TE OGH 1986/5/6 2Ob541/86

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Veröffentlicht am 06.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** N*** AN DER KREMS, 4501 Neuhofen, vertreten durch Dr. Heimo Fürlinger, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Franziska L***, Landwirtin, Weichstetten 30, 4502 St. Marien, vertreten durch Dr.Wilfried Werbik, Rechtsanwalt in Steyr, wegen 1,882.481,08 S s. A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 4.Dezember 1985, GZ 2 R 165/85-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 24.Mai 1985, GZ 2 Cg 17/84-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 19.215,90 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.746,90 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte und ihr Ehegatte August L*** errichteten am 5.Juli 1951 eine allgemeine Gütergemeinschaft unter Lebenden. Sie sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 25 KG Weichstetten "Hendlhuebergut"; die Beschränkung durch die Gütergemeinschaft ist im Grundbuch einverleibt. August L***, der bei der Klägerin Kredite aufgenommen hatte, wurde mit Versäumungsurteil des Landesgerichtes Linz vom 22.Dezember 1983 verurteilt, der Klägerin 1,851.611,08 S samt 12 % Zinsen seit 18.November 1983 und Prozeßkosten von 30.870,08 S zu bezahlen.

Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieser Beträge bei Exekution in die Liegenschaft EZ 25 KG Weichstetten.

Die Beklagte wendete Arglist und Verstoß gegen die guten Sitten ein. Ihre Ehe befinde sich seit 1975 in einer schweren Krise. Seit 1982 sei die häusliche Gemeinschaft aufgehoben, ein Scheidungsverfahren sei anhängig. Die Beklagte habe die Klägerin darauf hingewiesen, daß die Handlungsweise ihres Mannes nur zu einer Schädigung ihrer eigenen Person führen solle. Die Klägerin habe jedoch nicht reagiert und der Beklagten eine genaue Auskunft über den aushaftenden Darlehenssaldo verweigert. Es bestehe der Verdacht, daß August L*** die Darlehen zur Schaffung von Sparguthaben aufgenommen habe und dies der Klägerin bekannt sei. Die Beklagte habe die Klägerin darauf hingewiesen, daß die Darlehensaufnahmen faktisch mutwillige Schädigungen der Beklagten seien, weil ihr Ehemann das Geld nicht benötige, sie könne auf das wirtschaftliche Treiben ihres Ehemannes keinerlei Einfluß nehmen und sei ihm diesbezüglich ausgeliefert. Der Direktor der Klägerin sei ein Jagdfreund ihres Mannes, der ihr gesagt habe, sie habe mit der Darlehenssache ihres Mannes nichts zu tun, sie werde "dafür nicht benötigt".

Das Erstgericht gab der Klage statt. Aus seinen auf den Seiten 6-16 des Ersturteils (AS 60 ff) enthaltenen Feststellungen ist folgendes hervorzuheben:

