Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29.April 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Breycha als Schriftführers, in der Strafsache gegen Fritz K*** wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 8.Jänner 1986, GZ 6 b Vr 11.897/85-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Tschulik als Vertreters der Generalprokuratur und des Verteidigers Dr. Kammerlander, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 6.Dezember 1950 geborene beschäftigungslose Fritz K*** des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG und des Vergehens nach dem § 16 Abs 1 SuchtgiftG schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift A) in einer großen Menge in Verkehr gesetzt zu haben, indem er 1./ in der Zeit von Juli bis Oktober 1985 dem gesondert verfolgten Robert K*** insgesamt zumindest 20 Gramm Heroin und 2./ im Oktober 1985 dem gesondert verfolgten Helmut S*** insgesamt mindestens 10 Gramm Heroin verkaufte; B/ ab Ende Sommer 1985 bis 23.Oktober 1985 (Haschisch und Heroin) erworben und besessen zu haben.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Fritz K*** mit seiner auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
In bezug auf Punkt A/ des Schuldspruchs rügt der Beschwerdeführer der Sache nach einen Feststellungsmangel im Sinn der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO; er macht geltend, das Erstgericht habe keine Konstatierungen darüber getroffen, in welchen Zeitabständen und Teilmengen er das Suchtgift verkauft habe, sowie inwieweit die Käufer bereits süchtig gewesen seien und das Suchtgift zur Deckung ihres Eigenbedarfs benötigt hätten. § 12 Abs 1 SuchtgiftG in der Fassung der Suchtgiftgesetznovelle 1985, BGBl 184, setzt jedoch auf der inneren Tatseite nur voraus, daß der Täter die Eignung der erzeugten, eingeführten, ausgeführten oder in Verkehr gesetzten Menge an sich, in großem Umfang eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, in seinen Vorsatz aufnahm. Hingegen ist für die Verwirklichung dieses Tatbestandes nicht erforderlich, daß die Suchtgiftmenge nach dem Vorsatz des Täters an einen größeren Personenkreis gelangen und solcherart ein Streueffekt erzielt werden soll (vgl Foregger-Litzka, SuchtgiftG 2 , S 29; K***, SuchtgiftG [Stand 1.10.1985], S 51/52; weiters siehe 586 der Beil. zu den sten Protokollen des NR, XVI. GP, 4). Demgemäß kommt es nach der auf Grund der Suchtgiftnovelle 1985 (BGBl Nr 184/1985) seit 1.September 1985 geltenden Fassung des § 12 Abs 1 SuchtgiftG nicht darauf an, ob und inwieweit das Suchtgift nach der Vorstellung des Täters für den Eigenbedarf eines bereits süchtigen Empfängers oder von diesem Süchtigen (ganz oder zum Teil) zur Weitergabe an dritte, noch nicht süchtige Personen bestimmt ist. Bei fortlaufender Tatbestandsverwirklichung sind die von den einzelnen Tathandlungen betroffenen Mengen grundsätzlich zusammenzuzählen, insbesondere wenn der bedingte Tätervorsatz auch den an die bewußt kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfaßt (SSt 50/38 = ÖJZ-LSK 1979/287 ua). Vorliegend nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß der Angeklagte Fritz K*** "jeweils in mehreren Etappen" in der Zeit von Juli bis Oktober 1985 ca 20 Gramm Heroin an Robert K*** und im Oktober 1985 mindestens 10 Gramm Heroin am Helmut S*** verkaufte, wobei die Eignung der tatgegenständlichen, von einem Türken auf "Kommissionsbasis" erworbenen Suchtgiftmenge, im Fall der Weitergabe in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, von seinem Vorsatz umfaßt war (vgl S 250, 252 d.A); die Tatrichter erachteten demnach ersichtlich auch die (tätergewollte) Handlungseinheit der einzelnen Deliktsakte für gegeben. Genaue Feststellungen über die Anzahl der Tathandlungen, die zwischen den einzelnen Taten liegenden Zeitabstände und die dabei jeweils weitergegebenen Teilmengen erübrigten sich, zumal sowohl der Angeklagte K*** selbst als auch die Zeugen Robert K*** und Helmut S*** - im wesentlichen übereinstimmend - angaben, daß das Rauschgift jeweils in kurzen Zeitabständen (zumeist von wenigen Tagen) übergeben wurde (vgl S 53 f, 63, 172, 245 d.A). Soweit der Beschwerdeführer bemängelt, das Erstgericht habe seine Verantwortung sowie die bezüglichen Aussagen des Robert K*** (vor der Polizei und in der Hauptverhandlung) und des Helmut S*** (vor der Polizei), wonach die inkriminierten Heroinmengen in kleinen Dosen über einen "längeren" Zeitraum verteilt süchtigen Abnehmern übergeben worden seien, mit Stillschweigen übergangen, zeigt er mithin keinen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen betreffenden Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO auf.
