. Um diese Wohnung freizubekommen, kündigte er das bestehende Mietverhältnis auf, wobei er Eigenbedarf für seinen Neffen als Kündigungsgrund angab und bei dieser Begründung auch blieb, als bereits feststand, daß der Neffe diese Wohnung nicht beziehen werde. Schließlich zog die Beklagte nach dem Freiwerden der vorgenannten Wohnung in diese ein. Bei einem Gespräch im Zusammenhang mit der Wohnung sagte der Kläger auf Frage der Beklagten, was denn sein würde, wenn ihm etwas passieren sollte, er habe für diesen Fall schon vorgesorgt diese Wohnung sei für sie und niemand werde sie aus dieser Wohnung herausbringen können. In diesem Sinne äußerte sich auch der Kläger bei einem Gespräch, als die Beklagte die Bemerkung machte, jetzt wäre ja alles zwischen ihnen, den nunmehrigen Streitteilen, gut, es könnte ihr aber im Falle, daß sie sich zerstreiten sollten so ergehen, wie den Ehefrauen des Klägers. Der Kläger meinte dazu, dies sei etwas ganz anderes, die Wohnung gehöre ihr, er werde sie bürgerlich einrichten und die Beklagte könne darin bleiben.

Zwischen den Streitteilen war von vornherein beabsichtigt, ihr intimes Verhältnis nicht auf Dauer einzurichten.

Auch gegenüber dem Vater und der Schwester der Beklagten machte der Kläger noch zu einer Zeit, als die Beklagte in der Elisabethstraße wohnte, Äußerungen, denenzufolge die streitgegenständliche Wohnung für die Beklagte sei. Er erklärte hiebei, daß die Beklagte kostenlos dort wohnen könne. Eine ausdrückliche Erklärung des Klägers dahin, daß die Beklagte in der Wohnung so lange bleiben könne, wie sie wolle, wurde nicht festgestellt. Ebensowenig wurde festgestellt, daß der Kläger gegenüber der Beklagten oder ihren Angehörigen eine Äußerung dahin gemacht hätte, die Beklagte könne die Wohnung nur so lange kostenlos benützen, als ihre Beziehungen andauern bzw. daß der Kläger sich vorbehalte, danach die eingeräumte Benützung zu widerrufen. Nachdem die Beklagte im Jahre 1980 in die Wohnung eingezogen war, endeten die intimen Beziehungen zwischen den Streitteilen im Sommer 1981. Trotzdem blieben die Streitteile nach wie vor in freundschaftlichem Kontakt. Der Kläger verlangte die Räumung auch nicht, als die Beklagte einmal längere Zeit zu einem Mann nach Norddeutschland zog oder als sie auch mit anderen Männern in der Wohnung Kontakt hatte. Als die Beklagte im Frühjahr 1982 nach Norddeutschland zog, bat sie der Kläger, während ihrer Abwesenheit jemand anderen in der Wohnung unterbringen zu dürfen. Darauf bat die Beklagte über ausdrückliches Ersuchen des Klägers schriftlich ihrer Nachbarin den Schlüssen zur Wohnung, den sie dieser zur Verwahrung gegeben hatte, dem Kläger auszufolgen, falls dieser den Schlüssel brauche, um einen Besuch in der Wohnung unterzubringen. Als die Beklagte von Deutschland zurückkam, zog sie in die streitgegenständliche Wohnung wieder ein, ohne daß sie hiefür die Zustimmung des Klägers eingeholt hätte.

Erst als die Beklagte eine Bekanntschaft mit dem vorbestraften Helmut S*** hatte und dieser überwiegend bei der Beklagten wohnte, verlangte der Kläger von der Beklagten, daß sie aus der Wohnung ausziehe. Im Jahre 1983 wollte der Kläger, daß die Beklagte einen Zettel unterschreibe, auf dem ein Anerkenntnis bezüglich der Benützung der Wohnung gegen jederzeitigen Widerruf enthalten war. Die Beklagte weigerte sich, diesen Text zu unterschreiben, wobei sie sich äußerte, er widerspreche den getroffenen Vereinbarungen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger von der Beklagten für die Benützung der Wohnung niemals etwas gefordert. Er hatte bereits vor dem Einzug zugesichert, daß die Wohnung kostenlos für die Beklagte sei.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, der Kläger habe die Überlassung der Wohnung gegen jederzeitigen Widerruf nicht beweisen können, sodaß sein Räumungsbegehren abzuweisen sei. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, daß ein Prekarium zwischen den Streitteilen nicht vorliege. Vielmehr müsse vom Bestehen eines Leihvertrages ausgegangen werden, der zumindest bis zur Beendigung der intimen Beziehungen zwischen den Streitteilen unwiderruflich gewesen wäre. Auch nach diesem Zeitpunkt hätte der Kläger die Räumung erst nach einer angemessenen Frist verlangen können. Da jedoch inzwischen eine angemessene Frist verstrichen sei und der Kläger die Unwiderruflichkeit der Überlassung der Wohnung nicht ausdrücklich zugesichert habe, im Fall einer unentgeltlichen Überlassung aber derjenige, der die Sache weiterbenützen wolle, einen entsprechenden Rechtstitel nachweisen müsse, sei die Beklagte nunmehr auf Verlangen des Klägers zur Räumung verpflichtet.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Z 2 bis Z 4 ZPO erhobenen Revision ist zulässig und gerechtfertigt.