Die Ehe der Beklagten geriet Mitte der Siebzigerjahre in eine schwere Krise. August L*** stand schon seit Jahren zur Klägerin in Geschäftsverbindung. Deren Geschäftsleiter Alfred S*** ist sein Jagdfreund, mit dem er "per du" ist. Im Juni 1976 nahm August L*** einen Betriebsmittelkredit von 30.000 S auf. Die Beklagte erhielt davon Kenntnis, als sie ein Schreiben vorfand, in dem die Klägerin die Rückzahlung urgierte. Im Juli 1977 wurde der Kreditrahmen auf 50.000 S aufgestockt, im November 1977 erhielt August L*** einen Kredit von 67.000 S, den er zum Ankauf eines PKW benötigte. Dieser Kredit sollte ursprünglich den Ehegatten L*** gemeinsam gewährt werden, doch unterfertigte die Beklagte den Kreditantrag nicht. Sie erkundigte sich in diesem Zusammenhang sowohl bei Alfred S*** als auch bei dem damaligen Obmann S*** nach dem Schulden- und Kontostand ihres Gatten und wies schon damals wie auch bei späteren Vorsprachen darauf hin, daß sie mit dem Kredit und den Schulden nichts zu tun haben wolle. Dadurch wurde man bei der Klägerin erstmalig auf die zwischen den Ehegatten bestehende Gütergemeinschaft aufmerksam, da der Grundbuchstand für sie vorher wegen der relativ geringen Kreditsumme nicht von Interesse war. Der Beklagten wurde weder damals noch später Auskunft über den Kontostand bzw. die Höhe der Kredite erteilt, wobei darauf hingewiesen wurde, daß nur August L*** zeichnungsberechtigt sei und die Beklagte außerdem gar nichts damit zu tun habe. Das Konto wies Ende des Jahres 1977 einen Saldo zu Lasten des August L*** von 73.737 S auf. Im November 1978 nahm August L*** ein weiteres Darlehen von 250.000 S auf, das er für den Ankauf eines Traktors verwendete. August L*** tätigte abgesehen von diesem Traktor, den er 1981 wieder "von der Landwirtschaft entfernte", keine nennenswerten Investitionen für die Landwirtschaft. Im Oktober 1979 ließ sich August L*** einen weiteren Kontokorrentkredit von 100.000 S einräumen, in den Jahren 1979 und 1980 wurden verschiedene Beträge vom Girokonto abgebucht, deren Zweck teilweise nicht feststellbar war. Der Gesamtausgang im Jahr 1979 betrug etwa 650.000 S und im Jahr 1980 etwa 455.000 S. Zur Abdeckung der Kontoüberziehung wurde der Kreditrahmen auf 680.000 S aufgestockt. Sämtliche Kreditgewährungen erfolgten ohne pfandrechtliche Besicherung. Auch eine Bürgschaft wurde nicht für erforderlich erachtet. Alfred S*** wußte von den Schwierigkeiten zwischen den Ehegatten, es war ihm klar, daß die Beklagte die Zustimmung zur hypothekarischen Sicherstellung nicht erteilt hätte. In den Jahren 1980-1983 wurden die Eingänge auf dem Girokonto immer geringer (im Jahr 1983 nur mehr 600 S), der Debetsaldo wurde immer größer. Wenn August L*** von der Klägerin zur Abdeckung der Überziehung aufgefordert wurde, wies er darauf hin, daß er kein Geld, sondern nur die gemeinsame Landwirtschaft besitze, stellte aber eine Bereinigung in Aussicht. Auch Alfred S*** war an einer Bereinigung interessiert und machte der Beklagten und ihrem Sohn anläßlich einer Vorsprache - nachdem er noch relativ kurz vorher jegliches Gespräch oder eine Auskunft abgelehnt hatte - im Jahr 1979 oder 1980 Vorschläge, die aber für die Beklagte nicht akzeptabel waren. Daraufhin erklärte Alfred S***, es werde zu einer Versteigerung der Liegenschaft kommen. Auf Grund der Höhe der Kontoüberziehung, des Fehlens jeglicher Eingänge und mangels Aussicht auf Bereinigung wurde schließlich der Saldo in der Höhe von 1,851.611 S eingeklagt. Daß August L*** die Darlehen aufnahm und das Konto überzog, um die Beklagte zu schädigen, konnte nicht festgestellt werden, ebensowenig, daß derartiges den für die Klägerin handelnden Personen bekannt war.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Beklagte auf Grund der Gütergemeinschaft mit ihrem Anteil am gemeinsamen Vermögen für die Schuld ihres Mannes hafte. Sie habe zwar die Einrede der Arglist und des Verstoßes gegen die guten Sitten erhoben, doch sei es ihr nicht gelungen, die bezüglichen Behauptungen zu beweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde. Es erachtete die Beweiswürdigung des Erstgerichtes für unbedenklich, wobei es auch auf die in der Berufungsbeantwortung der Klägerin enthaltene Tatsachenrüge einging. Zur rechtlichen Beurteilung führte das Gericht zweiter Instanz aus, daß dann, wenn ein unter allgemeiner Gütergemeinschaft unter Lebenden stehender Ehegatte rechtskräftig zu einer Leistung verurteilt werde, der andere mit dem gemeinsamen Vermögen hafte. Im Rechtsstreit gegen den anderen Ehegatten sei daher regelmäßig nur festzustellen, ob ein rechtskräftiges Urteil gegen den einen Ehegatten vorliege. Der andere Ehegatte könne aber die Einrede der Arglist und des Verstoßes gegen die guten Sitten erheben. Die Klägerin sei bereits 1977 ausdrücklich von der Beklagten anläßlich einer Kreditaufnahme ihres Mannes, die in den Folgejahren getilgt worden sei, darauf hingewiesen worden, daß sie für die Verbindlichkeiten ihres Ehegatten nicht mithaften wolle. Der fragliche Kredit sei vorerst von August L*** auf den Namen beider Ehegatten beantragt und erst, nachdem die Beklagte die Unterschrift auf dem Kreditantrag verweigert habe, ihm allein gewährt worden. Die Beklagte habe die Klägerin damals ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß zwar eine Gütergemeinschaft bestehe, sie jedoch mit dem Kredit und den Schulden ihres Mannes nichts zu tun haben wolle. Man habe ihr sogar später Auskunft über den Kontostand verweigert und sie darauf hingewiesen, daß nur ihr Ehegatte zeichnungsberechtigt sei und sie "außerdem" mit den Krediten ("damit") nichts zu tun habe. Diese mehrmaligen Erklärungen gegenüber einer potentiellen Mitschuldnerin könnten nur dahin verstanden werden, daß die Klägerin auf die Geltendmachung der Mithaftung der Beklagten aus der Gütergemeinschaft zumindest schlüssig (§ 863 ABGB), wenn nicht sogar ausdrücklich ("sie habe außerdem gar nichts damit zu tun") verzichtet habe. Selbst wenn aber ein solcher Verzicht nicht angenommen werden könnte, müsse das Vorgehen der Klägerin als sittenwidrig im Sinne des § 879 Abs. 1 ABGB angesehen werden. Ein Verhalten, bei dem einem kraft Gesetzes bestimmten Mitschuldner, der sich gegen eine Schuldaufnahme des anderen Mitschuldners wehre, entgegengehalten werde, daß ihn die Angelegenheit nichts angehe, und ihm jede weitere Information in der Folge verweigert werde, um dann letztlich doch auf diese Haftung zurückzugreifen, könne nicht den aus der Rechtsprechung ablesbaren Wertungsgesichtspunkten entsprechen. Das klagende Kreditinstitut hätte entsprechend seiner kaufmännischen Sorgfaltspflicht die Beklagte zumindest nicht in dem Glauben lassen dürfen, diese werde für eine Haftung nicht herangezogen, auch wenn die Klägerin grundsätzlich nicht verhalten gewesen sei, die Beklagte als Ehegattin ihres Kreditnehmers über das Wesen einer Gütergemeinschaft aufzuklären.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf die Anfechtungsgründe der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellt die Klägerin einen Aufhebungsantrag. Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Soweit die Klägerin mit den Ausführungen zum Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit darzutun versucht, die schon in der Berufungsbeantwortung bekämpfte Feststellung, der Beklagten sei gesagt worden, "sie habe gar nichts damit zu tun", sei unrichtig, wendet sie sich in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung. Dem Revisionsvorbringen, das Berufungsgericht habe aktenwidrig diese Feststellung dahin "umgemünzt", der Beklagten sei gesagt worden, sie habe mit den Krediten nichts zu tun, ist entgegenzuhalten, daß sich das Wort "damit", weil sich sonst kein vernünftiger Sinn ergäbe, nur auf die Kreditaufnahme beziehen kann. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt daher nicht vor.