Daran ändert nichts, daß das Delikt nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG zum Teil vor und zum Teil nach Inkrafttreten der Suchtgiftnovelle 1985 verwirklicht wurde und § 12 SuchtgiftG aF - insofern für den Angeklagten günstiger - (noch) den Nachweis verlangte, daß der Täter auch den Verteilungsmodus und das Ausmaß der Suchtgiftstreuung in seinen Vorsatz aufgenommen hatte (vgl erneut K*** aaO). Denn bei einem fortgesetzten Delikt ist grundsätzlich jenes Gesetz anzuwenden, das zur Zeit des letzten Begehungsaktes in Kraft stand (vgl SSt 41/30); zudem erfüllen die Deliktshandlungen des Angeklagten nach dem 1.September 1985 (Punkt A/ 2./ des Schuldspruchs, nach den Verfahrensergebnissen auch der überwiegende Teil der unter Punkt A/ 1./ des Schuldspruchs fallenden Akte [vgl S 53 f, 172 d.A]) für sich allein schon den Tatbestand nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG nF.
Gleichfalls zu Unrecht vermißt der Beschwerdeführer mängelfrei begründete Feststellungen zu Punkt B/ des Schuldspruchs: Den im Geständnis des Angeklagten gedeckten und daher durch den Hinweis darauf zureichend begründeten Urteilsannahmen zufolge konsumierte Fritz K*** ab Sommer 1985 bis zu seiner Verhaftung am 23. Oktober 1985 - über die an Robert K*** und Helmut S*** weitergegebenen Suchtgiftmengen hinaus - wiederholt Haschisch und Heroin, das er mithin erwarb und besaß (vgl S 53 ff, 243, 251 d.A). Demnach versagt auch der auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Beschwerdeeinwand, der Schuldspruch wegen Vergehens nach dem § 16 Abs 1 SuchtgiftG verstoße gegen die in dieser Bestimmung (nach wie vor) enthaltene Subsidiaritätsklausel (arg "wer außer den Fällen der §§ 12 und 14 a ..."). Eine Beurteilung des Erwerbes und Besitzes von Suchtgift als Vergehen nach dem § 16 Abs 1 SuchtgiftG neben dem Verbrechenstatbestand des § 12 Abs 1 SuchtgiftG wäre nämlich nur dann ausgeschlossen, wenn das betreffende vom Täter erworbene und in seinem Besitz gewesene Rauschgift zu dem schon vom Schuldspruch nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG erfaßten Suchtgift gehörte (vgl Mayerhofer-Rieder, StGB 2 , III/2, ENr 13 und 14 und Leukauf/Steininger, Nebengesetze 2 , Nr 20 zu § 16 SuchtgiftG), was jedoch vorliegend nicht der Fall ist.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb als unbegründet zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren.
Bei der Strafbemessung wertete es eine auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe, die Tatwiederholung sowie das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend und berücksichtigte das überwiegende Geständnis demgegenüber als mildernd.
Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung und
bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe.
Die Berufung ist nicht begründet.
Das Erstgericht fand, obwohl der Strafschärfungsgrund der Tatwiederholung im Hinblick darauf, daß es sich um ein fortgesetztes Delikt handelt, zu entfallen hat, ein Strafmaß, das dem Unrechtsgehalt der Verfehlung sowie dem Verschuldensgrad des einschlägig vorbestraften Angeklagten entspricht und überdies auf die bei Delikten gegen die Volksgesundheit mit in Betracht zu ziehenden Belange der Generalprävention gebührend Bedacht nimmt. Für eine Herabsetzung oder eine bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe bestand sohin kein Anlaß.
Auch der Berufung des Angeklagten war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E08314European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00061.86.0429.000Dokumentnummer
JJT_19860429_OGH0002_0110OS00061_8600000_000