Zu Unrecht wendet sich der Kläger in der Revisionsbeantwortung gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Bewertung. Nach § 500 Abs.2 Z 3 ZPO war das Berufungsgericht zu einer Bewertung verpflichtet, weil der Streitgegenstand nicht in einem Geldbetrag besteht. Gegen den Ausspruch nach § 500 Abs.2 ZPO findet gemäß § 500 Abs.4 ZPO kein Rechtsmittel statt. Das Berufungsgericht hat nicht gegen bestehende Bewertungsvorschriften verstoßen. Es war nämlich gemäß § 500 Abs.2 Z 3 ZPO nicht an den vom Kläger angegebenen Streitwert gebunden. Sonstige zwingende Bewertungsvorschriften bestehen für Räumungsbegehren nicht. Infolge der Bindung des Obersten Gerichtshofes an die vom Berufungsgericht vorgenommene Bewertung erweist sich demnach die Revision als zulässig.

Bei der rechtlichen Beurteilung ist grundsätzlich davon auszugehen, daß maßgebend für den Entscheidungsspielraum eines Gerichtes der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt und die hiefür angegebenen Tatsachen sind. Begründet demnach der Kläger ein Räumungsbegehren bloß mit dem Widerruf prekaristisch eingeräumter Benützung, ist das Gericht an diesen ausdrücklich geltend gemachten Rechtsgrund gebunden (MietSlg.22.083, 20.085 u.a.). Mangels weiteren Vorbringens des Klägers kann es in einem solchen Fall nicht dem Räumungsbegehren wegen Beendigung eines bestehenden Vertrages stattgeben.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger ausdrücklich vorgebracht, daß die Beklagte die Wohnung prekaristisch benütze (S.2 d.A.). Auch im weiteren Verfahren hat er nur darauf hingewiesen, daß der Beklagten die Wohnung ohne Einräumung eines Mietrechtes unentgeltlich bis auf Widerruf zur Verfügung gestellt worden sei. Weder ein anderer Rechtstitel noch ein Sachverhalt, der eine Beendigung eines anderen bestehenden Rechtsverhältnisses rechtfertigen würde, wurde vom Kläger zur Stützung seines Räumungsbegehrens angeführt. Demnach war das Berufungsgericht nicht berechtigt, dem Räumungsbegehren stattzugeben, wenn nach den getroffenen Feststellungen die vom Kläger behauptete rechtliche Beziehung zwischen den Streitteilen zu verneinen war. Mit Recht hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Erstgericht das Vorliegen eines Prekariums verneint. Diesbezüglich kann auf die Rechtsausführungen der beiden Vorinstanzen verwiesen werden, die der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung nicht bekämpft. Es ist also davon auszugehen, daß der Beklagten die Wohnung, entgegen der klägerischen Behauptung, nicht bloß prekaristisch gegen jederzeitigen Widerruf überlassen worden ist. Demnach genügte der ohne jede weitere Begründung in der Klage behauptete Widerruf nicht, um das Räumungsbegehren zu rechtfertigen. Geht man aber, wie das Berufungsgericht, davon aus, daß die Beklagte die Wohnung auf Grund irgend eines Rechtstitels benützt und daß sie diesen Rechtstitel nicht auf Grund eines jederzeitigen Widerrufes verliert, so durfte nicht weiter geprüft werden, ob der vom Kläger gar nicht behauptete, ja vielmehr bestrittene Rechtstitel infolge zwischenzeitiger Veränderungen erloschen ist. Als einzigen Rechtsgrund für sein Begehren hat der Kläger das Fehlen eines Rechtstitels der Beklagten und den von ihm behaupteten Widerruf eines Prekariums geltend gemacht. Das Vorliegen eines Prekariums und demnach das Recht zum jederzeitigen unbegründeten Widerruf haben beide Vorinstanzen zutreffend auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes verneint. Mangels Geltendmachung eines anderen Räumungsgrundes erübrigte sich daher eine Prüfung der Frage, wie das Recht der Beklagten zur Benützung der Wohnung zu qualifizieren sei, unter welchen Voraussetzungen bestehende rechtliche Beziehungen beendet werden können und ob diese Voraussetzungen vorliegen. Das Berufungsgericht hat mit der Prüfung dieser Fragen seine Befugnisse überschritten. Dies mußte der Oberste Gerichtshof wahrnehmen, weil die Beklagte die diesbezügliche Vorgangsweise des Berufungsgerichtes in der Revision ausdrücklich gerügt hat (S.56 d.A.).

Geht man also von dem einzigen vom Kläger geltend gemachten Rechtsgrund aus sowie von dem Umstand, daß der Kläger seine Behauptungen nicht beweisen konnte, so erweist sich die Entscheidung des Erstgerichtes als richtig.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO, doch waren der Beklagten keine Kosten für ihren Vertagungsantrag im Berufungsverfahren zuzusprechen, weil dieser Antrag zur Rechtsverwirklichung nicht erforderlich 1ar.

Anmerkung

E08244

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0070OB00548.86.0424.000

Dokumentnummer

JJT_19860424_OGH0002_0070OB00548_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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