Wie die Vorinstanzen zutreffend ausführten, haftet ein Ehegatte, wenn der andere zu einer Leistung verurteilt wurde, auf Grund der Gütergemeinschaft grundsätzlich mit dem gemeinsamen Vermögen, er kann aber die Einreden der Arglist und des Verstoßes gegen die guten Sitten erheben (Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 1234; SZ 25/247; JBl 1966, 256; NZ 1973, 139; 7 Ob 630/82 uva). Zu diesen von der Beklagten ausdrücklich erhobenen Einreden ist folgendes zu erwägen:

Die Klägerin erlangte schon zu einer Zeit, als die Schulden des August L*** noch relativ gering waren, Kenntnis davon, daß zwischen den Ehegatten L*** Gütergemeinschaft bestand und die Beklagte mit den Kreditaufnahmen nicht einverstanden war. Trotzdem räumte sie in Kenntnis der Tatsache, daß für eine Realisierung ihres Rückforderungsanspruches nur die gemeinsame Liegenschaft in Betracht kam, dem Ehemann der Beklagten immer höhere Kredite ein, ohne irgendeine andere Sicherheit zu verlangen. Da bei einer Gütergemeinschaft die Verwaltung des Vermögens den Ehegatten gemeinsam zukommt und kein Teil allein zu einer Handlung befugt ist, womit über das gemeinsame Vermögen verfügt wird (Petrasch, aaO Rdz 4), handelte August L*** bei der Aufnahme von Krediten, die er nicht zurückzahlen konnte und die daher zu einem Verlust des gemeinsamen Vermögens führen mußten, pflichtwidrig gegenüber der Beklagten. Obwohl dies den handlungsberechtigten Personen der Klägerin klar sein mußte, erteilten diese der Beklagten keine Auskünfte, sondern sagten ihr lediglich, sie habe "damit nichts zu tun". Die Klägerin ließ es zu, daß das Konto weiter überzogen wurde, so daß es schließlich zu Lasten August L*** einen Saldo von 1,851.611 S aufwies. Dieses Verhalten der Klägerin läßt zwar kein arglistiges Vorgehen annehmen, verstößt indes jedenfalls gegen die guten Sitten. Aus diesen Gründen kann die Klägerin nicht mit Erfolg Leistung von der Beklagten verlangen.

Die Revisionswerberin vermag zur Begründung ihrer gegenteiligen Ansicht nichts Stichhältiges vorzubringen. Die Behauptung, die Kredite seien "in die Landwirtschaft geflossen", ist aktenwidrig; nach den Feststellungen wurde nur ein geringer Teil für die Landwirtschaft verwendet. Der Hinweis auf die - nicht unbestritten gebliebene - Judikatur, daß bei Gütergemeinschaft ein Ehemann sogar für die Verteidigerkosten seiner Frau wegen versuchten Gattenmordes aufzukommen habe (SZ 33/69, vgl. Petrasch aaO Rdz 7) ist nicht zielführend, weil der Verteidiger, der die Mithaftung des Opfers für seine Entlohnung geltend macht, immerhin eine für den Täter notwendige Leistung erbrachte. Im vorliegenden Fall besteht aber kein Anhaltspunkt dafür, daß die Kreditgewährung für August L*** in diesem Sinn notwendig war, die Klägerin behauptete derartiges auch nicht.

Das Klagebegehren besteht somit nicht zu Recht, ohne daß es einer Erörterung bedürfte, ob durch die Äußerung Direktor S***, die Beklagte "habe gar nichts damit zu tun", auf eine Mithaftung letzterer verzichtet wurde.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E08118

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00541.86.0506.000

Dokumentnummer

JJT_19860506_OGH0002_0020OB00541_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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