Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Christa N***, Angestellte, 8020 Graz, Vinzens Muchitsch-Straße 6/8/42, vertreten durch Dr.Hella Ranner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Viktoria N***, Landwirtin, 8045 Graz, Rosegg Nr.40, vertreten durch Dr.Michael Stern, Dr.Peter Stern, Rechtsanwälte in Wien, sowie Dr.Teja H.Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufhebung einstweiliger Verfügungen, infolge Rekurses der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 20. September 1985, GZ.4 R 152,153,160,161/85-52, womit die Beschlüsse des Landesgerichtes für ZRS Graz je vom 19.Juli 1985, GZ.17 Cg 90/82-39 und -40, aufgehoben wurden, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei ist schuldig, der klagenden Partei und gefährdeten Partei binnen 14 Tagen die mit 5.043,80 S bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin 385,80 S Umsatzsteuer und 800 S Barauslagen) zu ersetzen.
Text
Begründung:
In der vorliegenden Rechtssache 17 Cg 90/82 des Landesgerichtes für ZRS Graz hatte die klagende und gefährdete Partei (im folgenden kurz: Klägerin) von der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei (im folgenden kurz: Beklagte) die Unterlassung der Belastung und Veräußerung der beiden Liegenschaften EZ 178 und 179, beide KG Graz-Stadt-Weinitzen, und die Unterfertigung einer zur Verbücherung dieses Verbotes geeigneten Urkunde begehrt. Mit einstweiliger Verfügung vom 8.3.1982, ON 2, und vom 19.9.1983, ON 16, wurde der Beklagten gemäß § 382 Z 6 EO die Veräußerung, Belastung und Verpfändung der genannten Liegenschaften bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreites 17 Cg 90/82 verboten. Zu TZ 4641/82 und TZ 28.133/83 des Bezirksgerichtes für ZRS Graz als Grundbuchsgericht wurden die beiden Verbote im Grundbuch angemerkt.
Mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 24.4.1985, 3 Ob 530/85, den Parteien zugestellt am 5.6.1985, endete der Rechtsstreit 17 Cg 90/82 damit, daß der Klage hinsichtlich jeweils eines Hälfteanteiles der beiden Liegenschaften stattgegeben wurde, während das Mehrbegehren hinsichtlich der jeweils zweiten Hälfteanteile abgewiesen wurde.
Am 12.7.1985 stellte die Beklagte zwei Anträge auf Aufhebung der beiden einstweiligen Verfügungen ON 2 und 16 mit der Begründung, der in den einstweiligen Verfügungen genannte Endzeitpunkt sei inzwischen abgelaufen (Anträge ON 37 und 38).
Das Erstgericht (Prozeßgericht), identisch mit dem Gericht, das die beiden einstweiligen Verfügungen erlassen hatte, gab den beiden Anträgen mit den Beschlüssen vom 19.7.1985, ON 39 und 40, statt, ohne über die beiden Aufhebungsanträge gemäß § 399 Abs.2 EO eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Gericht zweiter Instanz hob diese beiden Beschlüsse mit der Begründung auf, über die beiden Aufhebungsanträge müsse gemäß der zwingenden Vorschrift des § 399 Abs.2 EO mündlich verhandelt werden. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteige, und verfügte einen Rechtskraftvorbehalt (Beschluß ON 52 Punkt A).
Gegen diesen Aufhebungsbeschluß wendet sich der Rekurs der Beklagten (ON 56) mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß die Beschlüsse des Erstgerichtes wiederhergestellt werden. Die Beklagte vertritt darin im wesentlichen die Auffassung, daß wegen des zweifelsfreien Ablaufes der Zeit, für die die einstweiligen Verfügungen bewilligt worden seien, eine mündliche Verhandlung entbehrlich sei, zumal die Klägerin es unterlassen habe, sofort einen Verlängerungsantrag zu stellen.
Die Klägerin beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben. Sie macht geltend, daß einstweilige Verfügungen nicht ipso jure erlöschen, auch wenn die Zeit abgelaufen sei, für die sie bewilligt worden seien, und beruft sich im übrigen auf die zwingende Bestimmung des § 399 Abs.2 EO.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rekurs kommt keine Berechtigung zu.
Es entspricht seit Jahren ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß eine einstweilige Verfügung durch den Ablauf der Zeit, für die sie erlassen wurde, nicht von selbst außer Kraft tritt, sondern daß auch in diesem Falle eine ausdrückliche Aufhebung der einstweiligen Verfügung zu erfolgen hat (SZ 25/43, SZ 53/175, EvBl.1963/290, EvBl.1968/180, MietSlg.30.887, MietSlg.33.780). Nach herrschender Auffassung wird dieser Fall dem Aufhebungsfall des § 399 Abs.1 Z 2 EO zugeordnet (Rintelen, Einstweilige Verfügung 175, Walker 4 388 f, Holzhammer 2 ,311, Heller-Berger-Stix 2887). Daher muß auch über einen Aufhebungsantrag, der sich auf den Ablauf der Verfügungsfrist stützt, gemäß § 399 Abs.2 EO mündlich verhandelt werden (MietSlg.30.887). Ein ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung erlassener Aufhebungsbeschluß ist nichtig (EvBl.1962/218, MietSlg.30.887, 7 Ob 722/80). Eine Parallele zu
§ 39 Abs.2 EO (wonach bei Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung die sonst für bestimmte Einstellungsanträge vorgeschriebene Vernehmung der Parteien entfällt) oder zu
§ 40 Abs.1 EO (wonach bei Vorlage unbedenklicher Urkunden von der sonst vorgeschriebenen Vernehmung der betreibenden Partei abgesehen werden kann), ist nicht erkennbar, weil in § 399 Abs.2 EO von solchen Ausnahmen nicht die Rede ist. Es sei in diesem Zusammenhang nur etwa auf die Problematik hingewiesen, daß bei Auslegung der Formulierung der Zeit, für welche die einstweilige Verfügung getroffen wurde, nicht immer am reinen Wortlaut derselben gehaftet werden darf, weil dies sonst zu unbilligen und mit dem ganzen Zweck der erlassenen einstweiligen Verfügungen nicht vereinbaren Ergebnissen führen könnte, zB wenn trotz "Rechtskraft" der Entscheidung in der Hauptsache aus irgend welchen besonderen Umständen noch nicht "vollstreckt" werden kann, oder umgekehrt, die "Rechtskraft" nie eintreten kann, obschon die Sicherung aus anderen Gründen gar nicht mehr nötig ist (vgl. dazu bei öhnlicher Problematik im Fall der Exekution zur Sicherstellung, SZ 56/99). Die Entscheidung der zweiten Instanz ist daher zutreffend. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 402 Abs.2, 78 EO, 50, 41 ZPO, wobei davon auszugehen ist, daß nach rechtskräftiger Erledigung des Rechtsstreites nicht mehr § 393 Abs.1 EO anzuwenden ist, sondern ein selbständiger Zwischenstreit vorliegt.
Anmerkung
E08141European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00522.86.0430.000Dokumentnummer
JJT_19860430_OGH0002_0030OB00522_8600000_000